Schnittblumen als Exportschlager
Valentinstag ist ein wichtiger Termin in Äthiopien. Nicht nur, weil immer mehr Verliebte in dem Land am Horn von Afrika diese angelsächsische Tradition für sich entdecken, sondern weil Äthiopien im vergangenen Jahrzehnt zum viertgrößten Schnittblumen-Exporteur der Welt aufgestiegen ist. Gut zwei Milliarden Blumen (in etwa 40 000 Tonnen) werden aktuell hier produziert. Die meisten gehen nach Europa und verlassen das Land um den 14. Februar herum, sowie zum Muttertag im Mai.
Der Blumen-Export ist nur eines von vielen Zeichen für den ökonomischen Aufstieg. Noch bis 2011 wuchs die Wirtschaft zweistellig, für 2015 sagen Experten immer noch ordentliche sieben Prozent Wachstum voraus. Inzwischen ist das Land, einst von Hungerkatastrophen geplagt, die siebtgrößte Volkswirtschaft in Afrika südlich der Sahara. Das Besondere: Nicht Öl, Diamanten oder Gold stecken hinter diesem Aufschwung, sondern Landwirtschaft, ein Bauboom in den Städten und sogar eine verarbeitende Industrie, wie es sie nur in sehr wenigen afrikanischen Ländern gibt.
Oppositionsparteien haben es schwer
Eigentlich eine gute Bilanz für den Premier, Hailemariam Desalegn, und seine Partei EPRDF, die aus einem Rebellenbündnis hervorgegangen ist und schon seit 1991 regiert. Am Sonntag stellt sie sich bei Regional- und Parlamentswahlen zur Wiederwahl. Ihr Sieg gilt als sicher. Ähnlich wie China oder auch das ostafrikanische Ruanda gilt Äthiopien als Entwicklungsdiktatur: Die Regierung lenkt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft. Oppositionsparteien gibt es, doch ihre Arbeit wird häufig erschwert.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet von bürokratischen Hürden für Oppositionsgruppen, aber auch von offener Gewalt durch Sicherheitskräfte. Viele Parteien haben angekündigt, die auf diese Weise verzerrte Wahl zu boykottieren, wie schon beim letzten Mal 2010. Das Ergebnis: Bis auf zwei gehören alle 547 Abgeordneten des Parlaments zur Regierungspartei.
Für Andersdenkende ist wenig Raum, kritische Journalisten werden verfolgt oder verhaftet. Wie zum Beispiel eine prominente Gruppe von Bloggern, die auf einer Seite namens "Zone 9" politische und soziale Probleme thematisierten. Seit einem Jahr sitzen sechs von ihnen im Gefängnis und warten auf ihren Prozess - die Justiz wirft ihnen Terrorismus vor. Seit dieser Verhaftung wagen sich kritische Geister noch weniger aus der Deckung als zuvor.
In der Hauptstadt gibt es bald eine S-Bahn
Unter Premier Hailemariam, der das Amt 2012 nach dem Tod seines Vorgängers übernahm, hat die Regierungspartei ihren Kurs fortgesetzt: politische Steuerung der Wirtschaft, umfangreiche staatliche Investitionen in Infrastruktur und Modernisierung, strikte Geld- und Steuerpolitik. Mit diesen Methoden ist es der Regierung gelungen, die Armut bedeutend zu verringern: Während in den Neunzigerjahren noch knapp die Hälfte der Bevölkerung als arm galt, waren es 2011 nur noch 30 Prozent der 96 Millionen Äthiopier. Auch die Einschulungsrate und der Zugang zu medizinischer Versorgung haben sich verbessert.
In der Hauptstadt Addis Abeba schießen Bürogebäude und Hotels aus dem Boden. Noch in diesem Monat soll eine elektrische Stadtbahn nach mehrmonatiger Testphase ihren regulären Betrieb aufnehmen. Wo andere afrikanische Megacities noch mit Taxis, Mofas und Kleinbussen hantieren, werden die Geschäftsleute in Addis bald S-Bahn fahren. Auch wenn Äthiopien weiter zu den ärmsten Staaten der Welt zählt und die aktuellen Erfolge noch längst nicht in den unteren Schichten angekommen ist.
Keine Wahlbeobachter im Einsatz
Die Spielräume für die Opposition haben sich seit 2010 nicht vergrößert, eher im Gegenteil. Als kleines Signal der Missbilligung schickt das westliche Ausland keine Wahlbeobachter. Das ist aber auch schon alles. Denn was seinem internationalen Stand angeht, verfügt Äthiopien über einen großen Vorteil: Es ist umgeben von Krisenstaaten wie Somalia und Südsudan. Der Westen schätzt Äthiopien als Insel der Stabilität. Und drückt beim Thema Demokratie beide Augen zu.