Wahl in Hamburg:Nicht zu früh freuen, mehr werden

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Proteste gegen die AFD in Erfurt. (Foto: Jens Schlueter/AFP)

In Hamburg haben viele über einen Misserfolg der AfD gejubelt, der doch keiner war. Daraus lassen sich für den Umgang mit der Partei drei Dinge lernen.

Kommentar von Ralf Wiegand, Hamburg

Für ein paar Stunden glänzten die Attribute, mit denen sich die Freie und Hansestadt Hamburg so gerne schmückt, noch heller als sonst: weltoffen, liberal, tolerant, vernünftig. Für ein paar Stunden trendete der Hashtag #NazisRaus in allen sozialen Netzwerken. Kaum ein prominenter Politiker, Schauspieler, Sänger, Sportler, der die aufrechten Hamburger nicht dafür feierte, die AfD aus dem Parlament gekickt zu haben. Wenn nicht von hier, vom Tor zur Welt, von wo aus sonst könnte dieses Signal ausgehen: Wir sind mehr?

Und dann war doch gleich wieder Aschermittwoch und die Party vorbei. Sie waren nicht genug. Die AfD, in Hamburg eine Partei ohne jeden parlamentarischen Nutzwert, hat es geschafft. Die AfD-Wählerschaft hatte die Demoskopen, die ihre Prognosen auf der Basis von Umfragen vor den Wahllokalen erstellen, erfolgreich getäuscht, bei weitem nicht jeder hat da die Wahrheit erzählt, wenn er antwortete, wen er denn gewählt habe. Deswegen sah es zunächst so aus, als würde die AfD aus jenem westdeutschen Parlament als erstes wieder rausfliegen, in das sie im März 2015 auch als erstes gewählt worden war. Der Volksmund kennt dafür gleich zwei Weisheiten: das Fell des Bären sollte nicht verteilt werden, ehe er erlegt ist und der Tag nicht vor dem Abend gelobt. Für die nächste Wahl sollte manch einer sein Zitatenbüchlein griffbereit halten.

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Nun ist die Analyse am Ende einer langen Wahlnacht eine ganz andere, als sie zu Beginn zu werden versprach. Wenn die AfD nicht hier, am Tor zur Welt, in dieser toleranten, vernünftigen, liberalen Stadt zu besiegen ist, wenn sie nach den Ereignissen von Thüringen und Hanau in absoluten Zahlen kaum einen Wähler verliert - wo dann? Dann wird es an jedem anderen Ort noch schwieriger sein. Der harte Kern in Hamburg ist definiert, aus dem komplizierten Fünf-Stimmen-Wahlrecht lassen sich gut 40 000 Menschen destillieren, die unbeeindruckt von den Geschehnissen in diesem Land so gewählt haben, ganz bewusst. Es sind Menschen, die in einer der reichsten Regionen Deutschlands keine politische Heimat diesseits der AfD mehr haben, vor fünf Jahren nicht und auch heute nicht. Es sind die AfD-Wähler trotz Hanau. Trotz Halle. Trotz Lübcke. Trotz Höcke.

Aus der Hamburger Wahl lassen sich dennoch drei Lehren ziehen. Die erste: Es empfiehlt sich nach wie vor ein besonnener Umgang mit der AfD. Das verfrühte Triumphgeheul in die Abenddämmerung des Hamburger Wahltages hinein war Wasser auf die Mühlen der Partei, es stärkt ihr Wir-gegen-alle-Gefühl und macht aus einer Niederlage, die das Absacken der Partei eigentlich darstellt, für sie erst einen späten Erfolg. Zudem werden ihre Wähler so zu Außenseitern gemacht, was es nicht einfacher machen wird, sich ihnen zu nähern.

Zweitens: "Wir sind mehr" ist ein gutes Motto, um der AfD beizukommen. Wenn die Wählerschaft dieser Partei nicht kleiner wird, müssen die anderen eben wachsen. In Hamburg ist die AfD nur durch die hohe Wahlbeteiligung in die Nähe der parlamentarischen Zugangssperre von fünf Prozent gedrückt worden, die anderen waren tatsächlich mehr, aber eben nicht genug. Hätte zum Beispiel die in Hamburg marginalisierte CDU ihren Wählern, die sie dort einmal hatte, ein interessantes Angebot gemacht, es wäre wohl schon genug gewesen. Wer die eigenen Wähler gewinnt, muss sich den AfD-Wählern gar nicht erst nicht anbieten.

Und drittens: Jede einzelne Stimme zählt, das zeigt das Drama um die FDP. Ihr haben am Ende wahrscheinlich die Stimmen von weniger als einem Bus von Leuten gefehlt. Wer nicht wählt, kann nicht dazugehören.

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