Wahlanalyse:Die stärkste Kraft verliert

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Bis 20 Uhr konnten die Franzosen am Sonntag abstimmen. Dann wurden die Gewinner der einzelnen Wahlkreise ermittelt. (Foto: Jean-Francois Badias/AP)

Die Brandmauer der linken und gemäßigten Kräfte hat gehalten. Die extreme Rechte bekommt am meisten Stimmen, stellt aber nicht die größte Fraktion.

Von Sören Müller-Hansen, Marie-Louise Timcke

Bei der Stichwahl in Frankreich hat die Brandmauer des linken Bündnisses Nouveau Front populaire (NFP) und von Macrons Bündnis Ensemble gegen den extrem rechten Rassemblement National (RN) gehalten. Doch die Partei von Marine Le Pen ist so stark wie nie.

Welche der vielen kleinen Parteien in Frankreich genau unter dem Dach von NFP, Ensemble und RN zusammengefasst werden, darüber gibt es selbst bei französischen Medien unterschiedliche Interpretationen. So wird etwa der linke Politiker Raphaël Glucksmann von manchen Medien zum NFP gezählt, bei anderen läuft er unter „Weitere Linke“. Dem NFP werden demnach 178 bis 182 Sitze zugerechnet, dem Macron-Bündnis Ensemble 150 bis 168, dem RN gemeinsam mit der Union der extremen Rechten 142 oder 143 Sitze.

Nach den Erfolgen bei der Europawahl und der ersten Wahlrunde ist das Ergebnis für den RN trotz der historischen Dimension eine Niederlage. In Umfragen war eine absolute Mehrheit für möglich gehalten worden. Dass es nicht so kam, liegt am Wahlsystem, bei dem die Abgeordneten in jedem der 577 Wahlkreise direkt gewählt werden.

In fast allen Wahlkreisen war es zu einer Stichwahl gekommen. In mehr als 300 von ihnen hatten sich mehr als zwei Kandidaten dafür qualifiziert. Um eine Mehrheit der extremen Rechten zu verhindern, hatten viele der Drittplatzierten aber ihre Kandidatur zurückgezogen. Statt Dreieckswahlen, die den Rassemblement National begünstigt hätten, gab es nun deutlich mehr Duelle, bei denen NFP oder Ensemble gegen die Partei von Le Pen antraten.

Die neue Sitzverteilung täuscht darüber hinweg, wie viele Französinnen und Franzosen ihre Stimme der extremen Rechten gegeben haben. Gäbe es in Frankreich eine Verhältniswahl, so wie in Deutschland, läge der RN mit seinen Verbündeten deutlich vorne.

Die stark polarisierte Wahl hat dazu geführt, dass die Wahlbeteiligung hoch war. Sie lag bei 66,6 Prozent.

Der Rassemblement National konnte bereits im ersten Wahlgang fast 40 Sitze gewinnen und ging in sehr vielen Wahlkreisen in die Stichwahl. Das kurz vor der Wahl geformte linke Parteienbündnis Nouveau Front populaire (NFP) war in den meisten Wahlkreisen der größte Widersacher des Rassemblement National, vor allem rund um Paris und im Süden Frankreichs. Vor allem in den Städten gewann NFP.

Macrons Parteienbündnis Ensemble hatte in der ersten Runde gerade einmal zwei Sitze direkt gewonnen, schaffte es nicht mehr flächendeckend in die Stichwahl und zog vielerorts drittplatzierte Kandidatinnen und Kandidaten zurück. Das Bündnis hat im Vergleich zur Wahl 2022 knapp 100 Sitze verloren. Angesichts der Umfragen kurz vor der Wahl ist es dennoch ein Erfolg, dass Ensemble mehr Sitze erringen konnte als der Rassemblement National.

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