Wahl in FrankreichLinke und Liberale kündigen taktische Rückzüge ihrer Kandidaten an

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„Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden“, sagt Premier Gabriel Attal am Wahlsonntag.
„Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden“, sagt Premier Gabriel Attal am Wahlsonntag. (Foto: LUDOVIC MARIN/AFP)

Die extreme Rechte greift nach der absoluten Mehrheit im französischen Parlament. Um das zu verhindern, wollen sich andere Lager für die Stichwahl in einigen Wahlkreisen zurückziehen – zugunsten aussichtsreicherer Bewerber.

Der rechtsextreme Rassemblement National (RN) hat die erste Runde der französischen Parlamentswahl zwar gewonnen, doch ob die Partei von Marine Le Pen die erhoffte absolute Mehrheit bekommt, ist noch längst nicht sicher. Bei den Stichwahlen am kommenden Sonntag könnte es vielerorts taktische Wahlentscheidungen geben.

Sowohl aus dem zweitplatzierten Linksbündnis als auch aus dem liberalen Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron hieß es: Man werde in den Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz gelandet sei, zugunsten der Kandidatinnen und Kandidaten zurücktreten, die den RN besiegen könnten.

„Unsere Richtlinie ist einfach und klar: keine einzige Stimme mehr für den Rassemblement National“, sagte Linken-Führer Jean-Luc Mélenchon. Macron forderte per Pressemitteilung, in der zweiten Wahl nur Kandidaten zu unterstützen, die „klar republikanisch und demokratisch“ sind.

Premier Gabriel Attal, ein Getreuer des Präsidenten, mahnte: „Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden.“ Es sei eine moralische Pflicht, alles zu tun, um das Schlimmste zu verhindern. Attal muss nach der Wahl um seinen Posten bangen.

Rechte wollen absolute Mehrheit – Tausende demonstrieren dagegen

Sein Nachfolger als Premier will RN-Chef Jordan Bardella werden. Er kündigte an, im Parlament die Regierung übernehmen zu wollen. Le Pen sprach nach dem ersten Durchgang von einem Sieg, mahnte aber: „Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist entscheidend.“ Le Pen rief dazu auf, ihrer Partei zu einer absoluten Mehrheit zu verhelfen. Sollte der RN mit diesem Vorhaben Erfolg haben, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus den Reihen der Rechten zu ernennen. Denn das Unterhaus kann die Regierung stürzen.

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Sollte bei der Stichwahl keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Koalitionsverhandlungen. Derzeit ist nicht absehbar, wie die grundverschiedenen politischen Akteure für eine Regierung zusammenkommen könnten. Wird keine Lösung gefunden, könnte die aktuelle Regierung als eine Art Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich würde in einem solchen Szenario politischer Stillstand drohen. Neue Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg bringen.

Während die Anhänger des RN auf den Machtwechsel hoffen, fürchten sich viele Franzosen vor einer Machtübernahme der Rechtsnationalen. Am Sonntagabend demonstrierten Tausende Menschen in Paris und etlichen anderen großen Städten gegen die extreme Rechte. Kundgebungen und Protestmärsche gab es beispielsweise auch in Nantes, Dijon, Lille und Marseille. In Frankreichs drittgrößter Stadt Lyon gab es nach Medienberichten Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei. Barrikaden wurden errichtet und Beamte mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen. Auch einige Schaufenster gingen zu Bruch.

© SZ/dpa/Reuters/saul - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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