Wahl in Frankreich:Macron lässt Premier Attal vorerst im Amt

Nach den Parlamentswahlen in Frankreich lehnt Staatspräsident Emmanuel Macron (rechts) das Rücktrittsgesuch von Premierminister Gabriel Attal vorerst ab. (Foto: Ludovic Marin/AP)

Der Präsident lehnt den Rücktritt seines Vertrauten ab, um „die Stabilität des Landes zu gewährleisten“. Das bei der Wahl siegreiche Linksbündnis will sich rasch auf einen eigenen Kandidaten einigen.

Alle Entwicklungen im Liveblog

Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters.

Wichtige Updates

Linksbündnis will sich rasch auf möglichen Premier verständigen

Wer wurde gewählt? Ein Überblick über prominente Kandidaten 

Feuerwerk über Paris, Ausschreitungen in anderen Städten

Hollande feiert sein Comeback

Le Pen sagt, der Sieg ihrer Partei sei "nur aufgeschoben"

Kassian Stroh
Kassian Stroh

Macron lässt Attal erst einmal im Amt

Premierminister Gabriel Attal hat seinen Rücktritt eingereicht – und bleibt doch erst einmal im Amt. Um "die Stabilität des Landes zu gewährleisten", habe Präsident Emmanuel Macron ihn gebeten, vorerst weiter als Premier zu arbeiten. Attal hatte am Sonntagabend seinen Rücktritt angeboten, aber auch seine Bereitschaft erklärt, notfalls kommissarisch im Amt zu bleiben. Es wurde bereits vermutet, dass er für die laufenden Geschäfte noch einige Wochen im Amt bleiben könnte – auch mit Blick auf die Olympischen Spiele, die am 26. Juli in Paris beginnen.
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Wie es nun weitergeht

Frankreich hat gewählt, Frankreich braucht eine neue Regierung. Doch der Weg dorthin dürfte nicht einfach werden, denn die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind unklar. Keines der drei großen Lager hat eine absolute Mehrheit, weder der rechtsextreme RN noch die Linke noch die zentristische Allianz „Ensemble“ von Präsident Emmanuel Macron.

Dieser will fürs Erste an seinem Vertrauten Gabriel Attal festhalten. Er habe ihn gebeten, "vorerst Ministerpräsident zu bleiben, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten", teilte Macrons Büro mit. Attal hatte seinen Rücktritt "getreu der republikanischen Tradition" angeboten, aber auch seine Bereitschaft erklärt, notfalls übergangsweise kommissarisch im Amt zu bleiben.

Für die Frage, wer an der Spitze der Regierung steht, ist Macron qua Verfassung der entscheidende Mann: Der Präsident ernennt den Premierminister sowie auf dessen Vorschlag hin auch alle weiteren Regierungsmitglieder. Anders als bisher hat Macrons Mitte-Lager aber keine Mehrheit mehr in der Nationalversammlung, er kann also nicht einfach einen Parteifreund zum Regierungschef machen, da dieser dort dann auf verlorenem Posten stünde. Zwar muss das Parlament der Ernennung eines Premiers nicht zustimmen, es kann ihm aber jederzeit das Misstrauen aussprechen, woraufhin er dann zurücktreten müsste. Es stellt sich nun also die Frage, ob und welche Fraktionen sich vorstellen können zusammenzuarbeiten.

Koalitionsverhandlungen kennt das politische Frankreich quasi nicht; die Situation, dass der Präsident im Parlament keine Mehrheit hinter sich hat, ist eher die Ausnahme als die Regel. Ob zum Beispiel Linke und Macrons Allianz ein Bündnis schmieden können, ist ungewiss. Aus beiden Lagern sind bereits ablehnende Stimmen zu hören. Konsultationen zu führen könnte einige Zeit dauern.

Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass Macron - wie eigentlich üblich nach einer Wahl - rasch einen neuen Ministerpräsidenten ernennt. Er hat bereits angekündigt, dies keinesfalls vor der ersten Sitzung des Parlaments zu tun. Sie findet am Donnerstag der kommenden Woche, am 18. Juli, statt. Der heute zurücktretende Attal könnte noch eine ganze Weile kommissarisch im Amt bleiben.

Um eine Mehrheit der extremen Rechten zu verhindern, hat sich vor der Wahl der „Front républicain“ zusammengetan, ein Bündnis demokratischer Kräfte. Und nach der Wahl könnten Sozialdemokraten, Grüne, Kommunisten und Macronisten  rein rechnerisch auch eine Regierung tragen, vielleicht machen sogar die Republikaner mit. Aber inhaltlich passen die Parteien nicht wirklich gut zusammen, wie SZ-Korrespondent Oliver Meiler analysiert (SZ Plus): 
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Linksbündnis will sich rasch auf möglichen Premier verständigen

Nach ihrem Wahlsieg will sich die Linke in Frankreich auf einen Kandidaten für das Amt des Premierministers verständigen. Das aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und der Linkspartei bestehende Bündnis war ohne Spitzenkandidaten in die Wahl gegangen. Einen Favoriten für das Amt des Regierungschefs gibt es offenbar noch nicht.

„Wir müssen innerhalb einer Woche in der Lage sein, eine Kandidatur“ zu präsentieren, sagte Sozialistenchef Olivier Faure dem Sender Franceinfo. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass das Linksbündnis nicht in der Lage sei zu regieren. Über einen Kandidaten müsse entweder im Konsens entschieden werden oder mit einer Abstimmung in den zum Linksbündnis gehörenden Parteien.

Die bisherige Fraktionschefin von Frankreichs Linkspartei, Mathilde Panot, sagte dem Sender RTL, dass das Linksbündnis in dieser Woche einen Premierminister und eine Regierung präsentieren werde. Der wegen seines polemischen Auftretens umstrittene Gründer der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, ist aus ihrer Sicht weiterhin im Rennen. Mélenchon habe der Linken erst wieder das Siegen beigebracht, sagte Panot, und habe die Formierung eines Linksbündnisses vor der Parlamentswahl 2022 und auch jetzt erst möglich gemacht.

Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier plädierte im Interview des Senders France Inter für einen Konsens statt eines Kräftemessens zwischen den verschiedenen Parteien. Wichtiger noch als die Frage, wer die Regierung leiten solle, sei die Frage, welche Politik ein künftiger Premierminister umsetzen wolle.

Ernannt wird dieser von Präsident Emmanuel Macron, der in seiner Entscheidung formal frei ist, der aber die Kräfteverhältnisse im Parlament berücksichtigen muss. Er könnte auch einen anderen Vertreter aus dem größten Lager auswählen, den dieses selbst nicht vorgeschlagen hat.
Léonardo Kahn
Léonardo Kahn

Wer wurde gewählt? Ein Überblick über prominente Kandidaten 

Anders als in Deutschland werden in Frankreich die Abgeordnete ausschließlich über Direktmandate in die Assemblée Nationale gewählt. Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen demnach in ihrem Wahlkreis gewinnen, um ins Parlament zu kommen. Hier ist eine kurze Liste der Ergebnisse prominenter Politiker:
  • Der ehemalige Präsident François Hollande feiert das wohl überraschendste Comeback dieser Parlamentswahl. Er wurde im Wahlkreis Corrèze, für den er bereits von 1988 bis 1993 und von 1997 und 2012 im Parlament saß, mit 43 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
  • Der Premierminister Gabriel Attal wird heute Vormittag zwar seine Rücktrittserklärung einreichen, aber Abgeordneter bleiben. Die Wähler im Pariser Großraum Hauts-de-Seine haben ihn in seinem Mandat bestätigt. Auch seine Vorgängerin Élisabeth Borne wurde wiedergewählt.
  • Der langjährige Innenminister und Wegbegleiter von Emmanuel Macron, Gérald Darmanin, wurde in seinem Wahlkreis Nord mit 61 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
  • Auch weitere Minister wurden wiedergewählt: etwa Außenminister Stéphane Séjourné, der Energiebeauftragte Roland Lescure, Landwirtschaftsminister Marc Fesneau und seine Kollegin Agnès Pannier-Runacher, die Antidiskriminierungsbeauftragte Aurore Bergé oder die Naturschutzbeauftragte Hervé Berville.
  • Der Parteivorsitzende der rechtskonservativen Les Républicains, Eric Ciotti, wurde in seinem Wahlkreis in Nizza wiedergewählt. Er ist umstritten, da er für eine gemeinsame Liste mit dem Rassemblement National kandidiert hat. Aus derselben Partei wurde auch Laurent Wauquiez in seinem Mandat bestätigt. Er gilt als möglicher Favorit für eine Kandidatur in der Präsidentschaftswahl 2027. 
  • Der frühere Gesundheitsminister, Olivier Véran, hat im Wahlkreis Isère gegen seinen linken Rivalen, Hugo Prevost, verloren. Für ihn endet vorerst seine politische Karriere.
  • Auch der rechtsextreme Politiker und Corona-Skeptiker Nicolas Dupont-Aignan verliert sein Mandat im Wahlkreis Essonne.
  • Die Schwester von Marine Le Pen, Marie-Caroline Le Pen, hat den Einzug ins Parlament um einen halben Prozentpunkt knapp verpasst.
Viele prominente Kandidaten mussten sich keiner Stichwahl stellen, da sie bereits in der ersten Wahlrunde am 30. Juni die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen bekommen hatten. Dazu zählen etwa vom Rassemblement National Marine Le Pen, Sébastien Chenu und Julien Odoul; von der linken France Insoumise Manuel Bompard, Danièle Obono und die Fraktionsvorsitzende Mathilde Panot; von den Grünen Sandrine Rousseau und von der sozial-demokratischen Parti socialiste der Parteivorsitzende Olivier Faure und der Vize-Bürgermeister von Paris, Emmanuel Grégoire.
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Französische Nationalspieler erfreut über Wahlausgang

Ihre Gedanken kreisen nicht nur um das morgige Halbfinale bei der Fußball-Europameisterschaft gegen Spanien: Mit Erleichterung haben diverse französische Nationalspieler auf das Wahlergebnis reagiert. „Es lebe die Vielfalt, es lebe die Republik, es lebe Frankreich“, schreibt der ehemalige Bundesliga-Profi Marcus Thuram bei Instagram und gratuliert allen, die eine Antwort auf die Gefahr gegeben hätten, die über „unserem schönen Land“ geschwebt habe. Thuram beendete seine Nachricht mit den Worten: „Der Kampf geht weiter.“

„Sieg des Volkes“, schreibt Thurams Teamkollege Aurélien Tchouameni bei X. Und Jules Koundé kommentiert dort: „Glückwunsch an alle Franzosen, die sich aufgemacht haben, dass dieses schöne Land, das Frankreich ist, nicht von extremen Rechten regiert wird.“ Die Erleichterung sei so groß, wie es die Sorge in den vergangenen Wochen gewesen sei.

Spieler wie Thuram hatten sich schon mehrmals zur politischen Lage in Frankreich geäußert, nicht zuletzt nach dem Ausgang der Europawahl, bei der der rechtsextreme Rassemblement National mehr als 31 Prozent der Stimmen geholt hatte. „Die Situation in Frankreich ist traurig, sie ist ernst“, hatte Thuram gesagt.

Le Pen kritisiert Mbappé

Insbesondere Superstar Kylian Mbappé hatte sich gegen rechts positioniert und von einer "brenzligen" Situation gesprochen. "Wir dürfen nicht erlauben, dass unser Land in die Hände dieser Leute fällt", sagte der Kapitän der Nationalmannschaft am vergangenen Donnerstag bei einer EM-Pressekonferenz. Er hoffe, "dass sich am Ergebnis noch etwas ändert und die Leute die richtigen Parteien wählen."

Damit zog er sich den Zorn von Marine Le Pen zu, der führenden Figur des Rassemblement National. „Die Franzosen haben es satt, belehrt und beraten zu werden, wie sie wählen sollen“, sagte sie am Sonntag dem Fernsehsender CNN: „Mbappé vertritt nicht die Franzosen mit Migrationshintergrund, denn es gibt viel mehr von ihnen, die vom Mindestlohn leben, sich keine Wohnung und keine Heizung leisten können, als Leute wie Herrn Mbappé.“
Katja Guttmann
Katja Guttmann

Außenpolitiker Roth: "Macron hat die politische Mitte geschreddert"

Trotz des Erfolgs des Linksbündnisses bei der französischen Parlamentswahl sieht der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, keinen Grund sich zurückzulehnen: "Der Durchmarsch der Rechts-Nationalisten und Rechtsextremisten ist gestoppt worden“, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel. "Aber es ist noch viel zu früh, um Entwarnung zu geben, denn die nationalistischen Populisten von rechts und links sind so stark wie nie. Die Mitte ist so schwach wie nie. Damit ist Emmanuel Macron krachend gescheitert.“

Roth sagte, das politische Projekt Macrons habe vorgesehen, nicht mehr links und rechts über die Zukunft des Landes und Europas entscheiden zu lassen, sondern die Mitte: "Faktisch aber hat Macron die politische Mitte geschreddert.“ Roth forderte die gemäßigten Parteien zu einer Zusammenarbeit auf. "Es wäre gut, wenn die pro-europäischen Kräfte, die der liberalen Demokratie verpflichtet sind, zusammenhalten“, sagte er. "Dann kann man Populisten und Nationalisten aufhalten."

Der Außenpolitiker warnte vor einer wichtigen politischen Rolle für die altlinke Ikone Jean-Luc Mélenchon. „Mélenchon ist ein Anti-Deutscher durch und durch. Er unterscheidet sich in seinen anti-deutschen und anti-europäischen Tiraden nicht substanziell von Frau Le Pen“, sagte Roth. "Es gibt keinen Grund, Mélenchon zu vertrauen. Er ist ein anti-europäischer Ideologe, ein Hasardeur.“
Vielen ist ein Stein vom Herzen gefallen, mir auch.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert
Auch der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Link sieht die Gefahr der Extreme von Rechts und Links als nicht gebannt. "Die ersten aggressiven Reaktionen Le Pens und Mélenchons sprechen Bände“, sagte Link. "Ein starkes Signal wäre jetzt eine republikanische Mehrheit aus Macrons Mitte plus Sozialdemokraten à la (Raphaël) Glucksmann plus denjenigen konservativen Républicains, die sich vom RN klar distanziert haben.“

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zeigte sich erleichtert: Ein Durchmarsch der Rechten habe nicht stattgefunden. Das Wahlergebnis sei ermutigend, stelle nun aber eine enorme Herausforderung dar - für Frankreich selbst, aber auch für Europa, das sich gerade in der Phase der Neuaufstellung nach der Europawahl befinde, und für das deutsch-französische Verhältnis. Er hoffe, dass Frankreich in dieser schwierigen Zeit schnell wieder zu einer Aufstellung finde, die man in Europa brauche.

Laschet: "Der Kampf für Demokratie und Europa lohnt sich“

"Es besteht die Chance auf eine demokratische und pro-europäische Mehrheit“, sagte der CDU-Außenpolitiker und frühere Parteichef Armin Laschet, der Mitglied des Vorstands der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung ist. Der französische Präsident Emmanuel Macron habe recht gehabt: "Wenn ein Drittel rechtsradikal wählt, muss man die anderen Zweidrittel mobilisieren.“ Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September ergänzte Laschet: "Das ist eine Lehre auch für uns bei den ostdeutschen Landtagswahlen. Der Kampf für Demokratie und Europa lohnt sich.“ 
Léonardo Kahn
Léonardo Kahn

Feuerwerk über Paris, Ausschreitungen in anderen Städten

In Paris haben sich viele Wählerinnen und Wähler schon auf einen Sieg des rechtsextremen Rassemblement National gefasst gemacht und sich am Platz der Republik für eine Demonstration versammelt. Doch es kam anders: Vielen Analysen zum Trotz konnte das linke Bündnis die meisten Sitze gewinnen, die Partei von Marine Le Pen landete nur an dritter Stelle. Die geplante Demonstration wurde zur Party umgewidmet. Auch in anderen Städten fanden spontane Demonstrationen stadt.
Auf dem Platz der Republik in Paris versammeln sich tausende Wähler.
Auf dem Platz der Republik in Paris versammeln sich tausende Wähler. Louise Delmotte, dpa
Die Demonstranten klettern auf das Monument, sprühen Graffitis und schwingen die Flaggen.
Die Demonstranten klettern auf das Monument, sprühen Graffitis und schwingen die Flaggen. Emmanuel Dunand, afp

Molotowcocktails über Nantes

Jedoch blieb es nicht überall friedlich. In Paris wurden Beamte mit Flaschen beworfen, diese antworteten mit Tränengas. Auch wenn in der Hauptstadt einige Mülltonnen und Fahrräder in Brand gesetzt wurden, sei die Situation laut Behörden unter Kontrolle. Kurz vor Mitternacht wurde der Platz der Republik großflächig geräumt.

Anders sah es in den nordwestlichen Städten Rennes und Nantes aus. In Rennes hat die Polizei einen spontanen Demonstrationsumzug angehalten. Die Demonstranten warfen mit Gegenständen auf die Beamten und traten Schaufenster von Supermärkten und anderen Geschäften ein. 31 Personen wurden laut Präfektur wegen Sachbeschädigung festgenommen. In Nantes griffen Demonstranten die Polizisten mit Feuerwerkkörpern an. Ein Polizist soll laut Angaben der Präfektur von einem Molotowcocktail verletz worden sein. Landesweit sind 30 000 Polizisten im Einsatz, davon 5000 allein in Paris. 
Gegen 23 Uhr kam es zu ersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei.
Gegen 23 Uhr kam es zu ersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Yara Nardi, Reuters
Léonardo Kahn
Léonardo Kahn

Hollande feiert sein Comeback

Der ehemalige Präsident konnte sich als Kandidat für das linke Bündnis in seinem Wahlkreis Corrèze gegen seine rechtsextreme Rivalin, Maïtey Pouget, durchsetzen. Mit dem Einzug in die Assemblée Nationale vollzieht François Hollande sein politisches Comeback in Frankreich.

Dem Fernsehsender BFMTV gegenüber erklärte er, er wolle an der Bildung einer neuen Regierung nicht beteiligt sein, glaube aber, in der Außenpolitik "nützlich" zu sein.

Seine Kandidatur für die Vereinigte Linke zählt zu den großen Überraschungen der Wahlkampagne, da er sich noch in der vergangenen Wahl vor zwei Jahren eher kritisch gegenüber einem ähnlichen Bündnis geäußert hatte. Das Parlament kennt er gut. Von 1988 bis 1993 und von 1997 bis 2012 war er bereits Abgeordneter für denselben Wahlkreis, bevor er 2012 zum Präsidenten gewählt wurde. Er ist nach Valéry Giscard d’Estaing im Jahr 1984 der zweite Politiker in der Geschichte Frankreichs, der nach einer Präsidentschaft wieder Abgeordneter wird.
Léonardo Kahn
Léonardo Kahn

Französische Nationalelf erleichtert über "Sieg des Volkes"

Während der Europameisterschaft beschäftigte die Mannschaft auch die Parlamentswahl in der Heimat. Nach dem Erstarken des Rassemblement National äußerten viele Fußballspieler öffentlich ihre Sorgen, Kapitän Kylian Mbappé forderte seine Fans sogar zur Wahl auf. 

Nach den ersten Hochrechnungen der Stichwahl macht sich Erleichterung bei den Bleus breit. Innenverteidiger Jules Kondé schrieb auf X: "Herzlichen Glückwunsch an alle Franzosen, die sich dafür eingesetzt haben, dass dieses schöne Land nicht von Rechtsextremisten regiert wird." Der Spieler von Barcelona hat während der EM mehrmals dazu aufgefordert, die Brandmauer gegen den Rassemblement National zu halten.
Der Mittelverteidiger Aurélien Tchouaméni spricht von einem "Sieg des Volkes". Stürmer Ousmane Dembélé postet auf Instagram ein Selfie mit einem riesigen Grinsen und Stürmer Marcus Thuram bedankte sich auf derselben Plattform bei den Wählern, "die angesichts der Gefahr, die über unserem schönen Land schwebte, da waren" und fügt hinzu: "Vive la mixité, vive la République, vive la France. Le combat continue." "Es lebe die Vielfalt, es lebe die Republik, es lebe Frankreich. Der Kampf geht weiter."
Léonardo Kahn
Léonardo Kahn

Le Pen sagt, der Sieg ihrer Partei sei "nur aufgeschoben"

Der Rassemblement National hatte die erste Wahlrunde gewonnen, nach der zweiten Wahlrunde aber könnte die rechtsextreme Partei von Marine Le Pen auf dem dritten Platz landen. Die frühere Parteivorsitzende äußerte sich am Wahlabend noch zur überraschenden Wahlniederlage. Im Sender TF1 sagt die wiedergewählte Abgeordnete, der Sieg ihrer Partei sei "nur aufgeschoben" und betonte, dass der RN "die erste" Partei in Frankreich sei. "Die Flut steigt. Sie ist dieses Mal nicht hoch genug gestiegen, aber sie steigt weiter und deshalb ist unser Sieg nur aufgeschoben." Sie fügte hinzu: "Ich habe zu viel Erfahrung, um von einem Ergebnis enttäuscht zu sein, bei dem wir unsere Abgeordnetenzahl verdoppeln."

Der 28-jährige Parteivorsitzende Jordan Bardella zeigte sich enttäuscht am Wahlabend in Vincennes, Paris: "Leider wurden die Franzosen von der Allianz der Schande und den gefährlichen Wahlabsprachen zwischen Emmanuel Macron und Gabriel Attal mit den Linksextremisten davon abgehalten, eine Politik des Aufschwungs zu wählen". Er warnte davor, dass die Absprachen die Franzosen "in die Arme von Jean-Luc Mélenchon" werfe.
Dennoch will sich Bardella nicht geschlagen geben. Der Europaabgeordnete sagte, an diesem Abend werde alles beginnen: "Ich werde da sein, für euch, mit euch, bis zum Sieg. Heute Abend ist eine alte Welt untergegangen, und nichts kann ein Volk aufhalten, das wieder zu hoffen begonnen hat."

Aktuellen Hochrechnungen zufolge könnte die Fraktion zwischen 150 und 180 Sitze der Assemblée Nationale erhalten, aktuell hat sie 89 Abgeordnete. Vor 2022 hatte die rechtsextreme Partei lediglich acht Sitze.
Léonardo Kahn
Léonardo Kahn

Premierminister Gabriel Attal kündigt Rücktritt an

Nach einer kurzen Amtszeit von 5 Monaten und 27 Tagen kündigte Premierminister Gabriel Attal am Wahlabend seinen Rücktritt an. Das Mitte-Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron verfüge über keine Mehrheit mehr, teilte er nach Bekanntwerden erster Hochrechnungen mit. "Getreu der republikanischen Tradition werde ich morgen früh beim Präsidenten der Republik meinen Rücktritt einreichen." Er werde jedoch so lange das Ministerium innehaben, "wie es die Pflicht erfordert". Er betonte, dass an diesem Abend "eine neue Ära" beginne und das Schicksal Frankreichs "mehr denn je" im Parlament entschieden werde. Der 35-jährige Attal war der jüngste Premierminister in der Geschichte Frankreichs.

Auch mit Blick auf die Olympischen Spiele, die am 26. Juli in Paris beginnen, kann es sein, dass die Regierung von Attal noch einige Wochen im Amt bleibt.
Gabriel Attal konnte in der Parlamentswahl sein Mandat als Abgeordneter verteidigen: In seinem Wahlkreis im Pariser Großraum Hauts-de-Seine gewann er mit 58 Prozent der Stimmen. 
Juri Auel
Juri Auel

Welche Region wie gewählt hat

Wo fahren die linken Erfolge ein? Welche Sitze fallen an die Rechten, auch wenn sie bei der Stichwahl schlechter abschneiden als im ersten Wahlgang? Zu diesen und noch mehr Fragen finden Sie in diesem Artikel (SZ Plus) Grafiken, die laufend aktualisiert werden. 
Juri Auel
Juri Auel

Kommentar: Auch nach dieser Wahl ist das Problem von Macht und Gegenmacht in Frankreich nicht gelöst

Alles noch mal gut gegangen? "Frankreich wird sich dahinschleppen", schreibt Stefan Kornelius, Leiter des SZ-Politikressorts, in seinem Kommentar. Darin heißt es auch:
 
Macron wird natürlich triumphieren und sich als Bezwinger der Rechten feiern lassen. In Wahrheit aber muss er sich eingestehen, dass dies auch eine Wutwahl gegen den Präsidenten war – nicht nur gegen die rechtsextremen Lepenisten.
Den ganzen Kommentar lesen Sie hier mit SZ Plus:
Juri Auel
Juri Auel

Macron mahnt wegen Wahlergebnis offenbar zur Vorsicht

Der große Rechtsruck ist ausgeblieben, dennoch äußert sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Berichten zur Folge in einer ersten Reaktion nicht euphorisch. Das Ergebnis zeige, dass der gemäßigte Block nicht "tot" sei – es sei jedoch unklar, wer den Regierungsauftrag habe, berichtet der Sender BFMTV unter Berufung aus das Umfeld des Präsidenten. Macron wird die finalen Wahlresultate abwarten, um "die notwendigen Entscheidungen zu treffen", kündigt der Elysée-Palast schließlich an. 
Juri Auel
Juri Auel

Erleichterung bei den Linken, Frust bei den Rechten 

Zwei Bilder, zwei politische Richtungen – und zwei ganz unterschiedliche Emotionen. Während Anhänger der linken Opposition auf den Straßen von Paris feiern... 
Reuters
... herrscht bei dem Rassemblement National Ernüchterung, nachdem die ersten Wahlergebnisse bekannt gegeben worden sind.  
Reuters
Reuters
© SZ/dpa/rtr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWahl in Frankreich
:Wo die Brandmauer gegen die extreme Rechte steht

Der Rassemblement National hat die erste Runde der Parlamentswahlen in Frankreich gewonnen. Vor der Stichwahl ziehen sich viele Kandidaten zurück. Sie hoffen, Le Pens Partei so zu schwächen. Eine Analyse mit Grafiken.

Von Sören Müller-Hansen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: