Stadt- und Weinfeste haben gerade Hochsaison. Doch nach dem Anschlag in Solingen fürchten viele Veranstalter, dass die Sorge um die eigene Sicherheit potenzielle Besucherinnen und Besucher abschrecken könnte. In Stuttgart hat deshalb Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) flugs die bestehende Waffenverbotszone auf das zehntägige „Stuttgarter Weindorf“ ausgedehnt, gerade noch rechtzeitig vor der Eröffnung des beliebten Fests in der Innenstadt an diesem Mittwoch. „Nach dem Anschlag von Solingen möchten wir nichts unversucht lassen, um die objektive und subjektive Sicherheit zu erhöhen. Es ist ein deutliches Signal: Jedes Messer, das mitgeführt wird, ist eines zu viel“, sagte Nopper.
Nach dem Anschlag mit drei Toten im nordrhein-westfälischen Solingen fordern Politiker aller Parteien Konsequenzen aus der Tat. Zu den diskutierten Maßnahmen gehören auch generelle Messerverbote im öffentlichen Raum und die Ausweisung von sogenannten Messerverbotszonen, also genau definierten Bereichen, in denen zu bestimmten Zeiten keine derartigen Waffen mitgeführt werden dürfen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte in einer ersten Reaktion auf Solingen, es sollten mehr Waffenverbotszonen ausgewiesen werden. Nun debattiert das Land die Frage, ob das etwas bringt.
Verstöße können mit einem Bußgeld von bis zu 10 000 Euro geahndet werden
Stuttgart gehört zu den Kommunen, die mit der Maßnahme bereits Erfahrungen sammeln – und sie als Erfolg werten. Die baden-württembergische Landeshauptstadt wies im Februar 2023 eine Waffenverbotszone aus. Seitdem dürfen in großen Teilen der Innenstadt freitags, samstags und vor Feiertagen zwischen 20 Uhr und 6 Uhr des Folgetages keine Messer mit einer Klingenlänge ab vier Zentimetern mitgeführt werden. Für den Bereich des Weindorfs wird die zeitliche Beschränkung nun sogar aufgehoben. Das Verbot umfasst auch Elektroschocker und Macheten. Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit behandelt und können mit einem Bußgeld von bis zu 10 000 Euro geahndet werden. Mit der Waffenverbotszone zog die Stadt eine späte Konsequenz aus der sogenannten „Stuttgarter Krawallnacht“: In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 war es in der Innenstadt zu Ausschreitungen und Plünderungen gekommen.
Die wissenschaftliche Evaluation der zunächst auf zwei begrenzten Waffenverbotszonen steht zwar noch aus. Aber Polizei und Politik ziehen bereits eine positive Zwischenbilanz. Innerhalb der Waffenverbotszone sei die Zahl schwerer Straftaten im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, sagte eine Sprecherin der Stuttgarter Polizei. Seit Februar 2023 habe die Polizei deutlich mehr als 100 Messer und andere verbotene Gegenstände sichergestellt und mehr als 100 Ermittlungsverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat eingeleitet.
Waffenverbotszonen seien „kein Allheilmittel“
„Das lässt den Schluss zu, dass dadurch mögliche Attacken und damit weitere schwere Straftaten in erheblicher Anzahl verhindert werden konnten“, sagte die Polizeisprecherin. Insgesamt trage die Maßnahme zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit bei. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, Waffenverbotszonen seien „ein Baustein von vielen, um die Sicherheit der Menschen zu erhöhen“. Das Instrument sei aber „kein Allheilmittel“. Die Landesregierung erlaubt den Kommunen im Südwesten seit Oktober 2022, Waffenverbotszonen auszuweisen. Bislang nutzen die Möglichkeit Stuttgart, Mannheim, Heidelberg und Heilbronn.
Städte in anderen Bundesländern experimentieren zum Teil schon weit länger mit dem Instrument – mit konträren Erfahrungen. Die Ergebnisse eines Evaluationsberichts für die Ende 2018 eingeführte Waffenverbotszone in Wiesbaden etwa decken sich mit den Erfahrungen in Stuttgart. „Die kriminologische Betrachtung lässt die klare Empfehlung zu, die Waffenverbotszone weiterzubetreiben“, schreibt die Professorin für Kriminologie der Universität Gießen, Britta Bannenberg, in ihrer Evaluation für die Stadt Wiesbaden vom November 2023.
Dagegen steht die ebenfalls 2018 eingerichtete Waffenverbotszone in Leipzig rund um die Eisenbahnstraße vor dem Aus. Denn der vom sächsischen Innenministerium in Auftrag gegebene Evaluationsbericht für Leipzig machte 2021 ein „Paradox“ aus: Zwar sei die Gewaltkriminalität innerhalb der Zone fast vollständig zurückgegangen, das Sicherheitsempfinden habe sich aber kaum verbessert, die Zahl anderer Delikte sei weiter hoch. Die Akzeptanz des Instruments sei gering, auch, weil viele den Eindruck hätten, es werde für anlasslose Präventivkontrollen genutzt. Leipzig will die Waffenverbotszone deshalb abschaffen und stattdessen einen Polizeiposten in der Eisenbahnstraße einrichten. Es mangelt nur noch an einer passenden Immobilie.