Waffenstillstand:Jemen schnauft kurz durch

Daily life in Yemen

Hoffen auf gute Nachrichten: Zwei Jemeniten vor einem Friseursalon in der Hauptstadt Sanaa.

(Foto: Yahya Arhab/dpa)
  • Seit neun Monaten herrscht in Jemen Krieg zwischen regierungstreuen Kräften und Huthi-Rebellen.
  • Nun haben die Parteien einen siebentägigen Waffenstillstand vereinbart, der an diesem Dienstag in Kraft tritt.
  • Friedensverhandlungen sollen in der Schweiz beginnen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es ist ein kleiner Lichtblick für die Menschen in Jemen, eine Atempause in einem Krieg, der nun bald neun Monate dauert. Von Dienstagmorgen an gilt ein siebentägiger Waffenstillstand in dem Land im Süden der Arabischen Halbinsel; an diesem Dienstag sollen an einem geheim gehaltenen Ort in der Schweiz Friedensverhandlungen zwischen der international anerkannten Regierung unter Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und der Huthi-Miliz sowie ihren Verbündeten beginnen, die im Herbst 2015 im Handstreich den Norden des Landes samt der Hauptstadt Sanaa einnahmen und die Regierung vertrieben.

Die zwei bisherigen Waffenruhen wurden gebrochen; diesmal seien die Aussichten besser, sagte noch am Wochenende der UN-Vermittler Ismail Ould Cheikh Ahmed. Allerdings sind die Kämpfe zuletzt noch eskaliert. Bei Luftangriffen der von Saudi-Arabien geführten Koalition, die Hadi wieder die Kontrolle über das Land verschaffen will, wurden in der nordwestlich von Sanaa gelegenen Provinz Hajjah, einer Hochburg der Huthi, am Sonntag laut Krankenhäusern mindestens 44 Menschen getötet.

Hoffen auf die Einsicht, dass der Konflikt militärisch nicht zu lösen ist

Am Montagmorgen traf eine Tochka-Rakete der Huthis oder mit ihnen verbündeter Einheiten des jemenitischen Militärs ein Feldlager der Koalition; neben je einem hohen Offizier aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten starben offenbar Dutzende Soldaten. Es könnte der schwerste Rückschlag für die Koalition werden, die bei einem ähnlichen Angriff im September auf ein Militärlager in der Provinz Marib 65 Soldaten verloren hatte. Die Friedensgespräche sind damit zumindest gefährdet, auch wenn die Golfstaaten dort nicht vertreten sind; Jemens Konfliktparteien sollen unter sich verhandeln.

Westliche Diplomaten hoffen darauf, dass in den Golfstaaten nach Tausenden Luftangriffen die Einsicht wächst, dass dieser Konflikt militärisch nicht zu gewinnen ist. Die geplante Offensive der Koalition mit dem Ziel, Sanaa einzunehmen, ist ins Stocken geraten. Seit Wochen wüten schwerste Kämpfe um Taizz, die drittgrößte Stadt des Landes, die weitgehend zerstört sein soll, ohne dass eine Seite einen Durchbruch erzielen konnte. Ein Luftangriff der Koalition traf dort eine Klinik der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, obwohl deren Koordinaten bekannt waren.

Die Koalition vertrieb die Huthis zwar aus der Stadt Marib, von wo ein Vorstoß auf Sanaa geplant war, konnte aber bislang Angriffe auf die Grenzregion in Saudi-Arabien nicht unterbinden. Als Zeichen für das militärische Patt gilt auch der Einsatz von Hunderten Söldnern aus Kolumbien, anderen lateinamerikanischen Ländern und womöglich auch Eritrea. Sie sollen offenbar die Elitetruppen aus den Golfstaaten für offensive Operationen entlasten und helfen, deren Verluste zu verringern.

Die humanitäre Lage ist extrem prekär

Diplomaten berichten zudem, die Regierung in Riad sei zunehmend verärgert über Präsident Hadi. Die Emirate würden ihn am liebsten ablösen durch Premierminister Khaled Bahah, der in Jemen selbst als Kompromisskandidat - anders als Hadi - möglicherweise noch akzeptabel wäre.

Vor allem im Süden des Landes, aus dem die Koalition die Huthis vertrieben hat, nutzen Terroristen das Vakuum vielerorts für sich: In Aden, der provisorischen Hauptstadt, wurde der Gouverneur Jaafar Saad mit sechs Leibwächtern bei einem Autobombenanschlag getötet, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hat. Sie reklamierte auch einen Angriff auf einem Stützpunkt in der Provinz Hadramaut im Norden für sich, bei dem mindestens 30 Menschen ums Leben kamen.

2,3 Millionen Vertriebene im eigenen Land

Das Terrornetzwerk al-Qaida brachte nach der Hafenstadt al-Mukalla auch noch Sindjibar, die Hauptstadt der Provinz Abjan, unter ihre Kontrolle. Aus Jaar, der zweitgrößten Stadt des Gouvernements, wollen regierungstreue Kräfte die Dschihadisten wieder vertrieben haben.

Ein Jemenit berichtete, auf einer Fahrt von Aden an die omanische Grenze sei der Bus an jeder Straßensperre von Al-Qaida-Kämpfern kontrolliert worden. Auch gegen die Huthis gibt es schwere Vorwürfe, dass sie Hilfslieferungen behindern, unliebsame Aktivisten und Journalisten mit Verbindungen zur Saudi-Arabien nahe stehenden Islah-Partei verschwinden lassen und bei Kämpfen ebenfalls bewohnte Gebiete mit schweren Waffen beschießen.

Die humanitäre Lage ist extrem prekär. Mehr als 6000 Menschen wurden seit Beginn des Bombardements am 25. März getötet; die meisten von ihnen Zivilisten. 170 000 Jemeniten sind trotz der weitgehenden Blockade in Länder der Region geflohen, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mitteilte, weitere 2,3 Millionen sind Vertriebene im eigenen Land. 6,7 Millionen der 21,2 Millionen Einwohner wüssten nicht, wo ihre nächste Mahlzeit herkomme, sagte ein UN-Sprecher. Zwar landeten wieder mehr Schiffe in Jemen an als zum Höhepunkt der Blockade im August, doch sei es schwierig, die Güter an ihren Bestimmungsort zubringen, weil viele Straßen und Brücken beschädigt oder zerstört seien - maßgeblich durch die Luftangriffe.

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