Krieg in Nahost:Neue Hoffnung auf Waffenruhe in Gaza

Lesezeit: 3 Min.

Während die Verhandlungen in Doha laufen, werden die Kämpfe in dem seit nunmehr 15 Monate andauernden Krieg in Gaza fortgesetzt. (Foto: Amir Levy/Getty Images)

Eine Einigung über ein Geiselabkommen scheint in Reichweite zu sein. US-Außenminister Blinken sagt: Es liegt nur an der Hamas. Doch in Israel stemmen sich Netanjahus rechte Koalitionspartner dagegen.

Von Kristiana Ludwig

In den Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Hamas um eine Waffenruhe im Gazastreifen und ein damit verbundenes Geiselabkommen rückt eine Einigung näher. Nach Angaben der US-Regierung ist eine Vereinbarung so nahe wie „noch nie zuvor“. Der Ball liege nun im Feld der Hamas, sagte US-Außenminister Antony Blinken. „Wir warten auf das letzte Wort der Hamas über ihre Zustimmung.“ Er gehe davon aus, dass eine Einigung erreicht werde. Ähnliche Aussagen waren am Dienstag auch aus Katar zu hören. Verhandler beider Seiten haben in Doha über einen möglichen Weg zu einem Ende des Gazakriegs gesprochen. An dessen Anfang soll israelischen Medien zufolge die Freilassung von mehr als 33 Geiseln stehen, von denen die meisten noch am Leben seien. Es handele sich um Frauen, Kinder und Männer, die älter als 50 Jahre sind. Im Gegenzug würde eine deutlich höhere Anzahl palästinensischer Gefangener freigelassen, im Gespräch seien 1000 – jedoch zunächst niemand, der an dem Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sei. Geplant sei außerdem ein schrittweiser Rückzug israelischer Truppen aus Gaza, verbunden mit mindestens sechs Wochen Waffenruhe.

Diese Verabredungen sollen nur die erste Stufe darstellen: Vom 16. Tag der Waffenruhe an sollen die Gespräche wieder aufgenommen werden, heißt es, um dann über die Zukunft des Gazastreifens zu verhandeln. Die Frage, wer das Gebiet künftig verwalten soll, gehörte bislang zu den größten Streitpunkten. Ziel der Gespräche sei es, alle 98 Geiseln zurückzuholen, die noch in Gaza seien, heißt es von israelischer Seite. Die meisten dieser Gefangenen wurden am 7. Oktober 2023 verschleppt, nach Regierungsangaben waren es an diesem Tag 251 Menschen. Mindestens 35 von ihnen sind tot.

Die Hamas sei „geschwächt und isoliert“

Im vergangenen Jahr hatte es immer wieder Gespräche über ein Ende des Gazakriegs gegeben, die jedoch nie zum Erfolg führten. Diesmal, sagt die Nahost-Expertin Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik, seien die Chancen aber deutlich höher. Ein Grund dafür sei, dass die Hamas „geschwächt und isoliert“ sei: Die Organisation hat viele ihrer Mitglieder im Krieg verloren, darunter im Oktober ihren Anführer Jahia Sinwar.

Angehörige und viele Unterstützer in Israel fordern, dass sich beide Seiten einigen, damit die Geiseln freigelassen werden. (Foto: Itai Ron/REUTERS)

Ein weiterer Grund sei der zusätzliche Druck, der von dem neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump ausgehe. Trump hatte bereits im Wahlkampf versprochen, dass noch vor seinem Amtsantritt am 20. Januar der Gazakrieg ende. In der vergangenen Woche drohte er, im Nahen Osten werde „die Hölle losbrechen“, wenn es in den kommenden zwei Wochen kein Abkommen gebe. Er hat zudem seinen neuen Nahostgesandten, Steve Witkoff, mit zu den Verhandlungen nach Doha geschickt. Der versucht dort nun an der Seite eines Vertreters des scheidenden Präsidenten Joe Biden, ein Abkommen zu erwirken.

Für Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist es von großem Interesse, sich mit dem künftigen US-Präsidenten gut zu stellen. Die Wissenschaftlerin Asseburg sagt, Netanjahu setze darauf, „dass Trump ihm mehr als dessen Vorgänger Biden grünes Licht gibt für Projekte wie den Siedlungsbau im Westjordanland oder den Justizumbau. Zudem macht Trump Druck auf den Internationalen Strafgerichtshof, der einen Haftbefehl gegen Netanjahu erlassen hat“. Eine Einigung für Gaza, sagt Asseburg, sei aber dennoch „nicht in trockenen Tüchern“.

Denn Netanjahu sieht sich innerhalb seiner eigenen Regierung mit Widerstand gegen eine Waffenruhe konfrontiert. Sein rechtsextremer Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir drohte bereits damit, die Koalition zu verlassen, sollte es zu einer Einigung kommen – und forderte den rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich auf, es ihm gleichzutun. Denn Ben Gvir allein könnte die Regierung durch seinen Austritt noch nicht kippen. Netanjahu ist immer wieder dem Druck seiner rechten Koalitionspartner ausgesetzt, die eine Fortsetzung des Krieges und eine Ausweitung von Siedlungsprojekten fordern.

Bundeskanzler Olaf Scholz teilte am Dienstag mit, er hoffe auf ein rasches Geiselabkommen zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Das monströse Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober 2023 sei allen noch sehr gegenwärtig, sagte er: „Wir verstehen, wie schmerzhaft jede Vereinbarung mit der Terrororganisation Hamas für Israel ist. Dennoch: Das Leben der Geiseln muss jetzt oberste Priorität haben.“ Unter den Geiseln befänden sich zahlreiche deutsche Staatsangehörige. Eine Vereinbarung sei in greifbarer Nähe und biete die Chance auf einen Waffenstillstand, um das Leid im Gazastreifen endlich zu lindern.

Während die Verhandlungen in Doha laufen, werden die Kämpfe in dem seit nunmehr 15 Monate andauernden Krieg in Gaza fortgesetzt. Bei israelischen Angriffen seien nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde binnen 24 Stunden 61 Menschen getötet worden. Mehr als 280 weitere hätten Verletzungen erlitten, teilte die Behörde mit. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Seit Kriegsbeginn sind nach palästinensischen Angaben in dem Küstenstreifen mehr als 46 600 Menschen getötet worden. Mehr als 110 000 wurden demnach verletzt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Israel
:Dann gehen sie eben ins Gefängnis

Wehrdienstverweigerer gab es bisher so gut wie keine in Israel. Ein paar wenige tun sich das an, aus politischen Gründen. Aber dreht sich jetzt vielleicht der Wind?

Von Sonja Zekri

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: