Femizid in Sachsen-Anhalt:Innenministerin kritisiert grobe Fehler der Polizei

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) zieht Konsequenzen aus dem Mord an einer Frau in Bad Lauchstädt bei Halle.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) zieht Konsequenzen aus dem Mord an einer Frau in Bad Lauchstädt bei Halle.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/DPA)

Hätte verhindert werden können, dass der Sportschütze in Bad Lauchstädt seine Frau erschießt? Tamara Zieschang erklärt: Polizei und Waffenbehörde hätten anders handeln müssen. Und sie macht eine klare Ansage.

Von Iris Mayer und Ronen Steinke, Leipzig/Berlin

Nach der Bluttat eines Sportschützen in Sachsen-Anhalt sieht das Innenministerium erhebliche Fehler und Versäumnisse der zuständigen Behörden.

Polizei und Landratsamt hätten im Fall des Femizids an einer 59 Jahre alten Frau "anders und vor allem professioneller" reagieren müssen, erklärte Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) am Mittwoch: "Waffen gehören nicht in die Hände von aggressiven, gewalttätigen oder extremistischen Menschen. In solchen Fällen gilt es, diesen ihre Waffen schnellstmöglich zu entziehen."

Am 8. März hatte der 61-jährige Falk S. in Bad Lauchstädt bei Halle (Saale) erst seine getrennt von ihm lebende Ehefrau und dann sich selbst erschossen.

Der Frührentner war Mitglied in einem Schützenverein und besaß legal mehrere Waffen. Kerstin S. hatte ihren Ex-Partner mehrfach wegen häuslicher Gewalt angezeigt, zuletzt fünf Wochen vor ihrem Tod. Den Polizisten erzählte sie auch, dass ihr Ehemann bewaffnet sei und sie um ihr Leben fürchte. Am 1. Februar leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung, Nötigung im Straßenverkehr und Stalkings gegen Falk S. ein, weil er versucht haben soll, Kerstin S. mit dem Auto zu rammen und sie aus ihrem Wagen zu zerren.

Verpflichtende Fallkonferenzen zwischen Polizei und Waffenbehörde

Die Polizei informierte zwar die zuständige Waffenbehörde, teilte dieser laut Innenministerium auch mit, dass es schon früher Ermittlungen gegen Falk S. gab und er außerdem eine weitere Frau bedroht haben soll. Doch die Waffenbehörde sah nach einem Check keinen Grund einzuschreiten. Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung erklärte der Landkreis dazu, man habe keine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat mit Waffenbezug im Register gefunden, die zwingend zum Entzug der Waffenerlaubnis führen würde.

Zieschang ordnete nun für künftige Fälle an, "dass es bei häuslicher Gewalt im familiären Umfeld, bei denen Tatverdächtige über waffen- oder sprengstoffrechtliche Erlaubnisse verfügen, verpflichtende Fallkonferenzen zwischen Polizei sowie den für Waffen- und Sprengstoffrecht zuständigen Behörden gibt".

Im Fall von Kerstin S. hätten Polizei und Waffenbehörde dringend enger zusammenarbeiten müssen. Zieschang erklärte, wenn Anhaltspunkte vorlägen, dass legal besessene Waffen missbräuchlich verwendet werden könnten, müssten in jedem Einzelfall alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, "zum Schutz der Betroffenen. Zu unser aller Schutz".

Das Innenministerium machte zudem deutlich, dass die Polizei bestehende Regeln in dem Fall nicht genug beachtet habe. Zwar wurde das Opfer an eine Interventionsstelle für häusliche Gewalt verwiesen, beim gewalttätigen Mann unternahm die Polizei aber nur "den Versuch einer Gefährderansprache". Die Beamten trafen Falk S. nicht zu Hause an und übergaben an die nächste Schicht.

"Warum im Nachgang keine Gefährderansprache erfolgte, kann von der Polizeiinspektion Halle (Saale) bislang nicht aufgeklärt werden", teilte das Ministerium mit. Und: "Dieser tödliche Fall häuslicher Gewalt im familiären Umfeld wird mit der gesamten Landespolizei und den Waffenbehörden ausgewertet werden."

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