Silvesterkrawalle:Faeser will Waffenrecht massiv verschärfen

Silvesterkrawalle: Ein ausgebrannter Reisebus steht nach Krawallen in der Silvesternacht vor einem beschädigten Wohnhaus in der Berliner Siedlung High Deck in Süd-Neukölln.

Ein ausgebrannter Reisebus steht nach Krawallen in der Silvesternacht vor einem beschädigten Wohnhaus in der Berliner Siedlung High Deck in Süd-Neukölln.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Nach Angriffen auf Feuerwehren und andere Einsatzkräfte: Schreckschusspistolen sollen künftig nur noch mit Erlaubnis zu haben sein. Bundesinnenministerium bereitet Gesetzesänderung vor, stößt aber bei der FDP auf Widerstand.

Von Markus Balser, Berlin

Sie waren in der Neujahrsnacht in eines der Löschfahrzeuge gesprungen und nur ein paar Straßenecken weiter zum Einsatzort gefahren. Dort lag ein brennender Haufen E-Scooter und Gerümpel auf der Straße, erinnert sich einer. Die Kollegen stiegen aus, um zu löschen. Dann schnappte die Falle zu. Sie seien mit Pyrotechnik und Schreckschusspistolen beschossen und mit Steinen beworfen worden, erzählen die Feuerwehrleute. "Das war ein regelrechter Hinterhalt." Selbst Einsatzkräfte, die seit Jahrzehnten in der Hauptstadt Dienst täten, hätten so etwas noch nicht erlebt, sagt Landesbranddirektor Karsten Homrighausen am Freitag. "Das war eine völlig neue Dimension der Angriffe."

Innenministerin Nancy Faeser, Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger (alle SPD) sind an diesem Morgen in die Wache gekommen, um sich die Details von den Einsatzkräften schildern zu lassen. Und die offenbaren ein immenses Ausmaß der Gewalt.

Auf insgesamt 50 Angriffe gegen Einsatzkräfte in Berlin kommen die Behörden inzwischen. In 20 Fällen seien gezielt Barrikaden errichtet worden, um Einsätze zu behindern, heißt es bei der Feuerwehr. 15 Feuerwehrleute seien verletzt worden. Fast eine Stunde sprechen die Politikerinnen vertraulich mit den Feuerwehrleuten. Von einer "hitzigen Debatte" ist hinterher die Rede.

Und davon, dass die Krawalle schon in den nächsten Tagen Konsequenzen haben sollen. Faeser will die ohnehin geplante Verschärfung der Waffengesetze nun nochmals beschleunigen und bereits in der kommenden Woche eine Novelle in die Ressortabstimmung der Bundesregierung bringen. Kern der Verschärfung soll nicht nur ein Verbot halbautomatischer Waffen sein. Auch der Kauf bislang frei gehandelter Schreckschusspistolen soll erschwert werden. Nötig sei eine Erlaubnis für deren Kauf, kündigte Faeser am Freitag an. Sie hätten in der Silvesternacht eine große Rolle gespielt und seien "kein harmloses Instrument", sagte Faeser.

Offen ist allerdings, wie weit Faeser mit ihrem Vorschlag innerhalb der Bundesregierung kommt und ob er sich wirklich schnell umsetzen lässt. Denn bislang stellt sich die FDP bei der geplanten Verschärfung der Waffengesetze quer. Aus Kreisen des Innenministeriums verlautete am Freitag mit einigem Erstaunen, Jäger und Schützenvereine würden die Verschärfung deutlich weniger kritisch sehen als der Koalitionspartner. Berlins Innensenatorin Iris Spranger, die in diesem Jahr den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernimmt, kündigte an, die Pläne nun auch über die Landesinnenminister voranzutreiben.

Laut Faeser seien die Täter in Neukölln zum großen Teil Jugendliche mit Migrationshintergrund gewesen

Die jugendlichen Täter sollen zudem laut Politik eine sehr schnelle und harte Reaktion von der Justiz zu spüren bekommen. Der Staat müsse zeigen, dass er handlungsfähig sei, forderte Faeser. Bei Ausschreitungen in den vergangenen Jahren hatten sich die Behörden allerdings schwergetan, die Täter schnell zu ermitteln und zu verurteilen.

Laut Faeser seien die Täter in Neukölln zum großen Teil Jugendliche mit Migrationshintergrund gewesen. Es sei nicht richtig, das zu verschweigen. Am meisten unter den Ausschreitungen gelitten hätten aber Bewohner der betroffenen Viertel, die ebenfalls vielfach einen Migrationshintergrund hätten. Einsatzkräfte berichteten am Freitag auch über Schutz und Hilfe von Bewohnern Neuköllns mit Migrationshintergrund, die sie in der Neujahrsnacht erfahren hätten. "Das Entsetzen über die Tage war riesengroß", sagt einer. "Ganz unabhängig davon, wo die Menschen herkommen."

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