Süddeutsche Zeitung

Waffenlieferungen:Scholz verärgert enge Verbündete

Die USA und europäische Partner reagieren verstimmt auf Deutschlands Entscheidung, vorerst keine Kampfpanzer zu liefern. In der Ampelkoalition steigt ebenfalls der Druck auf den Kanzler.

Von Markus Balser, Stefan Kornelius, Frank Nienhuysen und Mike Szymanski, Berlin/München

In der Debatte über die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine gerät Bundeskanzler Olaf Scholz im In- und Ausland in Bedrängnis. Der Unmut steigt über seine Entscheidung, Kiew vorerst keine Leopard 2 zu überlassen. Die US-Regierung reagierte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung regelrecht verärgert über die Bundesregierung und zeigte sich verstimmt darüber, dass diese vor dem Ramstein-Treffen den USA Bedingungen für die Leopard-Lieferung gestellt habe. Die US-Führung hat seit Monaten deutlich gemacht, dass es zwischen der Lieferung von Leopard und amerikanischen Kampfpanzern keinen Zusammenhang geben könne.

Das Weiße Haus intervenierte nach SZ-Informationen mit deutlichen Worten im Kanzleramt. Demnach rief US-Sicherheitsberater Jake Sullivan den außenpolitischen Berater von Scholz, Jens Plötner, an, mit dem er eigentlich ein freundschaftliches Verhältnis unterhält. Insgesamt wird der Protest in der US-Administration als heftig beschrieben. Die Bundesregierung nennt als Kernargument, dass es deutsche Panzer nur geben könne, wenn die USA auch ihren Abrams-M1-Kampfpanzer liefern würden. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin wies jedoch darauf hin, dass die Verlegung und der Betrieb der US-Panzer zu aufwendig und langwierig sein würden. In der Debatte geht es zudem um die Exportfreigabe, die Berlin für bereits ins Ausland gelieferte Panzer erteilen muss. Polen hatte damit gedroht, Leopard-Panzer aus eigenen Beständen notfalls auch ohne deutsche Genehmigung in die Ukraine zu liefern.

Auch in Scholz' Ampelbündnis wächst das Unverständnis. "Während Tag für Tag in der Ukraine Menschen sterben, diskutieren wir in Deutschland, als ob es endlos Zeit gäbe. Das ist eine Tragödie", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Kampfpanzer müssten geliefert werden. "Es wird auch dazu kommen." Agnieszka Brugger, Fraktionsvize der Grünen, sagte: "Jede Verzögerung ist ein unmittelbarer Vorteil für den Kriegsverbrecher Putin."

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte der Bild am Sonntag auf die Frage, wann die Entscheidung über Leopard-Panzer falle: "Wir sind mit unseren internationalen Partnern, allen voran mit den USA, in einem sehr engen Dialog zu dieser Frage." Er sieht sich zudem mit neuen Problemen bei der Ausrüstung der Bundeswehr konfrontiert. Damit Deutschland - wie der Nato zugesagt - 2025 eine einsatzbereitete Heeresdivision vorhalten kann, sind laut Bundeswehr Investitionen von zusätzlichen drei Milliarden Euro erforderlich. Geld, das Vorgängerin Christine Lambrecht bislang nicht eingeplant hatte.

Neben Polen mahnten jetzt auch die baltischen Staaten, dass Deutschland unverzüglich Panzer liefern solle. "Deutschland als führende Kraft in Europa hat in dieser Frage eine besondere Verantwortung", schrieb der lettische Außenminister Edgars Rinkēvičs im Namen seiner estnischen und litauischen Kollegen auf Twitter. Russland warnte mit Blick auf Kampfpanzer-Lieferungen vor einer "Tragödie weltweiten Ausmaßes". Russland werde dann "noch mächtigere Waffen" einsetzen, schrieb Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin auf Telegram.

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