Waffenlieferungen:Rüstung und Entrüstung

Wirtschaftsminister Gabriel in Doha

Männer, die auf Knarren starren: Im Frühjahr besuchte Wirtschaftsminister Gabriel das Sheikh Faisal Museum in Katar.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/picture alliance/dpa)

Die Opposition wirft Minister Gabriel einen unkontrollierten Anstieg der Waffenexporte vor. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Analyse von Christoph Hickmann, Berlin

Sigmar Gabriel muss ja dieser Tage so manch Unschönes über sich und seine Lage lesen. Als SPD-Vorsitzender ist er Kummer gewohnt, doch einige Schlagzeilen der vergangenen Tage dürften ihm besonders wehgetan haben. Es ging um Rüstungsexporte, für die Gabriel als Wirtschaftsminister zuständig ist.

"Deutschland steigert Waffenexport" hieß es da etwa, oder "Opposition kritisiert stark gestiegene Rüstungsexporte scharf". Man fühlte sich in die Zeit der schwarz-gelben Bundesregierung zurückversetzt, deren Exportpolitik auch Gabriel gegeißelt hatte - um zum Amtsantritt zu versprechen, er werde bei der Genehmigung deutlich restriktiver vorgehen.

Und nun muss sich Gabriel Vorwürfe gefallen lassen, wie er sie einst selbst erhoben hat? Vom Paulus zum Saulus in eineinhalb Jahren? Ganz so einfach ist es dann eben doch nicht.

Es lohnt sich, genauer hinzusehen

Die Schlagzeilen gingen auf eine Spiegel-Meldung zurück, der wiederum die Antwort des Wirtschaftsministeriums auf Fragen des Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken zugrunde lag.

Demnach hat die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2015 sogenannte Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von 3,3 Milliarden Euro erteilt - während dieser Wert im ersten Halbjahr 2014 lediglich etwa 2,2 Milliarden betragen hatte. Rechnet man den Wert der sogenannten Sammelausfuhrgenehmigungen hinzu, fällt der Anstieg sogar noch drastischer aus.

Der Gesamtwert der Genehmigungen liegt dann bei etwa 6,3 Milliarden Euro und entspricht damit schon nach dem ersten Halbjahr beinahe dem Gesamtwert des kompletten Jahres 2014.

Das klingt tatsächlich nach einer Explosion, doch hier lohnt es sich, genauer hinzusehen. Will man sich den politisch heiklen Exporten nähern, kann man etwa die Sammelausfuhrgenehmigungen schon einmal herausrechnen - schließlich betreffen die, so die Formulierung des Ministeriums, "in der Regel und so auch im ersten Halbjahr" EU- oder Nato-Staaten oder Länder, die wie Australien der Nato gleichgestellt sind.

Bleiben die stattlichen 3,3 Milliarden Euro an Einzelausfuhrgenehmigungen. Von denen entfallen laut Ministerium noch einmal fast 1,5 Milliarden auf EU-Staaten und damit auf politisch nicht heikle Exporte - verglichen mit nur etwa 400 Millionen im ersten Halbjahr 2014. Allein die Exportgenehmigungen für Großbritannien machen diesmal knapp 35 Prozent des Gesamtwerts der Einzelgenehmigungen aus. Vier Tankflugzeuge schlagen hier zu Buche.

Noch vor einem halben Jahr lobte die Linkspartei Gabriels Exportpolitik

Das ist stets das Problem, wenn man die Bilanzen verschiedener Jahre nebeneinander legt: Schon ein einziger Großauftrag kann die Zahlen nach oben schnellen lassen. Das bedeutet nicht, dass die Zahlen für das erste Halbjahr 2015 nicht beachtlich hoch wären.

Doch wie schnell sich die öffentliche Bewertung ändern kann, sieht man auch daran, dass der Linken-Abgeordnete van Aken den Wirtschaftsminister noch vor einem halben Jahr gelobt hatte. Da war bekannt geworden, dass der Wert der Einzelausfuhrgenehmigungen 2014 gesunken war, auf den niedrigsten Stand seit Jahren: Während er 2013 noch bei knapp 5,9 Milliarden gelegen hatte, betrug er nun lediglich noch knapp vier Milliarden Euro.

Auch wegen dieses Werts aus Gabriels erstem Amtsjahr fällt der Anstieg nun so stark aus. Und schaut man sich die Werte für Drittstaaten an, also die potenziell heiklen Genehmigungen für Länder, die weder Mitglied der EU noch der Nato und auch nicht der Nato gleichgestellt sind, dann fällt der Anstieg deutlich geringer aus: Während laut Ministerium im ersten Halbjahr 2014 Einzelgenehmigungen für Ausfuhren in Drittstaaten im Wert von 1,4 Milliarden Euro erteilt wurden, lag dieser Wert nun bei knapp 1,6 Milliarden Euro. Wobei nach Gabriels Ankündigungen zu Beginn der Amtszeit jeder Anstieg blöd aussieht.

Zahlen sind eben nicht immer alles

Bleibt die Summe der Genehmigungen für die arabischen Staaten und Nordafrika: Die hat sich von 219 auf 587 Millionen Euro deutlich mehr als verdoppelt. Auch der Wert für Saudi-Arabien ist von knapp 66 auf 177 Millionen stark gestiegen. Doch auch hier lohnt sich ein Blick in ältere Bilanzen. So lag im Gesamtjahr 2012 der Wert für Saudi-Arabien noch bei 1,2 Milliarden Euro - wobei damals ein Grenzsicherungssystem die Bilanz verzerrte.

Zahlen sind eben nicht immer alles. So betreffen die Genehmigungen für Ausfuhren nach Saudi-Arabien laut Wirtschaftsministerium in der aktuellen Bilanz "keine Panzer, G36-Gewehre oder sonstige Kleinwaffen". Stattdessen handele es sich "in der Mehrzahl um Zulieferungen von Komponenten an europäische Partner, nämlich Fahrgestelle für von Frankreich gelieferte unbewaffnete Transporter".

Zum Vergleich: Für das Gesamtjahr 2011 hatte der Wert für Saudi-Arabien bei knapp 140 Millionen Euro gelegen, also unter dem diesjährigen Halbjahreswert. Genehmigt wurde damals aber unter anderem die Ausfuhr von Gewehren, Maschinenpistolen und Pistolen.

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