Süddeutsche Zeitung

Waffenlieferung in den Nordirak:Gabriel und Seehofer kritisieren von der Leyen

Ursula von der Leyen begrüßt die Waffenhilfe für die Kurden im Nordirak. Dennoch greifen die Chefs von SPD und CSU, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer, die Verteidigungsministerin an. Sie hatte den Schritt indirekt als Tabubruch bezeichnet. Unmut erregen auch ihre inszeniert wirkenden Auftritte.

Von Christoph Hickmann, Berlin

In der großen Koalition wächst der Unmut über Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Die Parteichefs von SPD und CSU übten in den vergangenen Tagen intern Kritik an von der Leyens Verhalten im Zusammenhang mit der deutschen Unterstützung für den Irak. Dabei ging es ebenso um die mediale Präsenz der Ministerin wie um die ihr zugeschriebene Einschätzung, bei der Lieferung von Waffen an die Kurden im Nordirak handle es sich um einen Tabubruch.

So ließ sich Vizekanzler Sigmar Gabriel nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion am Montag spöttisch über die öffentlichen Auftritte der Ministerin aus. Selbst wenn von der Leyen im Kopierraum des Verteidigungsministeriums stehe, schaue sie in die Ferne und lasse sich fotografieren, sagte der SPD-Chef in der Sitzung sinngemäß nach Angaben von Teilnehmern. Er spielte damit auf Fotos an, die von der Leyen zuletzt den Vorwurf eingetragen hatten, sich übertrieben in Szene zu setzen. Unter dem Gelächter der Abgeordneten fuhr Gabriel demnach fort: "Wenn ich am Kopierer stehe, guck' ich runter auf das, was ich kopiere."

Auch inhaltlich wandte sich Gabriel in der Sitzung gegen von der Leyen, allerdings ohne sie zu nennen. Beim Beschluss, Waffen in den Nordirak zu liefern, handle es sich um eine Einzelfallentscheidung in einer zugespitzten Situation, sagte er laut Teilnehmern. Demnach wandte er sich ausdrücklich dagegen, die Entscheidung zum Tabubruch zu erklären.

"Das fahrlässige und oberflächliche Gerede vom Tabubruch"

In diesem Sinn äußerte sich nach der Sitzung auch Fraktionschef Thomas Oppermann. "Ich finde, dass das fahrlässige und oberflächliche Gerede vom Tabubruch aufhören sollte, weil es uns bei dieser Frage nicht hilft, eine verantwortliche Entscheidung gut zu begründen", sagte Oppermann in der Sondersitzung des Parlaments. SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich intern bereits zuvor irritiert über von der Leyens Einschätzung gezeigt.

Im Umfeld der Ministerin wird darauf verwiesen, dass sie nie wörtlich von einem "Tabubruch" geredet habe. Im Interview mit der Zeit hatte sie vor knapp zwei Wochen gesagt: "Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffe wir am Ende liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseitezulegen und offen zu diskutieren. An dieser Stelle sind wir gerade."

Diese Formulierung hat offenkundig auch den Unmut des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer erregt. Als am Sonntagabend in kleiner Runde endgültig über die Waffenlieferungen entschieden wurde, kritisierte er von der Leyen nach SZ-Informationen direkt. Nach Angaben von Teilnehmern beschwerte sich Seehofer sinngemäß bei der Verteidigungsministerin, was das Gerede vom Tabubruch solle - dies sei nicht die Linie der Bundesregierung.

Die Regierung hatte am Sonntag beschlossen, die kurdischen Kämpfer, die gegen die Terrormiliz Islamischer Staat kämpfen, unter anderem mit Panzerabwehrraketen und Gewehren auszustatten. Im Bundestag stellte sich die Mehrheit von Union und SPD am Montag hinter das Vorhaben.

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SZ vom 03.09.2014/mane
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