Eine knappe Woche nach dem Schulamoklauf von Graz befindet sich Österreich noch immer im Ausnahmezustand. Am Wochenende fanden im ganzen Land Gedenkfeiern für die neun getöteten Jugendlichen und ihre Lehrerin statt, in Graz versammelten sich Tausende zu einer Trauerkundgebung auf dem Hauptplatz, darunter viele Schülerinnen und Schüler des Bundesoberstufenrealgymnasiums Dreierschützengasse. In einer Videobotschaft forderte der Schulsprecher, dass die Politik „aufwachen“ solle, damit „so etwas nie, nie wieder passieren kann“.
Dies versprach dann am Montag Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) im österreichischen Parlament. Nach einer Schweigeminute kündigte er ein Maßnahmenpaket an. Kurzfristig soll die Polizeipräsenz an Schulen verstärkt und ein Entschädigungsfonds für die Familien der Opfer eingerichtet werden. Langfristig werde man in die Gewaltprävention investieren und etwa die Zahl der Schulpsychologinnen deutlich erhöhen. Vor allem aber soll das Waffengesetz verschärft werden.
Der Täter hatte seine Waffen legal erworben
Das liberale österreichische Waffenrecht war in den vergangenen Tagen immer stärker in die Kritik geraten. Denn Österreich ist nicht nur ein Land der Berge, wie es in seiner Nationalhymne heißt, sondern auch ein Land der Waffen. Zumindest was die schiere Anzahl von Schusswaffen angeht, die sich in Privatbesitz befinden. So hat die Forschungsstelle Small Arms Survey, die sich am Genfer Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung mit der Erfassung und Erforschung von Waffenbesitz beschäftigt, 2018 erhoben, dass in Österreich geschätzt 2,5 Millionen legale und illegale Schusswaffen im Umlauf sind. Das würde bedeuten, dass auf hundert Einwohner rund 30 Schusswaffen kommen. In Deutschland liegt diese Zahl bei rund 20.
Die Zahl der offiziell registrierten Schusswaffen beträgt in Österreich aktuell 1,5 Millionen und ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Dies liegt daran, dass etwa ältere Jagdwaffen rückwirkend registriert werden müssen, aber auch daran, dass sich Menschen seit 2015 in verstärktem Maß bewaffnet haben. Auch der 21-Jährige, der am vergangenen Dienstag zehn Menschen erschoss, hatte seine Schusswaffen, eine Schrotflinte und eine Pistole, legal erworben.
Bislang kann jede Person, die 18 Jahre alt ist und einen festen Wohnsitz in Österreich hat, Waffen der Kategorie C kaufen, das sind Langwaffen wie Jagdgewehre und Schrotflinten. Einzige Voraussetzung: Es darf kein gerichtliches Waffenverbot vorliegen, und die gekaufte Waffe darf erst nach einer sogenannten Abkühlphase von drei Tagen aus dem Laden abgeholt werden. Für Waffen der Kategorie B, das sind Revolver, Pistolen und halb automatische Waffen, muss man den Gebrauch der Schusswaffe trainieren, wofür man einen sogenannten Waffenführerschein bekommt.
In Deutschland müssen Schützen mehr Nachweise liefern
Um danach eine Waffenbesitzkarte zu erhalten, muss man einen psychologischen Test bestehen und ein psychologisches Gutachten einholen. Beides war in den vergangenen Tagen Gegenstand von Kritik. So empfehlen viele Waffenhändler im Vorfeld Gutachter, mit denen sie bereits Erfahrungen gemacht haben, die schriftlichen Tests gelten als vergleichsweise einfach. Auch der Amokläufer von Graz hatte die psychologischen Anforderungen problemlos bestanden und konnte Ende Mai eine Pistole kaufen.
Zum Vergleich: In Deutschland, wo das Waffenrecht in den vergangenen Jahren immer wieder verschärft wurde, darf man erst mit 21 eine Pistole erwerben; an die beim Amoklauf verwendete Pistole der Marke Glock wäre man legal nur schwer gekommen. Denn man muss ein begründetes Bedürfnis nachweisen, warum man eine Waffe besitzen will, und dafür etwa einen Jagdschein oder die Bestätigung eines Schießsportverbandes vorlegen. Auch müssen deutsche Sportschützen regelmäßig nachweisen, dass sie tatsächlich am Schießstand trainiert haben. In Österreich reicht es hingegen, wenn man erklärt, dass man die Schusswaffe zur Selbstverteidigung braucht, Kontrollen der Waffenbesitzer finden nur alle fünf Jahre statt.
Wie sich die Verschärfung des Waffengesetzes im Einzelnen ausgestalten soll, ist noch nicht klar. Erwogen wird, das Mindestalter zu erhöhen und die Eignungstests zu verschärfen. Zudem sollen die Behörden Daten über Waffenbesitzer einfacher abgleichen können. Denn wie Ende der Woche bekannt wurde, hatte der Grazer Amokläufer den Tauglichkeitstest für das österreichische Bundesheer 2021 wegen psychischer Instabilität nicht bestanden. Er war als ungeeignet für den Dienst an der Waffe befunden und ausgemustert worden. Doch diese Information hat die Behörde, die ihm wenige Wochen vor der Tat eine Waffenbesitzkarte ausstellte, aus Datenschutzgründen nie erreicht.