Waffengeschäfte:Freundschaft plus

Waffengeschäfte: Drohnengestützte Angriffe: Armenische Zivilisten suchen in der Stadt Stepanakert Schutz in einem Bunker.

Drohnengestützte Angriffe: Armenische Zivilisten suchen in der Stadt Stepanakert Schutz in einem Bunker.

(Foto: AP/AP)

Seit Jahren pflegen Israel und Aserbaidschan enge Beziehungen. Jetzt dürfte die Partnerschaft dem Land im Kaukasus einen entscheidenden Vorteil im Krieg mit Armenien verschaffen.

Von Peter Münch

Am Himmel über Israel sind in jüngster Zeit häufiger Maschinen der aserbaidschanischen Frachtfluggesellschaft Silk Way gesichtet worden. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei einigen Flügen, die vom israelischen Luftwaffenstützpunkt Uvda in der Negevwüste aus in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku geflogen sind. Denn Medienberichten zufolge könnten darin Waffen transportiert worden sein, die bei dem Ende September neu aufgeflammten Krieg um Bergkarabach gebraucht werden.

Von der israelischen Regierung gibt es dazu keinen Kommentar. Doch dass Israel zu den größten Waffenlieferanten Aserbaidschans zählt, ist seit Jahren hinlänglich belegt. Denn der jüdische Staat und das überwiegend von Schiiten bewohnte Kaukasusland pflegen eine auf den ersten Blick überraschende intensive strategische Partnerschaft.

Diese Partnerschaft geht zurück auf die frühen Neunzigerjahre, als Aserbaidschan nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion seine Unabhängigkeit erklärte. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ließ es sich nun auch in den aktuell kriegerischen Zeiten nicht nehmen, der Führung in Baku herzlichst zum Jahrestag am 18. Oktober zu gratulieren. Sein Land sei stolz darauf, als eines der ersten diese Unabhängigkeit anerkannt zu haben, schrieb er der aserbaidschanischen Nachrichtenagentur Turan zufolge. Seither bestehe eine "wahre Freundschaft" zwischen den Völkern.

Aus dieser Freundschaft ziehen beide Seiten ihren Nutzen. Israel bezieht 40 Prozent seines Ölbedarfs aus Aserbaidschan. Das Rohöl wird zunächst über eine Pipeline von Baku aus in die Türkei und vom dortigen Mittelmeerhafen Ceyhan nach Israel transportiert. Im Gegenzug decken sich die Aserbaidschaner in Israel mit Waffen ein.

Das Stockholmer International Peace Research Institute, kurz Sipri, hat errechnet, dass bis zu 60 Prozent aller aserbaidschanischen Rüstungsexporte aus Israel kommen. Einen kurzen Einblick in das gewaltige Geschäftsvolumen gab anno 2016 einmal der aserbaidschanische Staatschef Ilham Alijew. Bei einem Besuch Netanjahus in Baku erklärte er, dass bereits Waffengeschäfte in Höhe von fast fünf Milliarden US-Dollar vereinbart worden seien.

Auf einmal sitzt Israel mit der Türkei in einem Boot - eine bizarre Situation

Geliefert werden Berichten zufolge Raketen, Radarsysteme, Munition - und vor allem Drohnen, die großen Anteil am militärischen Übergewicht Aserbaidschans haben. Ein Regierungsberater aus Baku bestätigte dem israelischen Nachrichtenportal Walla, dass sich neben türkischen auch israelische Drohnen bei den aktuellen Kämpfen als "sehr effektiv" erwiesen hätten. Er bestätigte auch den Einsatz der von Israel Aerospace Industries (IAI) hergestellten sogenannten Kamikaze-Drohne "Harop", die ihr Ziel mittels der mitgeführten Sprengladung zerstören.

Neben Drohnen dürfte auch noch weiteres israelisches Kriegsmaterial im Einsatz ein. Amnesty International schlug Anfang Oktober Alarm und warf Aserbaidschan vor, bei einem Angriff auf die Stadt Stepanakert von Israel gelieferte Clusterbomben eingesetzt zu haben, die eine Vielzahl an kleineren Sprengkörpern freisetzen und international geächtet sind.

Neben den geschäftlichen Beziehungen hat Aserbaidschan für Israel jedoch auch noch einen großen geografischen Reiz: Das Land grenzt an Iran, und das macht es für geheimdienstliche Kooperationen interessant. Israel soll Aserbaidschan schon kurz nach der Unabhängigkeit geholfen haben, gegen Iran gerichtete Spionageanlagen zu errichten - um dann natürlich auch selbst davon zu profitieren. Mossad-Agenten sollen zudem die Grenze nutzen, um ins Feindesland einzudringen und dort zum Beispiel Mitglieder der aserbaidschanischen Minderheit in Iran als Agenten zu rekrutieren.

Auch die riesigen Mengen an Dokumenten, die Israel 2018 aus dem iranischen Nukleararchiv gestohlen hat, sollen über die Landesgrenze nach Aserbaidschan geschafft worden sein. Wie weit die Zusammenarbeit geht, ist offen für Spekulationen: Als Netanjahu 2016 Alijew besuchte, gab es Berichte, die beiden hätten sich auch darauf geeinigt, dass israelische Kampfjets im Falle eines Angriffs auf Iran aserbaidschanische Flughäfen nutzen dürften.

Das enge Bündnis mit Aserbaidschan birgt für Israel allerdings auch diplomatische Fallstricke, weshalb sich die Regierung in Jerusalem im aktuellen Konflikt offiziell auf keine Seite schlägt. Denn zum einen ergibt sich nun die fast paradoxe Situation, plötzlich mit der Türkei in einem Boot zu sitzen. Dabei ist Präsident Recep Tayyib Erdoğan nicht nur als Unterstützer der Aserbaidschaner, sondern auch der palästinensischen Hamas äußerst aktiv.

Zum anderen belasten die Waffengeschäfte mit Aserbaidschan Israels Verhältnis zu Armenien. Die Regierung in Eriwan hatte als Zeichen verbesserter Beziehungen erst im September eine Botschaft in Tel Aviv eröffnet. Im Oktober wurde der Botschafter gleich wieder zurückgerufen. Israels Präsident Reuven Rivlin bedauerte das in einem anschließenden Telefonat mit seinem armenischen Amtskollegen Armen Sarkissjan ausdrücklich. Israels Beziehungen zu Aserbaidschan, so betonte er, seien "nicht gegen irgendein anderes Land gerichtet".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: