Süddeutsche Zeitung

Waffenexporte:Es gibt keine Ausrede

Saudi-Arabien kämpft mit viel Kriegsgerät aus deutscher Produktion in Jemen. Doch eine Exporterlaubnis aus Berlin steht nicht über dem Völkerrecht.

Von Ronen Steinke

Vieles ist grau und uneindeutig in der Welt des Waffenexports. Niemand kann sicher voraussehen, was mit einer Waffe in der Zukunft angestellt wird - ob sie für großes Unrecht verwendet werden wird oder gegen großes Unrecht, um einen Aggressor abzuschrecken oder einen Tyrannen zu entmachten. Es war ein Produkt der deutschen Waffenindustrie, das den Kurden gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" half: die Milan-Lenkrakete. Aber manches ist auch überhaupt nicht grau. Manches ist eindeutig. Das märchenhaft reiche Saudi-Arabien terrorisiert die Zivilbevölkerung seines Nachbarlands Jemen, auch mit reichlich Kriegsgerät aus deutscher Produktion, und dies seit Jahren. Dort muss man inzwischen über kriminelle Schuld sprechen; auch von deutschen Ingenieuren und Geschäftsleuten, die in diesen Tagen wahrscheinlich ihre Firmenweihnachtsfeiern begehen.

Man muss dafür noch nicht einmal eine klare Meinung dazu haben, worum in Jemen, diesem Staat in 5000 Kilometer Entfernung, eigentlich gekämpft wird. Es ist, kurz gesagt, ein Konflikt zwischen Männern, die allesamt politisch wenig Sympathie verdienen; die einen haben rebelliert, die anderen wollen die Rebellion zurückschlagen. Frankreich, Großbritannien und die USA unterstützen dabei das frühere jemenitische Establishment, das Amerika und Saudi-Arabien zugewandt war und sich dem weltweiten Ölhandel nie in den Weg gestellt hat. Sie schicken deshalb sogar Soldaten ("Militärberater").

Über die Methoden aber, mit denen dieser Krieg geführt wird, kann man nicht streiten. Schon seit Jahren nicht mehr. So, wie Saudi-Arabien und andere Golfstaaten zugunsten der alten Elite Jemens ihre ganze Streitmacht auf dieses kleine, arme Land werfen, brechen sie seit 2015 ziemlich jedes Tabu der Genfer Konventionen. Es werden Schulkinder aus der Luft bombardiert, Krankenhäuser, historische Wohnviertel. Und das geschieht nicht gelegentlich aus Versehen, sondern andauernd. Das sind Kriegsverbrechen nach dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, die selbst durch die - theoretisch - ehrenwertesten Ziele einer Armee niemals legitimiert werden könnten.

Es ist eine militärische Kampagne, zu der die meisten westlichen Regierungen so beschämend schweigen wie zu vielem, was das saudische Regime über die Jahre getrieben hat. Wenn die Machtverhältnisse auf dem Globus andere wären, dann würde der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vielleicht nicht nur Potentaten afrikanischer Länder wie Sudan oder Libyen vor das Weltstrafgericht in Den Haag zitieren, sondern auch den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Er, der in Jemen kein Pardon gibt, ist zu einem mächtigen Kriegsverbrecher dieser Zeit avanciert. Mit gerade einmal 34 Jahren.

Es ist eine militärische Kampagne, die von ständigem Nachschub aus Europa lebt. Deutsche Technik steckt in den Kampfflugzeugen, sie steckt in den Bomben. Deutsche Geschäftsleute hätten es mit in der Hand, diese furchtbaren militärischen Abläufe zu stoppen oder sie wenigstens aus dem Tritt zu bringen. Stattdessen weisen manche schlau die Verantwortung von sich. Das Unternehmen Rheinmetall etwa sitzt in Düsseldorf, seine italienische Tochter RWM Italia auf Sardinien - und baut jene Bomben, die mutmaßlich in Jemen auf Häuser fallen. Das sind unterschiedliche Gesellschaften, natürlich auch unterschiedliche Mitarbeiter. Aber warum sollten die Menschen, die in der deutschen Zentrale den Kurs vorgeben, nicht mitverantwortlich sein dafür, was in den Tochterfirmen für eine Geschäftspolitik verfolgt wird? Ein Wort aus der Zentrale - und es wäre Schluss damit.

Ja, das europäische Exportrecht hat all diese Waffenlieferungen bisher erlaubt. Aber die Völkerrechtsverbrechen, um die es in Jemen geht, sind so deutlich und so oft und akribisch dokumentiert, dass kein Staat sie mit seinem innerstaatlichen Rüstungskontrollrecht weißwaschen könnte. Diesen Grundsatz des Völkerrechts sollten deutsche Waffenhersteller bedenken, wenn sie im Ringen mit der Bundesregierung Hintertüren und Ausnahmeklauseln in Exportstopps durchsetzen: Wer sich an Kriegsverbrechen beteiligt - und sei es durch Beihilfe -, der kann sich nicht darauf herausreden, eine Regierung habe ihm dies erlaubt.

Das gilt auch für sogenannte Defensivwaffen wie das Artillerie-Ortungsradarsystem Cobra. Dessen Export an den Golf hat die Bundesregierung erst in diesem Frühjahr wieder genehmigt. Zwar kann man damit niemanden beschießen. Es ist ein Gerät, das höchstens bunte Bilder und Geräusche erzeugt, man kann damit nur detektieren, von wo aus womöglich der Gegner einen beschießen will. Aber auch so eine Anlage dient dazu, den Kriegsapparat Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten zu stärken. Und wenn diese Kriegsmaschinerie derzeit die Taktik verfolgt, die Zivilisten in Jemen zu "bestrafen" (so haben es UN-Beobachter zusammengefasst), dann ist auch dies ein - deutscher - Beitrag zur Vergrößerung dieses Unrechts.

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SZ vom 13.12.2019
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