Waffen syrischer Rebellen:Unter aller Kanone

Lesezeit: 2 min

Syrische Rebellen feuern eine Waffe ab (Foto: AFP)

Flugabwehrkanonen auf Kleinlastwagen, ausgeschlachtete Panzer und modifizierte Propangasflaschen: Mangels moderner Waffen bauen syrische Rebellen ihre abenteuerlichen Granaten selbst. Was allerdings nicht immer ein Nachteil sein muss.

Von Tomas Avenarius

Das Video zeigt ein paar bärtige Männer, die im Halbdunkel einer Kellerwerkstatt irgendwo in Syrien schwitzen, schrauben und schweißen. Eine Lafette auf Lkw-Rädern, ein kurzes, dickwandiges Stahlrohr, parallel laufende Laufschienen, über die der Rückschlag abgefedert wird: Die "Höllenkanone" sieht auf den ersten Blick einem industriell gefertigten Geschütz erstaunlich ähnlich.

Ein anderes Video zeigt den Abschuss mehrerer selbstgebauter Granaten, die auch im Ersten Weltkrieg Grauen und Erstaunen vor allem bei den Bedienungsmannschaften erregt hätten: Die Tatsache, dass die Kanoniere ihren Mörser mit einer Zeitverzögerung abfeuern und sehr schnell sehr weit von ihrer Wunderwaffe weglaufen, sagt einiges über ihr Vertrauen in das eigene Arsenal.

Aber die syrischen Rebellen können es sich nicht aussuchen. Mangels moderner Waffen, die der Westen und einzelne arabische Staaten versprochen, aber nie in großer Zahl geliefert haben, bauen sie einen Teil ihrer Waffen seit Langem selbst. Sie montieren Flugabwehrkanonen auf Kleinlastwagen, sie schlachten erbeutete Panzer aus und rüsten Geldtransporter um, sie bauen eigene Raketen: Es ist ein Kampf mit oft erstaunlich primitiven Waffen.

Als Granaten für die "Höllenkanone" etwa dienen leere Propangasflaschen, an die kurze Flossen zur Stabilisierung montiert werden; befüllt sind die rund 40 Kilo schweren Geschosse mit einem explosiven Gemisch aus Düngemitteln, Unkrautvernichtungsmitteln und ähnlichen Stoffen. Das Baumarkt-Geschütz wird von oben geladen, indem die auf einem Rohr sitzende Gasflasche von mehreren Männern vorsichtig in das steil stehende Kanonenrohr geschoben wird. Vor dem Abschuss wird noch ein militärischer Aufschlagzünder aufgeschraubt. Fertig ist die Höllengranate.

Vorteile der "Höllenkanone"

1,5 Kilometer weit sollen die Rebellen von der "Ahrar al-Schimal"-Brigade ihre tödliche Ladung schießen, so Brown Moses, ein auf die im syrischen Bürgerkrieg eingesetzten Waffensysteme spezialisierter Blog eines britischen Waffenfachmanns. Die Reichweite ist lächerlich im Vergleich zu den modernen Geschützen und Raketenwerfern der syrischen Armee, die meist aus sowjetisch-russischer, ukrainischer oder iranischer Produktion stammen und bis zu 40 Kilometer weit reichen. Aber beim Sturm von Armeebasen oder im Kampf zwischen den Stadtteilen von Aleppo, Homs oder Hama kann die "Höllenkanone" ihre tödliche Wirkung möglicherweise sogar besser entfalten als die weitreichenden Waffen der Assad-Armee.

Zudem verfügen einige der Milizen der Aufständischen auch über wirklich modernes Kriegsgerät. Ein Video zeigt Kämpfer in Aleppo, die vier verschiedene Modelle tragbarer Luftabwehrraketen aus sowjetisch-russischer und chinesischer Herstellung präsentieren: Die modernste unter den von der Schulter abzufeuernden Raketen ist eine russische "Igla-S", die auch moderneren Kampfflugzeugen als denen der Assad-Luftwaffe gefährlich werden kann. Zum Beispiel ließen sich damit auch Zivilflugzeuge abschießen.

Wenn der Bürgerkrieg endet, werden solche Waffen mit ziemlicher Sicherheit in der Hand nahöstlicher Terrorgruppen auftauchen. Sie wären gefährlicher als die "Höllenkanone".

© SZ vom 27.08.2013/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: