Waffen in den USA:Die Nation rüstet auf

Obama-Effekt der besonderen Art: Weil Millionen US-Bürger schärfere Waffengesetze unter dem künftigen Präsidenten befürchten, decken sie sich mit Gewehren ein.

Reymer Klüver

Manche machen die wirtschaftlich unsicheren Zeiten verantwortlich. Andere weisen auf steigende Kriminalitätsraten hin, insbesondere auf die wachsende Zahl von Einbrüchen. Doch die allermeisten sprechen vom "Obama-Effekt". Amerikas Waffenfreunde decken sich gerade en gros mit Knarren aller Art und Munition ein.

Waffen in den USA: Waffengeschäft im texanischen Fort Worth: "Jeder, der daran gedacht hatte, einmal eine Waffe zu kaufen, macht das jetzt."

Waffengeschäft im texanischen Fort Worth: "Jeder, der daran gedacht hatte, einmal eine Waffe zu kaufen, macht das jetzt."

(Foto: Foto: AP)

Die Waffen-Messe am Wochenende in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah etwa brach alle Besucherrekorde. In Berea in Ohio minderten auch Schneefälle keineswegs den Andrang. Im Waffengeschäft Shooter's Paradise ("Schützen-Paradies") in Yuba City in Kalifornien wird die Ware knapp. Und aus Lancaster County in Nebraska melden sie einen Ansturm auf Waffenscheine.

Und für alles gibt es nur einen einzigen Grund: Nicht wenige US-Bürger quer durchs Land befürchten, dass die neue Regierung unter Präsident Barack Obama den Verkauf von Waffen erschweren will. Deshalb der Run vor der Inauguration am Dienstag kommender Woche.

"Wir wussten, dass viel Betrieb sein würde", sagt Bob Templeton, der Organisator der Waffenschau "West Gun Show" in Salt Lake City, "aber wir hätten nicht gedacht, dass so ein Andrang herrscht." 11.000 Menschen kamen allein am ersten Tag ins South Town Center. "Die Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft des Rechts, Waffen tragen zu dürfen", stellt Templeton fest.

Munition fürs Volk

Insbesondere Sturmgewehre gingen in Salt Lake City weg wie nichts. "Die Leute gehen davon aus, dass deren Verkauf eingeschränkt wird, wie es die Clinton-Administration getan hat", sagt Templeton. Und die Leute fürchten offenbar, dass Obama Waffen schlicht teurer machen wird. Unter Waffenbesitzern quer durch die Vereinigten Staaten macht das Gerücht die Runde, dass Obama eine Munitionssteuer einführen könnte.

Die Munitionsverkäufe stiegen bei der Schau sprunghaft an. Und die Kurse, die Voraussetzung sind, um Waffen verdeckt tragen zu dürfen, waren ebenfalls ausgebucht. "Wir hatten am Samstag gut 120 Leute in unserem Kurs", sagt Curtis Spain, einer der Ausbildungsleiter in Salt Lake City. "Das ist der größte Kurs, den wir je gegeben haben."

Es ist nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ein landesweiter Trend. Dafür gibt es einen objektiven Gradmesser: die sogenannten FBI-Background-Checks. Die Anfragen in den Computern der Bundespolizei, also im Vorstrafenregister und in den Fahndungscomputern, sind Voraussetzung für den Erwerb einer Schusswaffe in den USA. In den vergangenen drei Monaten ist die Zahl der Anfragen geradezu explodiert.

Auch wenn nicht alle Anträge positiv beschieden werden, sind sie doch ein sicherer Indikator für eine wachsende Zahl der Waffenbesitzer in Amerika. Während der Sommermonate lagen die Anfragen stets bei etwa 800.000. Im Oktober, als der Wahlsieg Obamas absehbar wurde, sprangen die Anfragen auf 1,18 Millionen und kletterten im November, nach der Wahl, auf 1,53 Millionen. Auch im Dezember lagen sie bei 1,52 Millionen.

Allerdings gibt es einen langanhaltenden Trend zur Waffe in den USA. Seit 2002 sind die Anfragen stetig gestiegen. 2005 gab es 8,95 Millionen Anfragen. Im vergangenen Jahr schon 12,71 Millionen.

Auch in Ohio ist das so. So sagt beispielsweise Sheriff Jim Beutler, der oberste Gesetzeshüter in Putnam County im US-Bundesstaat Ohio: "Ich höre immer wieder von den Leuten: 'Obama wird uns die Waffen wegnehmen.'" Beutler glaubt, dass geradezu "eine Art Panik" unter Waffenbesitzern im Land herrscht. "Ich denke aber, dass da nichts passieren wird."

"Jeder, der daran dachte, eine Waffe zu kaufen, macht das jetzt"

Indes gibt es einen weiteren Trend, der die Menschen verunsichert: In der benachbarten Kreisstadt Lima etwa ist die Zahl der Einbrüche sprunghaft gestiegen, auch das vielleicht eine Folge der Wirtschaftskrise, die den Bundesstaat Ohio früher und heftiger als den Rest der USA getroffen hat.

Selbst in Kalifornien gab es einen Run auf die Waffenläden. Dabei hat es gerade in diesem Bundesstaat immer wieder Versuche gegeben, den Waffenverkauf einzuschränken - allerdings ohne wirklich durchschlagenden Erfolg. Dennoch sind die Waffenbesitzer offenkundig auch dort hoch nervös. Zak Love, der Besitzer von "Shooter's Paradise", dem Waffenladen in Yuba City, sagt: "Jeder, der daran gedacht hatte, einmal eine Waffe zu kaufen, macht das jetzt."

Und sein Kollege Harry Cheim im benachbarten Ort Marysville sagt: "Sie können gerade gar nicht genug Waffen produzieren." Aber Cheim wiegelt trotzdem ab. "Die meisten der Leute, die jetzt eine Waffe kaufen, müssen sich schon fragen, wie viel sie eigentlich noch brauchen. Ich glaube, das Ganze beruhigt sich auch wieder."

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