Süddeutsche Zeitung

Wählerwanderungen in Berlin:Wer die AfD wählt

Vor allem ehemalige CDU-Wähler haben den Rechtspopulisten ihre Stimme gegeben, aber auch die SPD hat viele Unterstützer an sie verloren. Besonders auffällig ist, wie sich bisherige Nichtwähler verhalten haben.

Von Markus C. Schulte von Drach und Katharina Brunner

Wenn eine neue Partei wie die AfD mit 14,2 Prozent in ein Parlament einzieht, ist für alle anderen interessant, welche politischen Lager besonders viele Wähler an sie verloren haben. Es lässt sich so ein Eindruck gewinnen, für was die einzelnen Parteien bei den Wechselwählern stehen und welche Themen ihnen gegenwärtig besonders wichtig sind.

Insbesondere wenn eine Partei rechtspopulistisch und in Tendenzen sogar nationalistisch ist und ihr Profil vor allem über ein Thema, die nach Deutschland flüchtenden Menschen, entwickelt hat, ist dies aufschlussreich.

Wer viele Wähler an sie verliert, weiß, dass das eigene Wahlklientel ebenfalls zum Teil aus Menschen besteht, die mit einer gewissen Rechtsorientierung kein Problem haben und der bisher bevorzugten Partei die Bewältigung der Aufgabe Integration nicht (mehr) zutrauen.

In Berlin, wo etwa 230 000 Wähler für die AfD gestimmt haben, betrifft dies alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien - allerdings mit deutlichen Unterschieden. So hat die CDU mit 39 000 Wählern besonders viele frühere Unterstützer an die AfD verloren, die SPD immerhin 24 000 ehemalige Wähler. Aber auch Linke und Piraten haben mit jeweils 12 000 Stimmen einen verhältnismäßig großen Anteil ihrer bisherigen Unterstützter an die Rechtspopulisten abgegeben. Etwas weniger waren es mit jeweils 4000 bei den Grünen und der FDP.

Auffällig ist, dass die AfD auch 46 000 Stimmen von Wählern erhalten hat, die bislang für kleinere Parteien (Sonstige) - darunter vermutlich auch rechte - gestimmt hatten. Und 69 000 Berliner konnte sie aus dem Lager der bisherigen Nichtwähler mobilisieren, die sich offenbar bislang von niemandem vertreten gefühlt hatten.

Die SPD, die mit 21,6 Prozent als stärkste Partei aus der Wahl hervorgegangen ist, musste feststellen, dass ihre Politik vielen ehemaligen Wählern offenbar zu links war. Neben den 24 000 Stimmen, die sie an die AfD verlor, kommen weitere 11 000, die an die CDU gingen. Dafür bekam sie aber von 26 000 ehemaligen CDU-Wählern diesmal Stimmen, so dass die Wählerwanderung hier netto plus 11 000 beträgt. Auf der anderen Seite war sie immerhin 26 000 früheren Unterstützern nicht links genug - die wechselten zu den Linken, von denen lediglich 6000 diesmal für die SPD stimmten. Weitere 12 000 liefen zur FDP über, nur 1000 Stimmen kamen umgekehrt von ehemaligen FDP-Wählern zur SPD.

Auch die CDU, mit nur 17,6 Prozent die zweitstärkste Partei, musste feststellen, dass sie offenbar nicht nur etlichen ihrer früheren Wähler zu sehr in die Mitte gerückt ist, die nun AfD wählten. 31 000 Unterstützer wechselten auch zur FDP, lediglich 3000 ehemalige FDP-Wähler stimmten dafür diesmal für die CDU.

Die Linken (15,6 Prozent) konnten den Verlust von 12 000 ehemaligen Wählern an die AfD mehr als kompensieren durch den starken Zustrom ehemaliger SPD-Anhänger (netto 20 000) und Piratenwähler (netto 22 000).

Auch von den Grünen (15,2 Prozent) liefen netto 21 000 ehemalige Wähler zur Linkspartei über. Unterm Strich wechselten zudem 9000 ehemalige Unterstützer zur FDP. Dafür gaben immerhin netto 11 000 ehemalige Piratenwähler diesmal ihre Stimme den Grünen.

Die FDP (6,7 Prozent) profitierte vom Wechsel von 31 000 früheren CDU-Wählern (nur 3000 ehemalige FDP-Wähler stimmten diesmal für die CDU), von 11 000 bisherigen SPD-Unterstützern (netto) und 9000 ehemaligen Grünen-Wählern. Darüber hinaus konnten die Liberalen 14 000 bisherige Nichtwähler (netto) für sich mobilisieren.

Die Piraten (1,7 Prozent) verloren ihre früheren Wähler vor allem an die Linken (22 000 Stimmen netto) und die Grünen (11 000 Stimmen netto), aber auch an die AfD (12 000 Stimmen). 22 000 frühere Unterstützer der Piraten haben sich allerdings enttäuscht von der Politik abgewandt. Sie sind gar nicht mehr zur Wahl gegangen.

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