Wählerwanderung:Wer Union wählte

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Hinter den Prozentergebnissen der Bundestagswahl verbergen sich gigantische Verschiebungen zwischen den Parteien. Millionen Wechselwähler gingen von der FDP zur Union sowie von allen Parteien zur AfD - doch fast noch interessanter sind die Statistiken zu Geschlecht, Alter und anderen Faktoren.

Die wichtigsten Zahlen zur Wahl im Überblick

Die Prozentwerte dieser Bundestagswahl sind beeindruckend - noch beeindruckender ist aber, wie viel echte Wähler sich zwischen den Parteien hin und her bewegt haben. Die Wahlforscher der ARD legen in ihrer Statistik zur Wählerwanderung erstaunliche Fakten offen:

  • Union profitierte von der FDP und mehr als einer Million Nichtwählern

Die Union nahm nicht nur der FDP 2,2 Millionen Wähler ab. Sie mobilisierte auch 1,25 Millionen Menschen für sich, die 2009 nicht gewählt hatten. Den Verlust von 300.000 Wählern an die AfD kompensierte die Union, indem sie der SPD genauso viele Wähler abnahm.

  • FDP verlor an alle Parteien

Die FDP verlor nicht nur Millionen Wähler an die Union, sondern auch an alle anderen Parteien, darunter insgesamt knapp eine Million an SPD und AfD - und noch dazu 430.000 Menschen an das Lager der Nichtwähler. Sie hat ihr Ergebnis von 6,4 Millionen Wählern 2009 in etwa gedrittelt.

  • AfD gewann von allen Parteien

Die AfD hat offenbar nicht nur Wähler aus dem bürgerlichen Lager abgezogen - 450.000 von der FDP und 300.000 von der Union -, sondern auch Protestwähler auf ihre Seite gezogen. 360.000 offenbar euroskeptische Menschen, die 2009 noch ihr Kreuz bei der Linken machten, entschieden sich diesmal für die AfD. Die Partei schnitt in Ostdeutschland deutlich besser ab (5,8 Prozent laut ARD) als im Westen (4,4 Prozent).

Zu den Motiven der Wähler und für detaillierte Statistiken haben die Meinungsforscher zahlreiche weitere Umfragen erhoben - klicken Sie sich für nähere Angaben auch durch die Reiter der Ergebnisgrafik oben. Diese Daten und die weiteren Analysen stammen von der Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF eine detaillierte Auswertung erstellt hat:

  • CDU attraktiv für Wähler jenseits der 60

Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern liegt die CDU vorne. Die Mehrheit der Frauen hat sich für die CDU entschieden (45 Prozent), bei den Männern waren es fünf Prozentpunkte weniger. Deutlich wird: Je älter die Wähler, umso eher stimmen sie für die CDU. 49 Prozent der über 60-Jährigen haben ihr Kreuz bei der CDU gemacht. Bei den unter 30-Jährigen waren es 35 Prozent.

Der alte Koalitionspartner FDP hat dagegen in keiner Altersgruppe nennenswert viele Wähler. Egal ob unter 30 oder zwischen 40 und 70: Vier bis fünf Prozent haben für die Liberalen gestimmt. Deutlich abgeschlagen bei den über 60-Jährigen sind dagegen die Grünen. Sie kommen hier auf nur vier Prozent.

  • AfD profitiert von Unzufriedenheit

Das Ergebnis der AfD hat am Wahlabend einige überrascht. Dass so viele Wähler ihr Kreuz bei dieser Partei gemacht haben, liegt auch an der Arbeit der anderen Parteien. 37 Prozent der AfD-Wähler geben an, für sie gestimmt zu haben, weil sie mit den anderen Parteien unzufrieden sind. Auch ihre eurokritische Ausrichtung hat der AfD Punkte gebracht haben. Immerhin 42 Prozent aller deutschen Wähler glauben, dass der Euro für Deutschland eher Nachteile hat, bei der AfD sind es 80 Prozent.

  • SPD punktet bei Arbeitern, Linke bei Akademikern

Auch die SPD hat die meisten Wähler unter den über 60-Jährigen. Während die CDU aber vor allem Selbständige, Beamte und Angestellte für sich gewinnen konnte, war es bei der SPD genau in umgekehrter Reihenfolge: die meisten Stimmen kommen von Arbeitern. Dann erst folgen Angestellte, Beamte und Selbständige. Keine wirkliche Überraschung. Je niedriger der Bildungsabschluss, umso mehr Stimmen gab es außerdem für SPD und CDU. Anders sieht das bei der Linken aus. Sie hat viele Wähler mit Hochschulabschluss.

  • FDP und Grüne beliebter bei jungen Wählern

Das schlechte Ergebnis der FDP dürfte auch auf ihre Kandidaten zurückzuführen seien. Brüderle wurde von den Wählern auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf mit minus 0,5 Punkten bewertet. Auch das generelle Stimmungsbild der FDP-Politiker ist beim Wähler nicht besonders gut: - 0,9 Punkte. Dafür konnte die FDP dort am meisten Stimmen holen, wo es bei den Volksparteien prozentual die wenigsten waren: bei den unter 30-Jährigen. Das gelang sonst nur den Grünen, die in dieser Altersgruppe zehn Prozent holen.

Prantls Politik, Verrat am Liberalismus (Video: Süddeutsche.de)
  • Euro-Krise hilft AfD und CDU

Gemeinsam haben alle Parteien, dass für ihre Wähler die Euro-Krise den gleichen Stellenwert für die Wahlentscheidung einnimmt. Hier gibt es nur marginale Unterschiede. Der einzige Ausreißer nach oben ist die eurokritische AfD. Für mehr als die Hälfte der AfD-Wähler ist die Euro-Krise ausschlaggebend für die Wahlentscheidung.

Dass die AfD bei diesem Thema Wähler für sich gewinnen konnte, zeichnet sich auch bei der Frage danach ab, ob der Euro Vorteile für Deutschland hat. 53 Prozent der Wähler sagen Ja, 42 Prozent sehen im Euro eher Nachteile.

Die Wichtigkeit der Euro-Krise hat aber auch der CDU geholfen. Ihr trauen 46 Prozent der Wähler zu, die Krise in den Griff zu bekommen. Von der SPD erwarten das laut Infratest dimap nur 20 Prozent.

  • Erstwähler und Spätentscheider

Die Piraten kommen bei den Wählern nur noch auf zwei Prozent, kriegen von den Erstwählern aber zehn Prozent der Stimmen. Damit liegen sie in dieser Wählergruppe fast gleichauf mit den Grünen, die elf Prozent erhalten. Auch wenn die Grünen vor allem bei jüngeren Wählern punkten: die meisten Erstwähler stimmen trotzdem konservativ und machen ihr Kreuz bei der CDU (31 Prozent). Das gilt auch für die Wähler, die sich erst spät entscheiden. 35 Prozent geben ihre Stimme der CDU, 26 Prozent der SPD. Die Linke liegt bei den Spätwählern mit zwei Prozentpunkten vor den Grünen (acht Prozent).

  • Wohlfühlatmosphäre

SPD und CDU haben im Vergleich zu 2009 Stimmen dazugewonnen. Die CDU jedoch deutlich. Ein Grund dafür ist offenbar, dass ein Großteil der Wähler zufriedener ist als vor vier Jahren. 68 Prozent sind der Meinung, dass Deutschland gut auf die Zukunft vorbereitet ist. 2009 war nur knapp die Hälfte dieser Ansicht. Und mehr als 80 Prozent der Wähler finden, dass es Deutschland wirtschaftlich besser geht als den westeuropäischen Nachbarn. FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler wird dem Ergebnis nach dafür aber nicht mitverantwortlich gemacht.

  • Die Wählermeinung zu zentralen politischen Themen, was wichtig war für die Wähler, wie die Spitzenkandidaten im Urteil der Bürger abgeschnitten haben ... Alle Statistiken der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF finden Sie hier, weitere Angaben von Infratest-dimap für die ARD hier...
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