Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat in seiner ersten Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in harschen Worten den anhaltenden Krieg im Gazastreifen angeprangert. In Gaza herrsche „die Hölle auf Erden“, es tobe „ein humanitärer Albtraum“, kritisierte Wadephul am Samstag. „Dieser Krieg muss enden. Die Geiseln müssen freigelassen werden“, forderte er. Am Vortag hatte der israelische Ministerpräsident an derselben Stelle angekündigt, Israel werde „den Job beenden“ und die terroristische Hamas restlos besiegen, wenn sie nicht die Waffen niederlege und alle Geiseln freilasse. Das Wort erteilt worden war Wadephul von seiner Vorgängerin Annalena Baerbock, die ein Jahr lang der Generalversammlung vorsteht.
In seiner Rede, die vor allem der Bewerbung Deutschlands um einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat gewidmet war, warb Wadephul für die Haltung Deutschlands, das im Unterschied zu zahlreichen europäischen Partnern die Anerkennung eines Staates Palästina als verfrüht ablehnt. Die Position gilt als mögliche Belastung für die deutsche Kandidatur. „Die Existenz und die Sicherheit Israels werden immer Teil unserer Staatsräson sein. Es muss eine Zukunft in Frieden und Würde für alle im Nahen Osten geben“, appellierte der Außenminister. „Zwei Staaten für zwei Völker“ sei die einzige Lösung.
Wadephul dankte allen, die „unermüdlich nach einem Weg zum Frieden suchen“, und nannte dabei ausdrücklich die USA. US-Präsident Donald Trump empfängt am Montag den israelischen Ministerpräsidenten und will diesen offenbar von einem 21-Punkte-Plan zum Frieden überzeugen, der unter anderem eine Übergangsregierung für den Gazastreifen und die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe vorsieht.
Zu einer deutschen Beteiligung an so einer Truppe äußerte sich Wadephul vor seiner Rede in der Generaldebatte skeptisch. „Deutschland ist in jedem Fall bereit, sich für eine friedliche und gute Zukunft des Gazastreifens zu engagieren, insbesondere in humanitärer Hinsicht“, betonte er. Er habe „allerdings Zweifel, ob es richtig wäre, dass wir mit Sicherheitskräften dort vor Ort engagiert wären“. Es gebe „die begrüßenswerte Bereitschaft“ vieler muslimisch geprägter Staaten, aktiv zu werden. Dieses Angebot solle man „vorrangig wahrnehmen“.
Deutschland bewerbe sich „in einer Zeit beispielloser Instabilität und Umbrüche“ um einen Sitz als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats für die Amtszeit 2027–2028, sagte Wadephul und verwies auf das Motto der deutschen Kandidatur: „Gerechtigkeit. Frieden. Respekt“. Deutschland sei der zweitgrößte Beitragszahler des UN-Systems, betonte Wadephul. In Gaza sei es einer der größten Geber humanitärer Hilfe. Deutsche Soldaten und Polizisten hätten in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten weltweit an 14 Friedensmissionen teilgenommen.
Wadephul wirbt für UN-Reformen
Der Außenminister warb für eine Stärkung und Reform der Vereinten Nationen, die erhalten werden müssten. „In einer Welt, in der das Recht des Stärkeren gilt, in der internationale Regeln überholt sind, in der Verträge nur für die Schwachen bindend sind und in der Krieg die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln ist, hätten wir alle nur zu verlieren. Eine solche Welt würde letztlich durch Gewalt regiert werden“, warnte er.
Russland, eine Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, führe „einen Angriffskrieg gegen seinen souveränen Nachbarn Ukraine“, der die „Missachtung der grundlegendsten aller Regeln der UN-Charta demonstriert“. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor seine Rede vor der Generalversammlung für scharfe Angriffe gegen den Westen genutzt, der besessen sei „vom utopischen Ziel, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen“.
Deutschland konkurriert mit Österreich und Portugal um zwei Sitze im Sicherheitsrat. Benötigt werden in geheimer Abstimmung zwei Drittel der Stimmen aller 193 Mitgliedstaaten, also 129. Gewählt wird im Juni 2026.

