Süddeutsche Zeitung

W20 Summit in Berlin:Ivanka Trump verdient eine ehrliche Beurteilung

So aschenbrödelhaft es anmutet, dass eine 35-jährige Milliardärstochter über Nacht zum politischen Schwergewicht wird, so selbstverständlich ist ihre politische Karriere gerade in den USA.

Kommentar von Stefan Kornelius

Ivanka Trump ist jener Typ Mensch, der gewaltige Emotionen provoziert, selbst wenn man die Dame nicht so genau kennt. Erstens hat sie das Problem, die Tochter des amerikanischen Präsidenten zu sein, den sie so intensiv berät wie vermutlich niemand sonst. Zweitens ist sie erfolgreiche Geschäftsfrau. Drittens trennt sie ihre Rollen nicht so präzise, wie das wünschenswert wäre. Und viertens kommt bei ihr die toxische Mischung aus Attributen wie jung, gut aussehend, scheinbar glückliche Familie ins Spiel, was besonders und immer wieder gegenüber Frauen Reflexe aus der Abteilung Sexismus und Paternalismus provoziert. Very sad, wie ihr Vater sagen würde, erläge er nicht selbst oft diesen Reflexen.

Nun ist der Trump-Spross in seiner Rolle als Präsidentenberater nach Berlin gereist, was manchen Politiker befremdet und manche Feministin empört, denn Frau Trump hat sich ungefragt bei ihnen eingereiht, weil sie "an die Gleichheit der Geschlechter" glaube, wie sie sagt.

Wie sie es auch wendet, Ivanka Trump wird das Urteilsgewitter über ihre Person ertragen müssen und vermutlich bald feststellen, dass ihr Markenkern in der Politik nicht so leicht sauber zu halten ist wie im Modegeschäft. Gleichwohl trägt sie momentan, als Gattin von Jared Kushner, noch das Mäntelchen der "guten Trump". Gut deshalb, weil die beiden als die Antipoden zu den Finsterlingen im Weißen Haus gelten, die den Vater und Präsidenten ansonsten völlig unerträglich machen könnten.

Die harte Realität fesselt den Präsidenten

Glücklicherweise ist immer weniger dieser Küchenpsychologie notwendig, je länger Donald Trump im Amt ist. Die harte Realität fesselt den Präsidenten, und die Gesetze der Schwerkraft müssen offenbar ebenfalls nicht neu erfunden werden. Deswegen verdient auch Ivanka Trump eine ehrliche Beurteilung. So aschenbrödelhaft es anmutet, dass eine 35-jährige Milliardärstochter über Nacht zum politischen Schwergewicht mit Macht über Leben und Tod wird, so selbstverständlich ist ihre politische Karriere gerade in den USA.

Auch eine Hillary Clinton war nicht gewählt, als sie dem Präsidenten Bill Clinton nach sechs Monaten im Amt eine Gesundheitsreform schrieb. Es mag absurde Ausformungen dynastischer Politik geben, etwa bei den Kims in Nordkorea. Das amerikanische System gehört nicht dazu, das gleichwohl von den Roosevelts über die Kennedys bis zu den Bushs den Clan als politschen Faktor kennt. Aber: Familienberatung ist legitim, und übrigens wird auch die Bundeskanzlerin ihren Mann gelegentlich um seine Meinung fragen.

Im Falle Trump war es also nachgerade taktisch klug, den ersten Zugang zum Kandidaten über dessen Familie zu suchen. Es macht die Sache leichter, dass Ivanka Trump jetzt auch pro forma einen Regierungsposten hat. Beurteilt wird am Ende nicht ihre Arbeit, sondern die Leistung des Präsidenten. Sollte er, der nicht gerne reist, von dem Berlin-Ausflug seiner Tochter profitieren, dann hätte sich die Sache schon gelohnt.

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SZ vom 26.04.2017/dit
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