Vulkanausbruch auf La Palma:Ein letzter Blick zurück

Vulkanausbruch auf La Palma: "Mitnehmen, was sie in einem Laden nicht kaufen könnten": Die Militärpsychologin Cristina Gamboa steht Opfern des Vulkanausbruchs auf La Palma bei.

"Mitnehmen, was sie in einem Laden nicht kaufen könnten": Die Militärpsychologin Cristina Gamboa steht Opfern des Vulkanausbruchs auf La Palma bei.

(Foto: UME)

Die Militärpsychologin Cristina Gamboa begleitet Menschen auf La Palma, wenn sie ihr Haus noch einmal betreten, ehe die Lava kommt.

Interview von Karin Janker

Immer neue Lavaströme bahnen sich vom Vulkan im Höhenzug Cumbre Vieja auf La Palma den Weg in Richtung Küste. Mehr als 7000 Menschen mussten bereits ihre Häuser verlassen. Psychologin Cristina Gamboa von der Katastrophenhilfe-Einheit UME des spanischen Militärs ist auf der Insel im Einsatz.

SZ: Frau Gamboa, Sie begleiten die Menschen, wenn sie bei einem letzten Besuch in ihrem bisherigen Zuhause die wichtigsten Habseligkeiten herausholen wollen. Was tun Sie da?

Cristina Gamboa: Wir fahren mit den Leuten vom Checkpoint bis zu ihrem Haus und gehen mit hinein. Nicht, weil es dort unmittelbar gefährlich für sie wäre, sondern um ihnen in dieser schwierigen emotionalen Situation zu helfen. Wir erinnern sie daran, warum wir hergekommen sind und was sie zu tun haben. Wir geben ihnen Orientierung, wenn wir merken, dass sie überfordert sind und emotional blockieren.

Woran merken Sie, dass Sie jetzt besser eingreifen sollten?

Wenn jemand durch sein Haus von Zimmer zu Zimmer tigert, ohne irgendetwas einzupacken. Wenn jemand sich nicht entscheiden kann, was er mitnehmen soll und was nicht. Oder wenn jemand völlig passiv wird. Manche setzen sich einfach nur auf ihr Sofa und bleiben dort wie gelähmt sitzen.

Ist es immer noch so, dass die Menschen nur wenige Minuten Zeit haben, um sich zu entscheiden, was sie retten und was sie aufgeben?

Anfangs, in den Ortschaften, die nahe am Ausbruchsort lagen, hatten wir tatsächlich nur fünfzehn Minuten pro Haus, andernfalls wäre es gefährlich geworden. Aber zuletzt in La Laguna, das seit zwei Wochen evakuiert ist, konnten wir uns alle etwas mehr Zeit lassen.

Was raten Sie den Menschen, auf jeden Fall mitzunehmen?

Am wichtigsten sind sicherlich alle Dokumente, vor allem solche, die das Eigentum an Haus und Grundstück belegen. Wenn die verloren sind, stehen die Menschen am Ende ohne Ansprüche da. Dann natürlich Wertgegenstände und die Medikamente, auf die man angewiesen ist.

Und jenseits des Praktischen?

Ich sage den Leuten immer, sie sollen vor allem das mitnehmen, was sie in einem Laden nicht kaufen könnten. Also Fotos, Familienalben, Erinnerungsstücke von persönlichem Wert.

Passiert es oft, dass die Menschen sich dann nicht mehr losreißen können?

Häufiger erlebe ich, dass Leute gar nicht zu ihrem Haus zurückwollen. Dass sie sagen: Nein, dieses Haus betrete ich nie wieder, mir egal, was da noch drin ist. Dann muss ich sie sanft, aber bestimmt dazu bewegen.

Egal wie lange sie sich Zeit lassen dürfen mit dem Einpacken, irgendwann kommt dann doch der Moment, an dem sie wirklich Abschied nehmen müssen.

Der letzte Blick zurück, wenn wir gerade schon am Gehen sind, ist für alle der schwierigste Moment. Auch für uns. Wir sind darauf trainiert, nach Katastrophen zu helfen, nach großen Bränden oder Überschwemmungen. Aber bei diesem Vulkanausbruch können wir kaum etwas tun, um die Menschen vor der Gefahr zu schützen, und müssen wie sie der Zerstörung im Zeitlupentempo zusehen.

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