Süddeutsche Zeitung

Vulkanausbruch auf Java:Liebe und Lava

Der Semeru ist wieder aktiv. Aber anstatt vor der Gefahr zu flüchten, suchen die Menschen ihre Nähe. Warum?

Von David Pfeifer, Bangkok

Der Vulkan Semeru auf Java ist weiterhin aktiv. Schon im Dezember des vergangenen Jahres hatte ein Ausbruch des Semeru mit seinen pyroklastischen Strömen mindestens 46 Menschen getötet und Tausende vertrieben, wie die Jakarta Post berichtete. Im Gegensatz zu der eher gemütlich wirkenden Lava entstehen pyroklastische Ströme, vereinfacht ausgedrückt, wenn Gas, das schlagartig aus dem Magma entweicht, und Gesteinsbrocken sich zu vulkanischer Asche verbinden und mit etwa 700 Stundenkilometern ins Tal rasen. Weglaufen ist unmöglich. Die indonesischen Behörden warnen nun, dass es zu weiteren Ausbrüchen kommen könnte - man solle sich von der Umgebung des Vulkans fernhalten.

Generell sollte man meinen, dass Menschen sich der Gefährlichkeit von Vulkanen durchaus bewusst sind. Doch die Geschichte von Pompeji bis heute deutet eher darauf hin, dass diese Gefahren verdrängt werden. Auch in Europa, vorwiegend in Italien, werden weiter Städte besiedelt, von denen man sicher weiß, dass sie durch Vulkanausbrüche zerstört werden - man weiß nur nicht genau, wann. Vulkane sind ein schöpferisches Element der Plattentektonik, also einer Erde, die andauernd in Bewegung ist, ohne dass die Menschen es wahrnehmen. Auch nicht als Gefahr.

Die Beziehung von Menschen und Vulkanen wird in der Kultur eher als Leidenschaft dargestellt denn als toxische Verbindung. Lavalampen tauchen Rendezvous in sanftes Licht, eine als besonders gefühlsstark empfundene Beziehung wird als "Tanz auf dem Vulkan" bezeichnet. Auch im Schlager "Tanze Samba mit mir", ist die erotische Hitze einen solchen Vergleich wert: "Uhahaha, du bist so heiß wie ein Vulkan. Uhahaha, und heut verbrenn ich mich daran."

Dabei sind wirklich gefährliche Vulkane nicht diejenigen, deren Lava sich nur dekorativ rotglühend zu Tal wälzt, sondern jene, die dabei explodieren und Aschewolken ausstoßen. Ein solcher hatte das Inselparadies Tonga erst im Januar verwüstet. Ähnlich wie der Hunga Tonga-Hunga Ha'apai deckte auch der Eyjafjallajökull auf Island seine Umgebung ein. Er liegt in relativer Abgeschiedenheit, weswegen den Europäern bei seinem Ausbruch vor allem die Empfindlichkeit von Lieferketten bewusst wurde, weil der Flugverkehr eine Weile lahmlag. Der Nachbarvulkan Katla ist allerdings gefährlicher, da er unter einem Gletscher liegt und sich der Grad einer Explosion dadurch erhöhen würde.

Vulkanasche hat schon mehrfach in die Geschichte der Menschheit eingegriffen, nicht zuletzt ist Mary Shelleys "Frankenstein" in dem "Jahr ohne Sommer" geschrieben worden - im Jahr 1816, in dem Ernten ausfielen, Tiere verendeten und angeblich sogar ein Vorläufer des Fahrrads erfunden wurde. Der Ausbruch des Tambora im Jahr 1815 war schuld, ebenfalls in Indonesien gelegen. Die Bezeichnung "Killervulkan" für die aschespeienden Berge geht wiederum auf das französische Forscher-Ehepaar Katia und Maurice Krafft zurück, deren Arbeit gerade in dem bemerkenswerten Dokumentarfilm "Fire of Love" zu sehen ist. Sie starben gemeinsam in einer Aschewolke des Unzen in Japan. Ihre Liebe füreinander wurde nur noch von ihrer Leidenschaft für Vulkane übertroffen.

Anmerkung: in der ursprünglichen Version dieses Textes wurde der letzte Ausbruch des Semeru auf den August 2022 datiert. Das Unglück ereignete sich aber im Dezember 2021. Wir bedauern diesen Fehler.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5644779
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.