Vorwurf Volksverhetzung:Staatsanwaltschaft klagt NPD-Vorstände an

Die Staatsanwaltschaft Bremen will drei hohen NPD-Funktionären wegen eines Computerspiels den Prozess machen. Darin dienten "drogendealende" Schwarze und "Sozialschmarotzer" als Zielscheibe. Bei einer Verurteilung drohen den Rechtsextremisten mehrere Jahre Gefängnis, was die NPD-Führung empfindlich treffen dürfte: Der Angeklagte Pühse ist Bundesgeschäftsführer.

Oliver Das Gupta

Neben einem möglichen Verbotsverfahren droht der NPD neues Ungemach: Die Staatsanwaltschaft Bremen klagte an diesem Dienstag zwei Mitglieder des neu gewählten Bundesvorstandes sowie den Bremer Landesvorsitzenden an. Es handelt sich dabei um Matthias Faust, den NPD-Spitzenkandidaten bei der Bremer Bürgerschaftswahl im Mai sowie seinen damaligen Wahlkampfleiter Jens Pühse und den Landesparteichef Horst Görmann.

Muss mit einem Prozess wegen Volksverhetzung rechnen: Jens Pühse Bremen

Muss mit einem Prozess wegen Volksverhetzung rechnen: Jens Pühse, hier 2007 bei einem anderen Gerichtsverfahren in Dresden

(Foto: ddp)

"Volksverhetzung" laute der Vorwurf, sagt Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft zu sueddeutsche.de. "Der Tatzeitraum war Mai 2011." Damals, während des Bremischen Bürgerschaftswahlkampfes, präsentierte die NPD auf ihrer Homepage das ausländerfeindliche Online-Zeichentrickspiel "Faust räumt auf".

Dort wurden Gruppen von Zuwanderern - wie Schwarze und Türken - als "kriminell", "sozialschmarotzend", "gewaltbereit" oder "drogendealend" bezeichnet, so die Staatsanwaltschaft. Auf diese Migrantengruppen sollte mit "Rückkehr-Tickets" gezielt werden. Jeder Treffer brachte Punkte.

Wurde ein NPD-Schild getroffen, bekamen die Spieler Extra-Zeit. Als besonderen Clou ließen die Rechtsextremisten Japaner mit Kamera erscheinen: Wurden sie getroffen, gab es Punktabzug - der NPD gelten Touristen aus Nippon offenbar als erwünscht.

Inzwischen ist die krude Daddelei von der Homepage der Partei verschwunden, den drei NPD-Kadern die Anklage wegen Volksverhetzung eingebracht hat. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, droht den drei Männern allein wegen dieses Straftatbestandes eine Strafe bis zu Jahre Gefängnis.

Hetze gegen "linksextreme" Lehrer

Für den glatzköpfigen Wahlkampfleiter Pühse und Landeschef Görmann könnte die Strafe sogar noch massiver ausfallen. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden zusätzlich vor, "die Vorversion einer Schülerzeitung" übers Internet verbreitet haben, die die Ermittler als jugendgefährdend einstufen.

Dort seien Lehrer als "linksextreme Achtundsechziger und Lügner" bezeichnet worden, sagt Behördensprecher Passade. Das Strafmaß hierfür bei einer Verurteilung: maximal ein Jahr Gefängnis.

Das Amtsgericht Bremerhaven muss noch entscheiden, ob es zu einem Prozess kommt.

Tiraden gegen türkischstämmigen CDU-Kandidaten

Der NPD dürfte die Entwicklung an der Weser dennoch einige Sorge bereiten, schließlich ist die Partei und ihr bräunlicher Anhang zur Zeit umstrittener denn je: Der langjährige NPD-Kader Ralf Wohlleben steht im Verdacht, in die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) verstrickt zu sein, die Innenminister von Bund und Ländern prüfen derzeit, ob sie ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD auf den Weg bringen.

Matthias Faust Holger Apfel Pastörs NPD Rechtsextremismus

Früher CDU-, Republikaner- und DVU-Mitglied, heute NPD-Kader: Rechtsextremist Matthias Faust, hier zwischen dem heutigen Parteichef Holger Apfel (li.) und Udo Pastörs (re.) der die NPD-Fraktion im Schweriner Landtag führt. Die Aufnahme entstand Anfang 2011 in Berlin.

(Foto: dapd)

Die Bremer Justizverfahren könnten die erst seit Anfang November amtierende neue NPD-Führung um den Vorsitzenden Holger Apfel empfindlich treffen: Faust, der seine Polit-Karriere bei der CDU begann und später die Verschmelzung der DVU mit der NPD vorantrieb, sitzt im Vorstand. Noch wichtiger für die Organisation der Partei ist Jens Pühse: Der Rechtsrock-Fan bekleidet das Amt des Bundesgeschäftsführers und gehört dem Parteipräsidium an.

Im Bremer Wahlkampf hatte der bullige Faust seiner Ausländerfeindlichkeit freien Lauf gelassen. Während andere wahlkämpfende Parteifreunde wie Uwe Pastörs ungeniert NS-Vokabular ("Kraft durch Freude") verwendeten und unverholen auf die Judenvernichtung anspielten wie Udo Voigt ("Gas geben"), agitierte Faust gegen Gegner aus demokratischen Parteien: Den jungen türkischstämmigen CDU-Kandidaten Oguzhan Yazici etwa pöbelte er in einem offenen Brief an. "Am besten, Sie überqueren mit allen Ihren Landsleuten (...) den Bosporus. Gute Reise!", schrieb Faust unter anderem dem promovierten Juristen und deutschen Staatsbürger Yazici.

Abgekupfert haben Faust und seine NPD wohl auch: Das Online-Spiel, das Faust und seine Gesinnungsgenossen die Anklage eingebracht hat, weist Ähnlichkeiten zum islamfeindlichen "Moschee baba"-Spiel auf, mit dem die nicht minder ausländerfeindliche österreichische FPÖ 2010 Wahlkampf betrieben hatte.

Ein ähnliches Spiel präsentierte die NPD übrigens auch im Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt, wo das Ergebnis ähnlich ausfiel wie in Bremen: In beiden Fällen blieb die NPD unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Der Autor diskutiert unter https://twitter.com/#!/oliverdasgupta

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