Vorwürfe gegen Caritas und Diakonie:"Report": Tausende Babys in Heimen misshandelt

Weil sie überfordert waren, sollen Mitarbeiter von Caritas und Diakonie in Säuglingsheimen Tausende Babys misshandelt haben, berichtet das ARD-Magazin "Report".

Die Vorwürfe gegen Caritas und Diakonie klingen ungeheuerlich: In den Säuglingsheimen der beiden Wohlfahrtsverbände sollen zwischen 1949 und 1975 bundesweit Tausende Babys misshandelt worden sein, wie das ARD-Magazin Report Mainz berichtet.

Überforderte Helferinnen hätten die Säuglinge angebunden und mit Medikamenten ruhig gestellt. In einem Heim in Schorndorf bei Stuttgart seien sie mit UV-Licht bestrahlt worden, weil sie aus Zeitgründen fast nie nach draußen kamen.

"Die Hände, die Arme, die Beine wurden an die Gitterstäbe der Betten angebunden und es wurden unruhige Kinder auch mit Medikamenten ruhig gestellt, mit sedierenden Medikamenten, völlig ohne Problembewusstsein. Hauptsache sie waren ruhig", berichtete der Sozialpädagoge Professor Manfred Kappeler in "Report Mainz". Dies sei "generelle Praxis" gewesen.

Kappeler beriet den Petitionsausschuss des Bundestags zum Thema Heimerziehung. Er schätzt, dass in den Säuglingsheimen der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1975 insgesamt 260.000 Kinder im Alter von bis zu drei Jahren untergebracht waren.

Auf die neuen Vorwürfe reagierten Caritas und Diakonie in Württemberg mit dem Eingeständnis, dass in ihren Kinderheimen nach dem Krieg "unhaltbare" Zustände herrschten. Konkrete Erkenntnisse über Misshandlungen speziell von Säuglingen gebe es aber nicht.

Beide Organisationen nehmen sich seit einiger Zeit dem Thema Heimerziehung in den Nachkriegsjahren an. Die Caritas belegte mit der Studie "Die Zeit heilt keine Wunden" Züchtigungen von Kindern und Jugendlichen. Bischof Gebhard Fürst bat dafür vergangene Woche erneut um Vergebung.

Einige der kritisierten Kinderheime hätten auch Babystationen gehabt, berichtete Projektleiterin Susanne Schäfer-Walkmann vom Stuttgarter Institut für angewandte Sozialwissenschaften. Vorwürfe zu Säuglingsmisshandlungen wollte die Leiterin der Abteilung Caritas bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Irme Stetter-Karp, aber nicht kommentieren. Report Mainz berichtet von wissenschaftlichen Untersuchungen, darunter Dissertationen und anderen Fachbücher, die diese Vernachlässigungen belegten.

Fotos aus den fünfziger und sechziger Jahren zeigten festgebundene Kinder. Eine Mitarbeiterin, die in den Sechzigern in drei Heimen Babys versorgt hatte, berichtete von Schlägen ins Gesicht mit nassen Waschlappen oder Windeln.

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