Der Ärger für den Bundespräsidenten reißt nicht ab: Niedersachsens Grüne werfen Christian Wulff vor, bei seinem Hauskauf seine Geldgeber stärker verschleiert zu haben, als bislang bekannt war.
Der Fraktionschef der niedersächsischen Grünen, Stefan Wenzel, sagte der Frankfurter Rundschau, Wulff habe keinen notariellen Vertrag abgeschlossen und auch im Grundbucheintrag seine Kreditgeber nicht genannt. Zudem habe er bislang keinen Beleg für Tilgungen auf das Darlehen vorgelegt. "Hier tun sich Abgründe auf, die ich nicht für denkbar gehalten habe", sagte Wenzel. Niedersachsens Grüne verlangen, dass der Sachverhalt noch einmal geprüft wird und haben eine 100 Fragen umfassende Anfrage an den Landtag gestellt.
Nach Wenzels Einschätzung bekommt auch die Zahlungsweise neue Brisanz: Wulff habe sich das Darlehen von Unternehmersgattin Edith Geerkens über 500.000 Euro mittels eines anonymen Bundesbank-Schecks auszahlen lassen. Der anonyme Scheck trug nach Recherchen der Zeitung die Nummer 83338 und sei am 18. November 2008 von der Sparkasse Osnabrück ausgestellt worden. "Ich habe noch nie gehört, dass jemand auf diese Weise ein Haus finanziert", sagte Grünen-Politiker Wenzel. "Das schreit nach einer Überprüfung." Es sei "nicht vertretbar, dass ein Ministerpräsident anonyme Schecks annimmt".
"Absolut unüblich bei einem Hauskauf"
Die Annahme anonymer Schecks sei "absolut unüblich bei einem Hauskauf", sagte auch Baufinanzierungsexperte Max Herbst, Chef der FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main, der Zeitung. Derartige bestätigte Bundesbankschecks bekomme kein normaler Kunde, sie seien für absolute Ausnahmegeschäfte mit großen Beträgen vorgesehen wie etwa bei Auktionen und Zwangsversteigerungen. Das Besondere an dieser Zahlungsweise sei die Verschleierung der Geldquelle, denn bei diesen Schecks erfahre "auch bei der Einlösung keiner, wer der Geldgeber ist". Es gehe "um das Verbergen der Finanzierungsabläufe", sagte der Experte.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, legte Wulff eine Selbstanzeige nahe. "Das bietet Christian Wulff die Chance, die Debatte zu beenden und seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen", sagte Oppermann der Rheinischen Post. Wulff müsse das für solche Fälle vorgesehene sogenannte Selbstreinigungsverfahren beim niedersächsischen Staatsgerichtshof wählen.
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel griff Wulff scharf an. "Es ist schlimm, dass der Bundespräsident es so weit hat kommen lassen. Diese ganze Auseinandersetzung ist unwürdig und abstoßend", sagte Gabriel der Bild. Er warf Wulff vor, die Maßstäbe für Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit in die falsche Richtung zu verschieben. "Kassiererinnen im Supermarkt werden schon entlassen, weil sie nur einen Pfandbon eingesteckt haben, aber der Bundespräsident meint, für ihn können Sonderregeln gelten", sagte Gabriel.
VW-Investoren fordern Schadensersatz
Am Freitagabend wurden gegen Wulff nun auch Vorwürfe wegen seiner früheren Tätigkeit als VW-Aufsichtsrat laut. VW-Investoren halten ihm nach einem Bericht der Wirtschaftswoche vor, während der Übernahmeschlacht von Porsche und Volkswagen Pflichten verletzt zu haben. So habe er - als niedersächsischer Ministerpräsident war Wulff Mitglied im VW-Kontrollgremium - nicht verhindert, dass Anleger getäuscht worden seien. Die Investoren fordern dem Bericht zufolge knapp 1,8 Milliarden Schadensersatz. Ähnliche Vorwürfe sind auch schon gegen die VW-Führung und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch erhoben worden. Sie hatten dies aber stets zurückgewiesen.
Union und FDP wiesen am Samstag einen Bericht der Rheinische Post zurück, wonach sich die Parteichefs der schwarz-gelben Koalition bereits auf ein Nachfolgeverfahren im Falle eines Rücktrittes des Bundespräsidenten verständigt haben sollen. Sollte Wulff überführt werden, die Unwahrheit gesagt zu haben, wollten Merkel, Seehofer und Rösler die Unterstützung für Wulff beenden und nach einem Rücktritt in einer gemeinsamen Pressekonferenz einen Kandidaten vorschlagen, hieß es in dem Bericht unter Berufung auf Regierungskreise. Geplant sei, einen Vorschlag zu machen, den "Rot-Grün nicht ablehnen kann". Die FDP bezeichnete die Meldung als "schlichtweg Unfug", die Union als "blanke Spekulation".
Am Samstag droht dem Bundespräsidenten nun auch noch Ärger direkt vor der Haustür. Bei einer Demonstration, die für den frühen Nachmittag geplant ist, wollen wütende Bürger ihrem Unmut vor Schloss Bellevue Luft machen. Die Demo steht unter dem Motto "Wulff den Schuh zeigen - Shoe for you, Mr. President!". Das Ganze ist eine Anspielung an eine arabische Tradition. In der arabischen Kultur werden mit dieser Geste Menschen verhöhnt, aber auch Ärger und Verachtung werden mit dem Zeigen der Schuhe so zum Ausdruck gebracht. "Wir wollen die Schuhe aber nur hochhalten, nicht schmeißen", betonte der Sprecher der Veranstalter, Jürgen Jänen. 750 Personen hätten ihr Kommen zugesagt.