Giftgas-Vorwurf an Assad-Regime:Putin erinnert Obama an Friedensnobelpreis

Russia's President Putin talks to journalists in Vladivostok

Will Beweise für einen Giftgaseinsatz Syriens sehen: Russlands Premier Putin (rechts) spricht zu Journalisten.

(Foto: REUTERS)

"Völligen Unfug" nennt Kremlchef Putin die Anschuldigungen an das Assad-Regime: Er verlangt von Washington konkrete Beweise für einen Chemiewaffen-Einsatz durch die syrischen Truppen und richtet einen persönlichen Appell an US-Präsident Obama. Indes warnt auch der Assad-Verbündete Iran die USA - ein auf Syrien begrenzter Einsatz sei eine Illusion.

Nach der Ausreise der Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen rechnet die syrische Führung mit einem baldigen Angriff westlicher Truppen auf das Land. Der Beginn des Einsatzes werde "jeden Moment" erwartet, sagte ein Vertreter der Sicherheitskräfte am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. "Wir sind auch jederzeit zur Vergeltung bereit", fügte er hinzu.

Aus arabischen Diplomatenkreisen verlautete nach Angaben der kuwaitischen Zeitung Al-Kabas derweil, dass mit Militärschlägen spätestens an diesem Sonntag gerechnet werde. Nach der Abreise der UN-Inspekteure gehe es nun lediglich noch um Stunden, berichtete die Zeitung.

Das syrische Regime wies die Vorwürfe der USA erneut als haltlose Lügen zurück. Diese basierten auf erfundenen Berichten von Rebellen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Außenministerium.

Der Assad-Verbündete Iran hat die USA indes erneut eindringlich vor einem Militärschlag gegen Syrien gewarnt. Ein militärisches Vorgehen gegen den iranischen Verbündeten werde "Reaktionen jenseits dieses Landes provozieren", sagte der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Mohammed Ali Dschafari, am Samstag laut der Nachrichtenagentur Isna. "Die Tatsache, dass die Amerikaner glauben, dass die Militärintervention auf das Gebiet innerhalb der syrischen Grenze begrenzt bleibt, ist eine Illusion." Der Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Kommandeur Dschafari richtete auch eine Warnung an Verbündete der USA, die sich an einem Militäreinsatz beteiligen. Dies werde "die nationale Sicherheit dieser Länder beeinträchtigen" und die "des zionistischen Regimes", womit Israel gemeint ist. Vergangene Woche hatte bereits der iranische Armeechef Hassan Firusabadi gesagt, ein Militäreinsatz gegen Syrien werde Israel "an den Rand des Feuers" bringen.

Scharfe Kritik am Auftreten der US-Regierung kam nicht nur aus Damaskus und Teheran, sondern auch aus Moskau, das im UN-Sicherheitsrat bislang jegliches schärfere Vorgehen gegen Syrien verhindert hat: Vor einem westlichen Militäreinsatz fordert Russlands Präsident Wladimir Putin von den USA Beweise für einen Chemiewaffen-Einsatz durch die Truppen von Präsident Baschar al-Assad. Die gegen Assad erhobenen Anschuldigungen seinen "völliger Unfug", sagte Putin am Samstag vor Journalisten.

"Es entspricht doch keiner Logik, dass die syrische Armee Giftgas an einem Tag einsetzt, an dem UN-Beobachter ins Land kommen", sagte Putin weiter. "Ich bin überzeugt, dass es eine Provokation ist, um andere Länder in den Konflikt hineinzuziehen", sagte Putin in Wladiwostok am Pazifik. Er sprach sich dafür aus, beim G20-Gipfel in St. Petersburg am 5. und 6. September auch über Syrien zu sprechen. "Es ist nicht der Weltsicherheitsrat, aber ein guter Ort für das Problem", sagte Putin.

Er wandte sich direkt an US-Präsident Obama: Als Friedensnobelpreisträger solle er die möglichen zivilen Opfer eines Angriffs bei seiner Entscheidung besonders berücksichtigen. "Haben die von den USA initiierten bewaffneten Konflikte je geholfen, auch nur ein Problem zu lösen?", sagte Putin. Weder in Afghanistan noch im Irak gebe es Frieden oder Demokratie.

Der russische Politikwissenschaftler Piotr A. Fedosow sagte am Samstag im Deutschlandradio Kultur, ein Militärschlag der USA, auch ein begrenzter, sei ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Zudem sei nicht bewiesen, dass Assads Seite das Giftgas eingesetzt habe."Solange keine Beweise vorliegen, ist es ein Hohn, über die Strafe dafür zu sprechen."

Russland hat unterdessen seine umstrittenen Waffenlieferungen an seinen Verbündeten Syrien Medienberichten zufolge gestoppt - angeblich, weil das Regime in Damaskus Rechnungen nicht bezahlt. Nach dem Eingang der ersten Raten habe das Regime die Zahlungen unvermittelt ausgesetzt, sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter des staatlichen Rüstungskonzerns Rosoboronexport der russischen Tageszeitung Kommersant. Es gebe aber keinen politischen Hintergrund, sagte der Mitarbeiter.

Zweifel von deutschem Militär

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte dagegen die Haltung Russlands und Chinas im Syrien-Konflikt scharf. "Es ist sehr bedauerlich, dass sich Russland und China seit langer Zeit einer gemeinsamen Haltung im Syrien-Konflikt verweigern, das schwächt die Rolle der UN derzeit erheblich", sagte Merkel der Augsburger Allgemeinen. Sie erklärte, dass "ein Tabubruch wie der Einsatz von Giftgas mit Hunderten von Toten nicht ohne Folgen bleiben" könne.

Der frühere Kfor-Kommandeur Klaus Reinhardt wies allerdings darauf hin, dass ein Militäreinsatz auf klaren Beweisen beruhen müsse. "Das Grundproblem sehe ich in der Glaubwürdigkeit der Argumentation und dem Nachweis, dass tatsächlich das Assad-Regime die Chemiewaffen eingesetzt hat", sagte er dem Magazin Focus.

Eine deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz gegen die syrische Führung ohne internationales Mandat schloss Merkel aus. Der Bürgerkrieg in Syrien könne nach ihrer Überzeugung nur durch einen politischen Prozess beendet werden. Parallelen zur umstrittenen Haltung der Bundesregierung im Libyen-Konflikt gebe es nicht.

Reisewarnung für Libanon

Wegen der wachsenden Spannungen infolge des drohenden Militärschlags haben mehrere Staaten ihre Bürger vor Reisen in den benachbarten Libanon gewarnt. Zu den Ländern zählten Bahrain, Kuwait, Großbritannien und Frankreich, wie die jeweiligen Vertretungen mitteilten.

Österreich forderte seine Bürger auf, vor einer in den Libanon die Botschaft vor Ort zu kontaktieren. Das Auswärtige Amt in Berlin warnt ebenfalls vor Reisen in den Nordlibanon und dabei vor allem in die Stadt Tripoli. Vergangene Woche waren dort bei Anschlägen auf Moscheen 42 Menschen getötet worden.

Staatlichen Nachrichtenagenturen zufolge haben Bahrain und Kuwait ihre Staatsbürger aufgefordert, das Land umgehend zu verlassen. Nach Informationen von libanesischen Sicherheitskreisen verließen allein am Donnerstag 14.000 Menschen, darunter überwiegend Europäer, den Libanon.

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