Vorwahlen in Florida:"Den amerikanischen Traum gibt es nicht mehr, schon gar nicht für uns Latinos"

Berta Sandes

Trump = Hass: Eine Immigrantin aus Nicaragua demonstriert mit anderen in Florida gegen den republikanischen Präsidentschaftsbewerber.

(Foto: AP)
  • Die nächsten Vorwahlen stehen an diesem Dienstag in Florida an.
  • Die Latino-Community wird dabei eine große Rolle spielen. Sie ist sich einig: Trump ist für sie unwählbar.
  • Gleichzeitig läuft die politische Mobilisierung nur schleppend an, obwohl sie inzwischen einen stattlichen Teil der US-Bevölkerung ausmachen

Von Johannes Kuhn und Beate Wild, Kissimmee/Miami

Amerikas Zukunft beginnt gleich hinter Disneyworld. Kissimmee ist keine Märchenwelt, in dem Vorort von Orlando blinken nur die Schilder der Imbiss-Läden und Tätowierstudios.

Hier im Osten Floridas lässt sich bereits erleben, wie sich die USA verändern: In der Cafeteria des örtlichen Sedano's, der Supermarktkette einer kubanischen Familie, hallen spanischen Wortfetzen durch den Raum. Hier treffen sich die legalen und illegalen Einwanderer, die in den USA Geborenen und die hierher Geflohenen. Sie, ihre Eltern oder Großeltern kommen aus Kuba, Nicaragua, Mexiko, El Salvador - oder Puerto Rico, so wie Victor.

Er kam 1992 nach Kissimmee. Seitdem hat sich die Einwohnerzahl verdoppelt, die Stadt ist mittlerweile auf 60 000 Einwohner angewachsen. Jeder zweite Bewohner ist ein Latino."Ich kann mich noch daran erinnern, als es hier in der Gegend nur eine einzige große Straße gab", erzählt Victor, während sich draußen die Autos im dichten Verkehr beinahe stapeln.

Kissimmee liegt nahe der Autobahn "Interstate 4", jenem Korridor zwischen Tampa und Orlando, in dem fast die Hälfte der registrierten Wähler Floridas wohnt. Die Gegend wird bei den Vorwahlen der Republikaner am Dienstag, aber auch in der Präsidentschaftswahl maßgeblich darüber entscheiden, welche Partei das Weiße Haus übernimmt. "Niemand kann Präsident werden, ohne hier zu gewinnen", sagt die Politologin Susan MacManus. Barack Obama konnte den Wechselwählerstaat Florida zwei Mal für sich verbuchen, weil er acht von zehn Latinos hinter sich versammelte.

Große Armut, viel Kriminalität

Für Victor aus Kissimmee ist der Wahlkampf das letzte, was ihn interessiert. "Hier gibt es nicht genug Jobs", klagt der 24-Jährige, der sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält. "Was sind schon neun Dollar Lohn in der Stunde? Nichts!" Die begehrten Stellen im Dienstleistungssektor rund um die Freizeitparks reichen nicht, und nur wenige Puerto Ricaner möchten weiter westlich auf den Feldern arbeiten, wo die Einwanderer aus Mittelamerika schuften. Latino ist nicht gleich Latino, Kultur und Perspektiven unterscheiden sich je nach Herkunftsland.

Schätzungen zufolge leben inzwischen mehr als fünf Millionen Puerto Ricaner in den USA, weil die Insel von Wirtschaftskrise zu Wirtschaftskrise taumelt. Jede Woche reisen 1000 Neuankömmlinge ein. Die Boricuas, wie sich die Bewohner der Karibikinsel nennen, haben es zunächst einfacher als Latinos mit anderen Wurzeln: Sie sind von Geburt an US-Bürger und haben sofort alle Rechte. Doch Franklin Cortez winkt ab: "Den amerikanischen Traum gibt es nicht mehr, schon gar nicht für uns Latinos", sagt er mit leiser Stimme. Er sitzt in der Cafeteria vor einem Bagel und Kaffee, schiebt sich seine Schirmmütze in den Nacken.

Der 68-Jährige ist vor zehn Jahren in die USA gekommen, hoffnungsvoll klingt er nicht: Die Jungen müssten hart arbeiten und könnten es trotzdem zu nichts bringen, meint er. Die Armutsrate in Kissimmee liegt bei 30 Prozent."Mehr Menschen, mehr Arbeitslose, mehr Kriminalität, mehr von allem" gebe es nun, wie ein anderer Gast der Cafeteria ruft. Die Republikaner versprechen Sicherheit und Jobs, aber ihre harte Abschiebepolitik hat die Chancen der Partei nicht gerade gesteigert. "Hier sind alle für Hillary", behauptet zumindest Cortez.

Trump - der Alptraum der Latinos

350 Kilometer weiter südlich: Der sonnige Nachmittag in Little Havana, Miami, riecht nach gut gewürztem Hühnchen und Zigarren. Ab und zu spuckt ein Sightseeing-Bus blasse Kurzhosen-Träger vor dem Platz an der Calle Ocho aus, wo sich die Kubaner zum Domino treffen. Zwei ältere Kubano-Amerikaner sitzen auf einer Bank im Schatten und brechen in solch herzhaftes Gelächter aus, dass ihnen fast die Stumpen ihrer Julieta-Zigarre aus der Hand fallen. Donald Trump? Sie winken ab.

Exil-Kubaner in den USA gelten traditionell als konservativ und Sympathisanten der Republikaner. In Florida konnten sich bislang alle Präsidentschaftskandidaten von Richard Nixon bis George W. Bush auf sie verlassen, sogar Mitt Romney gewann in Little Havana noch eine Mehrheit. Doch 2016 ist selbst die ältere Generation skeptisch, die anders als ihre Kinder nicht für die Obama-Botschaften empfänglich war und die Kuba-Politik der Demokraten immer kritisch beäugte.

"Trump es un loco", heißt es hier, Trump sei ein Verrückter. Ein Albtraum für alle Latinos, unwählbar. Auch Marco Rubio und Ted Cruz, beide immerhin Söhne kubanischer Einwanderer, finden hier nach ihren Abschiebe-Parolen wenig Zuspruch. "Das sind keine von uns. Sie sind nicht für uns, sondern gegen uns", sagt der 71-jährige Neicar, einer der Männer auf der Bank im Schatten.

Hispanics machen inzwischen die Hälfte von Miamis Einwohnern aus. Nach den "Cuban Americans", von denen die ersten Ende der Fünfziger vor Castro flohen, kamen Einwanderer aus Nicaragua, Honduras, Venezuela oder Kolumbien. Hier sind die Hispanics am weitesten gekommen, haben erfolgreiche Geschäftsmänner, Politiker und Fernsehstars hervorgebracht. Sie sind Teil der Gemeinschaft, mehr noch: Spanisch ist die anerkannte Verkehrssprache der Stadt.

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