Süddeutsche Zeitung

US-Republikaner:Das Establishment beißt zurück

In Georgia hat sich der Gouverneur 2020 geweigert, Donald Trump zum Wahlsieg zu schummeln. Der will ihn seither aus dem Amt drängen - und scheiterte mit dem Versuch nun bei den Vorwahlen. Ist der Ex-Präsident doch nicht allmächtig in seiner Partei?

Von Hubert Wetzel, Washington

Eine beliebte Szene in Gruselfilmen ist die, in der das bereits erlegt geglaubte Monster noch einmal den Kopf hebt und zuschnappt. Für einen Moment weiß der Zuschauer dann nicht, ob das nun nur ein letztes Aufbäumen des Untiers ist - oder ob es nicht doch am Ende triumphiert.

Womit man bei Donald Trump wäre, bei den Republikanern und im US-Bundesstaat Georgia. Man kann zwar darüber streiten, wer in dem Gruselfilm, den die einst so stolze konservative Partei in den vergangenen Jahren aufgeführt hat, die Rolle des Monsters spielt. Aber dass bei der republikanischen Vorwahl in Georgia noch einmal etwas, das eigentlich längst für tot erklärt wurde, den Kopf erhoben und zugeschnappt hat, ist unstrittig. Man könnte es "das Parteiestablishment" nennen.

Am Dienstag waren in den USA wieder einmal Vorwahlen - die Parteien entschieden intern, mit welchen Kandidaten sie im November bei den Kongress- und Gouverneurswahlen antreten werden. Gewählt wurde in mehreren Bundesstaaten, aber das wichtigste Rennen fand in Georgia statt. Dort musste sich der amtierende republikanische Gouverneur Brian Kemp gegen den ehemaligen republikanischen Senator David Perdue wehren, der ihm die Gouverneurskandidatur streitig machen wollte.

Das wäre an und für sich nicht bemerkenswert, hätte sich nicht Donald Trump mit viel Energie und Geld für Perdue ins Zeug gelegt. Trump wiederum wollte sich dadurch an Kemp rächen, dem er mangelnde Unterstützung bei der Präsidentschaftswahl 2020 vorwirft. Trump hatte in Georgia damals verloren. Doch statt Trumps Lügen vom Wahlbetrug nachzuplappern, hatte Kemp sich gegen den damaligen Präsidenten gestellt und die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses bestätigt. Seitdem schäumt Trump vor Wut, und er hatte Perdue rekrutiert, um Kemp die Kandidatur - und damit das Amt - abzujagen.

Dieser Plan scheiterte am Dienstag allerdings kläglich. Kemp gewann die Vorwahl nicht nur wie erwartet. Sondern er siegte mit so hohem Vorsprung - um die 50 Prozentpunkte -, dass das Ergebnis schon fast einer Demütigung für Perdue und Trump gleichkam: Trump hatte die republikanischen Wähler in Georgia aufgefordert, für Perdue zu stimmen. Sie votierten für Kemp, und zwar in Scharen. Auch der für Wahlen zuständige Innenminister von Georgia, Brad Raffensperger, der sich 2020 Trumps Zorn zugezogen hatte, war am Dienstagabend in seiner Vorwahl auf Siegkurs.

Nicht Trumps Positionen sind für viele im Establishment das Problem, sondern sein Stil

Die Wahl in Georgia wird dem unterschwelligen Machtkampf, der bei den Republikanern seit Monaten tobt, neue Nahrung geben. Im Kern geht es dabei um die Frage, welche Rolle Trump in der Partei spielen soll - und wie viel Macht er über die Partei eigentlich noch hat. Denn während die normalen Parteianhänger den ehemaligen Präsidenten nach wie vor verehren, gibt es in den Führungskreisen der Republikaner sehr viele, die Trump so schnell wie möglich aufs Altenteil schicken wollen. Dieser Teil der Partei hat weniger ein Problem mit den politischen Positionen Trumps, sondern befürchtet vielmehr, dass dieser mit seiner erratischen, spalterischen Art und seinem obsessiven Gerede vom gestohlenen Sieg die Wahlchancen der Partei verringert. Immerhin haben die Republikaner 2018 wegen Trump das Repräsentantenhaus und 2020 das Weiße Haus und den Senat verloren. Das soll sich nicht wiederholen, nicht bei der Kongresswahl in diesem November, schon gar nicht bei der Präsidentenwahl 2024.

Seit Monaten versuchen daher republikanische Parteigrößen - das vom Trump und seinen Gefolgsleuten so verachtete "Establishment" -, den Altpräsidenten zur Seite zu drängen und Platz für einen neuen Anführer zu machen. Ehrgeizige Republikaner, die sich diese Aufgabe zutrauen, gibt es etliche, wobei die besten Chancen vermutlich der Gouverneur von Florida hätte, Ron DeSantis. Er ist ein harter Rechtspopulist, allerdings ohne den toxischen Trump'schen Ballast wie Sexaffären und Rassismus. Vor allem kann man DeSantis, anders als dem Altpräsidenten, nicht vorwerfen, einen Putschversuch gegen das amerikanische Parlament angestiftet zu haben, um sich trotz einer verlorenen Wahl an der Macht zu halten.

Trump sieht, dass es in der Partei eine Bewegung gegen ihn gibt. Und er wehrt sich dadurch, dass er in Vorwahlen Kandidaten unterstützt, die auf seiner Seite sind. In Ohio hat dies vor einigen Wochen sehr gut funktioniert, als er dem Außenseiter J. D. Vance zum Sieg verhalf. In Georgia ist Trumps Konterangriff mit Perdue nun jedoch ins Leere gelaufen.

Wie viel kann man aus Georgia über die Machtverhältnisse in der Partei lernen?

Wenn man sich ansieht, wer für Kemp Wahlkampf gemacht hat, sieht man recht gut, wo in der Partei die Fronten verlaufen. So traten zum Beispiel der frühere Trump-Vertraute Chris Christie und der ehemalige Vizepräsident Mike Pence mit Kemp auf. Beide stammen aus dem alten Machtapparat der Partei, beide sind ehemalige Gouverneure, die sich 2016 aus politischem Opportunismus auf die Seite Trumps geschlagen haben, ihn nun aber loswerden wollen, weil sie sehen, was er in Amerika anrichtet. Dass diese Vertreter des Establishments, das 2016 von Trump im Vorwahlkampf regelrecht niedergewalzt worden war, jetzt den Bruch und den Aufstand wagen, ist erstaunlich. Dass sie in Georgia damit Erfolg hatten, ist geradezu spektakulär.

Was bedeutet das alles für Trumps Stellung in der Partei? Das ist schwer zu sagen. Einerseits war es für Trump persönlich enorm wichtig, Kemp zu schlagen. Dessen Sieg dürfte ihm sehr wehtun. Andererseits sind Gouverneure eben mächtige Regionalfürsten, die schwer zu entthronen sind. Sie verfügen über Macht, Geld und politische Verbindungen in ihrem Bundesstaat. Es ist kein Zufall, dass von Trump empfohlene Kandidaten bisher vor allem in den Vorwahlen schlecht abgeschnitten haben, in denen sie amtierende Gouverneure besiegen wollten, etwa in Idaho und Nebraska.

Über die wahren Machtverhältnisse bei den Republikanern, darüber, ob das Establishment nun zum Triumph über Trump ansetzt oder doch wie 2016 dessen Wucht unterliegt, sagt Georgia daher nur begrenzt etwas aus. Vielleicht kann man dieses Fazit ziehen: Trump ist ganz offensichtlich parteiintern umstritten, und sein Wort ist nicht mehr automatisch Gesetz bei den Republikanern. Aber es gibt auch nur sehr wenige Parteivertreter, die Haus und Hof darauf verwetten würden, dass Trump die Vorwahl 2024 verliert, sofern er denn antritt. Wenn man im republikanischen Amerika unterwegs ist, sieht man auf Fahnen und Plakaten jedenfalls stets nur einen Namen: Trump.

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