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Vorwahl der US-Republikaner in Michigan:Mitt Romney - im Schatten des Vaters

"Amerika braucht Romney, George Romney": In Michigan muss Mitt Romney um den Sieg bei der Vorwahl der Republikaner bangen, obwohl der Bundesstaat seine Heimat ist. Neben den Attacken von Rick Santorum und alten Aussagen über die Autoindustrie setzt ihm noch etwas anderes zu: der Vergleich mit seinem Vater, der einst Gouverneur in Michigan war.

Matthias Kolb, Washington

Der Ort war ebenso sorgfältig gewählt wie die Dekoration. Als Mitt Romney im Februar 2007 verkündete, als Präsidentschaftskandidat der Republikaner anzutreten, tat er dies im Henry-Ford-Museum in Dearborn, Michigan. Über ihm schwebte ein Propellerflugzeug, hinter ihm standen ein moderner Ford-Geländewagen und ein AMC Rambler. Der Rambler war der bullige Kleinwagen, mit dem Vater George als Chef der American Motor Company die Firma während der Wirtschaftskrise Ende der 1950er Jahre wieder in die Erfolgsspur führte.

Seine Bewerbung für das Weiße Haus in Michigan bekanntzugeben, lag für Mitt Romney nahe: Er ist 1947 in Detroit geboren, hier ging er auf ein Elite-Internat und hier lernte er seine Frau Ann kennen. In diesem Bundesstaat, der Heimat von Ford, Chrysler und General Motors, war Vater George Gouverneur und von dort aus startete dieser 1968 seine Präsidentschaftsbewerbung. Diese Erlebnisse prägten den jungen Mitt und spornten ihn später an, dem Vorbild nachzueifern. 2008 gewann er in Michigan klar gegen John McCain und lange zweifelte niemand daran, dass Romney den Sieg bei der diesjährigen primary, die am 28. Februar stattfindet, wiederholen kann.

Doch das Blatt hat sich in diesem turbulenten und unberechenbaren Vorwahlkampf gewendet: Nach seinem Dreifach-Erfolg in Missouri, Colorado und Minnesota entwickelte sich Rick Santorum zum Liebling der konservativen Republikaner. Der Ex-Senator aus Pennsylvania liegt in den jüngsten Umfragen sowohl in Michigan als auch landesweit vor Romney - obwohl dieser über deutlich mehr finanzielle Ressourcen verfügt.

Santorums plumpe Parolen gegen Homo-Ehe, Abtreibung und Präsident Barack Obama kommen vor allem bei konservativen Republikanern an. Den neuesten Erhebungen zufolge sind 41 Prozent der Wähler in Michigan evangelikale Christen, ein Drittel gilt als "sehr konservativ".

"Lasst Detroit bankrottgehen"

Doch Romneys größtes Problem in Michigan ist nicht die Stärke seines Konkurrenten, sondern seine eigenen Aussagen - vor allem eine aus dem November 2008. Damals erklärte der Republikaner in der New York Times unter der Überschrift "Let Detroit Go Bankrupt" ("Lasst Detroit bankrottgehen"), weshalb er Staatshilfen für die Autoindustrie ablehne. Nur die harte Hand des Marktes werde Chrysler, GM und Ford helfen, im Vergleich mit Konkurrenten wie BMW, Toyota oder Honda wettbewerbsfähig zu werden, glaubte Romney, der sich jetzt im Wahlkampf ständig selbst für seine Wirtschaftskompetenz rühmt.

Zwar hatte sich Santorum ebenfalls gegen den bailout ausgesprochen, doch der kann immerhin behaupten, er habe auch die Rettung der Wall-Street-Banken abgelehnt. Neben Gewerkschaftlern sind auch Spitzenmanager wie Bob Lutz, einst Vizechef von GM, noch immer wütend auf Romney. "Wir Vertreter der Autoindustrie waren alle von ihm enttäuscht", sagte Lutz der New York Times und wirft Romney vor, er habe mit seinem Artikel nur Punkte bei rechten Kommentatoren wie Rush Limbaugh oder Glenn Beck sammeln wollen. Die Prognose Romneys, im Falle eines Bailouts sei der Niedergang der Autoindustrie unvermeidlich, ist jedenfalls nicht eingetreten: Heute machen die Big Three, Ford, GM und Chrysler, wieder Gewinne.

So wirken die Hinweise Mitt Romneys, er sei ebenso wie sein Vater ein "car guy", dem der Erfolg der Autoindustrie sehr am Herzen liege, bislang eher hilflos und zeigen kaum Wirkung. Vielmehr scheint es so, als sei der Hinweis auf seinen Vater eher kontraproduktiv. In einem vielbeachteten Essay für die Washington Post nutzten die renommierten Politikwissenschaftler Jacob Hacker und Paul Pierson die Biographie von George Romney, um all die Mängel aufzuzeigen, die Sohn Mitt in ihren Augen aufweist. Ihr Text trägt die Überschrift "Amerika braucht Romney. George Romney".

Doch nicht nur darum geht es Hacker und Pierson: Die unterschiedlichen Charaktere und Strategien von Vater und Sohn Romney verdeutlichten darüber hinaus auch, wie stark sich Amerika verändert habe. Dies beginne mit ihrem Wohlstand, der typisch für die jeweilige Generationen sei: George Romney war erfolgreicher Manager in der Autoindustrie und verzichtete schon mal auf eine dicke Bonuszahlung, Mitt brachte es bei Bain Capital zum Multimillionär.

Während George ohne College-Abschluss Gouverneur und Präsidentschaftskandidat wurde, kann Mitt Jura- und BWL-Abschlüsse der Elite-Universität Harvard vorweisen. Beim Einstieg in die Investmentbranche half der gute Name. "Wenn ich Mitt sah, sah ich immer auch George Romney", erinnert sich Bill Bain, der den Mormonen mit der Leitung des Finanzablegers seiner Unternehmensberatung betraute - und ihm zusicherte, ihn im Falle des Scheiterns zu den gleichen Bezügen wieder einzustellen. Etwas zu riskieren, das ist Mitt Romneys Sache nicht.

Viele inhaltliche Anliegen des Vaters sind Mitt, der sich als Teenager im Wahlkampf für das Familienoberhaupt engagierte, heute unvorstellbar: Für George Romney war es Aufgabe der Regierung, für breiten Wohlstand in der Gesellschaft zu sorgen. Er schloss Kompromisse mit Republikanern sowie Demokraten und führte in Michigan einen Mindestlohn sowie eine Einkommenssteuer ein, investierte viel in Bildung und entwickelte umfangreiche Programme für Arme und Arbeitslose. Sein Sohn sorgt dagegen 2012 mit der unbedachten Äußerung für Schlagzeilen, er sorge sich wegen des Sicherheitsnetzes nicht um die Armen - und mit seinem Mini-Steuersatz von 14 Prozent.

Als George Romney 1968 das Weiße Haus erobern wollte, veröffentlichte er seine Steuerunterlagen aus den vergangenen zwölf Jahren, damit jeder sehen könne, wie viele er verdient habe - und dass er nicht trickse. Bei Sohn Mitt dauerte es Wochen, bis er seine Daten freigab. Auch in The Real Romney, der bisher umfassendsten Biographie über den Favoriten des Partei-Establishments, beschreiben Michael Kranish und Scott Helman vom Boston Globe George Romney als unabhängigen Denker, der "eher ein Idealist als ein Pragmatiker" war.

Eine kritische Äußerung in einem TV-Interview über den Vietnamkrieg zerstörte alle Hoffnungen für George Romney, sich gegen Nixon durchzusetzen - und doch stand er fest zu seiner Überzeugung. Als Minister setzte er sich für sozialen Wohnungsbau ein und warnte vergeblich vor den Folgen für die Gesellschaft, wenn in einem Stadtviertel nur noch Leute der gleichen Rasse und des gleichen Einkommens wohnen würden. Und in einer Zeit, in der Sohn Mitt es allen recht machen will und deswegen seine Überzeugungen ständig wechselt, sticht ein Satz aus George Romneys Rücktrittsschreiben an Nixon aus dem Jahr 1972 ganz besonders heraus: "Die Politiker können das Land nicht mehr richtig führen, weil sie viel zu sehr darauf fixiert sind, Wahlen zu gewinnen."

Es wäre doch nicht zu viel verlangt ...

Der Artikel von Hacker und Pierson aus der Washington Post wird in Michigan wenige Republikaner in ihrer Meinung beeinflussen - wahrscheinlich haben die allermeisten ihn gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Für sie spielen Mitt Romneys Glaubwürdigkeit in der Abtreibungsfrage, seine Aussagen zur Autoindustrie oder sein Auftreten in der TV-Debatte sicher eine größere Rolle. Doch bei den Wechselwählern sowie unter Journalisten und Experten verstärkt sich der Eindruck, dass es der 64-Jährige in diesem Leben wohl nicht mehr schaffen wird, die Herzen der Anhänger der Grand Old Party zu erobern.

Und im aktuellen Kandidatenrennen der Republikaner ist dem traurigen Fazit der beiden Professoren vollauf zuzustimmen. Es wäre doch nicht zu viel verlangt, so ihre rhetorische Frage, sich einen republikanischen Bewerber für das höchste Amt im Staat zu wünschen, der auf Kompromisse setzt und bereit ist, in öffentliche Bildung zu investieren, Arbeitern und Angestellten eine Stimme zu geben und der versucht, individuellen Reichtum mit gesellschaftlichem Wohlstand zu vereinbaren.

Allerdings spreche Mitt Romneys bisherige Karriere in der Privatwirtschaft und in der Politik dafür, dass er dem Vorbild seines Vaters nicht folgen werde. Stattdessen wird er wohl alles daran setzen, seine Konkurrenten weniger mit Argumenten als mit Negativwerbung und den üblichen schmutzigen Tricks auszustechen.

Linktipp: Der Artikel, in dem die Politologen Jacob Hacker und Paul Pierson begründeten, weshalb George Romney ein besserer Präsident für das heutige Amerika wäre als sein Mitt, erschien vor kurzem in der Washington Post.

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