Die Amerikaner lieben Abkürzungen. Seit drei Jahren steht das Kürzel "ABO" unter Republikanern hoch im Kurs: Anyone But Obama - egal wer, Hauptsache nicht Obama. Zuletzt drehte sich bei den Konservativen allerdings ebensoviel um "ABR": Anyone But Romney. Über Monate hinweg konnte der frühere Gouverneur von Massachusetts beobachten, wie Bewerber, unter ihnen Michele Bachmann, Herman Cain und Rick Perry, zum Höhenflug ansetzten und kläglich scheiterten. Mitt Romney blieb der Favorit - ungeliebt und ungefährdet zugleich.
Die ersten beiden Vorwahlen in Iowa und New Hampshire liefen gut für den Multimillionär. Und noch vor einer Woche lag er auch in South Carolina weit vorn. Doch in den vergangenen Tagen wendete sich das Blatt. Das eindeutige Ergebnis der Primary zeigt: Der ABR heißt Newt Gingrich.
Der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses gewann mit 13 Punkten Vorsprung auf Romney, weil er die beiden TV-Debatten genutzt hatte, um sich als die konservative Alternative zu US-Präsident Barack Obama zu profilieren, Romney wegen seiner Vergangenheit als Finanzinvestor zu attackieren und auch vor rassistischen Untertönen nicht zurückschreckte.
Mit einem starken rhetorischen Konter in der CNN-Diskussion und harscher Medienschelte, mit dem er die Aussagen seiner Ex-Ehefrau über Untreue zurückwies, hat der 68-Jährige viele Wähler in South Carolina überzeugt: Die Mehrheit der evangelikalen Christen stimmte für Gingrich, der bereits zum dritten Mal verheiratet ist - und nicht etwa für Rick Santorum, den eigentlichen Liebling der Evangelikalen.
Schock für Romney
Die Analyse des Ergebnisses von South Carolina ist ein Schock für Romney und seine Strategen: Etwa die Hälfte der Wähler war bis zuletzt unentschlossen - und die meisten votierten dann für Gingrich. Dieser war nicht nur der beliebteste Kandidat unter den Tea-Party-Anhängern, sondern erhielt auch die meisten Stimmen der Wählerinnen - trotz seiner Frauengeschichten. Zugleich gaben viele an, dass sie Gingrich nicht nur für den besseren Konservativen halten - sie trauen ihm auch eher als Romney zu, Obama am 6. November zu besiegen. Damit wackelt das wichtigste Argument des Romney-Lagers.
Gingrich, den viele nach dem schleppenden Beginn seiner Kampagne und dem enttäuschenden Abschneiden in Iowa schon abgeschrieben hatten, reist nun mit breiter Brust nach Florida, wo am 31. Januar die nächste Primary stattfindet. Auf vielen Kundgebungen im Sunshine State sowie bei zwei Fernsehdebatten wird der 68-Jährige versuchen, Romneys Vorsprung aufzuholen: Dieser verfügt über eine prall gefüllte Kasse, wird von vielen lokalen Amtsträgern unterstützt und hat schon viele Wähler dazu gebracht, vorab für ihn zu stimmen.