Vorträge von Stasi-Generälen:"Die verbreiten doch nur Geschichtsklitterung"

Zeitzeugen oder Unbelehrbare? Der Auftritt früherer Stasi-Generäle auf einer Historikertagung am kommenden Wochende sorgt für Ärger. Verhöhnung von Stasi-Opfern ist nur einer der Vorwürfe.

Annette Ramelsberger

Der junge Herr Professor aus Dänemark war nicht empört. Eigentlich nur verwundert. "Befremdet", sagt er. Mit so viel Emotionen hatte er nun doch nicht gerechnet, und das fast 18 Jahre nach dem Fall der Mauer.

Vorträge von Stasi-Generälen: Stasi-Unterlagen in Berlin: Die Birthler-Behörde will nicht an der Tagung teilnehmen - "Man adelt Leute zu Zeitzeugen, die nichts gelernt haben. Die verbreiten doch nur Geschichtsklitterung"

Stasi-Unterlagen in Berlin: Die Birthler-Behörde will nicht an der Tagung teilnehmen - "Man adelt Leute zu Zeitzeugen, die nichts gelernt haben. Die verbreiten doch nur Geschichtsklitterung"

(Foto: Foto: ddp)

Als Thomas Wegener Friis, Professor an der Süddänischen Universität in Odense, im Frühsommer eine Tagung über die Spione der DDR abhalten wollte, da hielt er das für wissenschaftliche Arbeit. Für mehr nicht. Dass sein Ansinnen einen Sturm der Entrüstung auslösen sollte, dass er in Deutschland geziehen wurde, sich von alten Stasi-Spionen instrumentalisieren zu lassen, daran hatte er im Traum nicht gedacht.

Er wollte ehemalige Stasi-Generäle sprechen lassen, "Unbelehrbare", wie sie oft genannt werden - öffentlich, unaufgeregt, mit sachlichen Fragen. Am Ende wurde ihm sogar vorgeworfen, die Stasi-Opfer zu verhöhnen. Denn die Tagung sollte am 16. und 17. Juni stattfinden, ausgerechnet an dem Wochenende, an dem der Opfer des Aufstands in der DDR von 1953 erinnert wurde.

Die Tagung platzte. Die Birthler-Behörde sagte die Teilnahme ab, Opferverbände kritisierten den Termin, am Schluss wurde den Dänen ein Konferenzsaal verweigert. Nun wagen sie es noch einmal.

Wegener Friis ist 32 Jahre alt, Professor am Zentrum für Studien des Kalten Krieges und Experte für Geheimdienste. Er hat den Kalten Krieg nicht mehr wirklich miterlebt, umso mehr will er ihn erforschen. Möglicherweise hat diese persönliche Unbefangenheit ermöglicht, was vielen deutschen Historikern nicht gelungen ist: Die Verantwortlichen der ehemaligen DDR zum Reden zu bringen, jene Leute, die hinter dem Kanzlerspion Günther Guillaume oder der BND-Agentin Gabriele Gast standen: die Auftraggeber, die Strategen.

Im zweiten Teil: Warum die Birthler-Behörde die Teilnahme abgesagt hat

"Die verbreiten doch nur Geschichtsklitterung"

"Diese Leute sind schon aus Berufsgründen eher schweigsam", sagt Wegener Friis. Doch dann wollten sie alle reden, sie, die bisher nie in die Öffentlichkeit getreten sind: Ralf-Peter Devaux zum Beispiel, der stellvertretende Leiter der Hauptabteilung Aufklärung, der für das Ausspionieren von Kanzlern und Ministern in Bonn verantwortlich war. Oder Kurt Gailat, der dafür zuständig war, dass die DDR-Führung jederzeit wusste, was in Union, SPD, FDP und bei den Grünen im Gange war. Oder Karl Rehbaum, der Leiter der Militärspionage der DDR.

Sie alle reisen am Wochenende nach Odense, wo die Konferenz nun doch noch stattfinden soll. Auch Gabriele Gast will sprechen, über "Die Infiltration des BND". Sie, die Kundschafterin der DDR, war dort Expertin für die Sowjetunion gewesen.

Die Birthler-Behörde steht noch immer zu ihrer Kritik aus dem Sommer. "Die alten Stasi-Generäle haben keinerlei Reflexion dessen, was sie getan haben. Denen geht es nur um Reinwaschung und ums Abstreiten von Verantwortung", sagt Birthler-Sprecher Andreas Schulze. "Man adelt Leute zu Zeitzeugen, die nichts gelernt haben. Die verbreiten doch nur Geschichtsklitterung." Die Birthler-Behörde will lediglich "einen Beobachter" schicken.

"Die moralische Wertung überlasse ich den Lesern unserer Studien", hält Wegener Friis dagegen. Er will von den alten Generälen nicht Rechtfertigungs-Plattitüden, sondern Fakten über die Alltagsarbeit der Spione hören. Sie sollen preisgeben, wie sie ihre Agenten führten, wie sie an Informationen kamen, wen sie warum auf wen ansetzten. "Natürlich geht es um Menschen", sagt Wegener Friis. "Das kann man nicht steril angehen. Aber es muss auch nicht wutschnaubend sein."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: