Süddeutsche Zeitung

Vorstoß von Volker Kauder:Muslime und Polizei kritisieren die Forderung nach Moscheen-Kontrolle als Populismus

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Unionsfraktions-Chef Kauder will Moscheen überwachen. Eine Scheindebatte, sagt Gökay Sofuoglu von der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Denn der Staat tue das längst.

Von Markus Mayr und Hanna Spanhel

Unionsfraktions-Chef Volker Kauder (CDU) hat eine neue Debatte über muslimisches Leben in Deutschland losgetreten. Der Staat müsse überwachen, was in Moscheen passiert, sagte er in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Denn in einigen Moscheen würden Predigten gehalten, "die mit unserem Staatsverständnis nicht im Einklang stehen". Hier sei der Staat gefordert. "Er muss das kontrollieren", sagte Kauder.

Wie geht der Staat bisher mit Islamismus in deutschen Moscheen um? Was bringt Kauders Vorstoß? Und wie reagieren Muslime in Deutschland darauf? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Debatte:

Wie reagiert der Staat bislang auf islamistische Prediger?

Auf Grundlage geltenden Rechts. Wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mitteilt, gehen die Sicherheitsbehörden auch bisher schon gegen Moscheevereine und Gruppen vor, die eine extremistische Auslegung des Islam verbreiten. Zuständig sind dafür die Verfassungsschützer und Polizisten der Länder.

Sebastian Fiedler, stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sagt: "Der Verfassungsschutz hat die Augen und Ohren auf." Es sei daher "völlig unklar", was Kauder mit seiner Forderung meine - und wie eine weitergehende Kontrolle aussehen solle. "Alles, was wir im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen tun können, tun wir schon", sagt Fiedler. "Ich halte die Forderung für blanken Populismus."

Was ist die rechtliche Grundlage im Umgang mit Moscheen?

Gemäß Artikel 4 Grundgesetz ist jeder Mensch in seinem Glauben frei und darf seine Religion ungestört ausüben, auch in einer Vereinigung wie etwa einem Moscheeverein. Diese Freiheit entbindet die Menschen jedoch nicht von der Treue zur Verfassung. Vereinigungen, die in ihrem Zweck oder ihrem Handeln den Strafgesetzen zuwider laufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, dürfen nach Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz verboten werden.

Sind in der Vergangenheit bereits Moscheevereine verboten worden?

Ja. Dem Bundesinnenministerium zufolge sind in Deutschland bislang drei Moscheevereine verboten worden. Alle drei Vereine seien dem salafistischen Spektrum zuzuordnen gewesen. In Stuttgart gab es im vergangenen Jahr einen solchen Fall - der betroffene Verein habe den sogenannten Islamischen Staat unterstützt.

Beobachtet der Verfassungsschutz derzeit Moscheen?

"Es gibt eine Anzahl von Moscheen, die bereits jetzt von den Verfassungsschutzbehörden überwacht werden", sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Freitag. Dabei gehe es darum, zu prüfen, "ob dort Hasspredigen stattfinden oder nicht".

Vom Berliner Verfassungsschutz heißt es, man habe solche Moscheen im Blick, bei denen es Hinweise auf extremistische Bestrebungen gebe. In Berlin seien das derzeit vier Moscheen in den Stadtteilen Neukölln, Wedding, Tempelhof und Moabit. "Zum Teil fanden in diesen Moscheen salafistische Islamseminare statt oder sie gelten als Treffort für Salafisten", sagt eine Sprecherin des Landesamtes. Auch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet "alle extremistischen Moscheenvereine, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen", wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilt.

Geht von Moscheen prinzipiell eine Gefahr aus?

Nein. Dem Innenministerium zufolge arbeiten die Moscheevereine in Deutschland grundsätzlich mit den Bundesländern zusammen, um extremistischen Haltungen vorzubeugen.

Was halten die Trägervereine der Moscheen und muslimische Verbände von Kauders Idee?

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland Gökay Sofuoglu hält den Vorstoß für "populistisch". Mit der Forderung stelle Kauder "wieder alle Muslime unter Generalverdacht". Er gehe davon aus, dass Moscheen auch bisher kontrolliert würden, sagt Sofuoglu der Süddeutschen Zeitung - schließlich habe es in der Vergangenheit bereits Schließungen gegeben. "Wenn der Staat die Problemfälle nicht schon jetzt beobachtet, wäre das eine traurige Offenbarung von Kauder", sagt Sofuoğlu.

Der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Regligion (Ditib), Bekir Alboga, warnt ebenfalls vor einem Generalverdacht gegen Muslime. Die Unterstellung, Moscheen oder Geistliche wären eine flächendeckende Gefahr, sei "abwegig", sagte Alboga der Mitteldeutschen Zeitung. Kauders Forderung verstoße gegen die Verfassung, ebenso wie jene nach einer Deutschpflicht in Moscheen.

Was sagen die Regierung und Kauders Parlamentskollegen zu der Idee?

Aus Kreisen der Union erhielt Kauder Zustimmung. "Das halte ich für sinnvoll", kommentierte CSU-Chef Horst Seehofer die Idee. Das Bundesinnenministerium sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. Es gebe bereits hinreichende gesetzliche Grundlagen, sagte ein Sprecher des Ministeriums, dem auch der Verfassungsschutz unterstellt ist. "Religiös motiviertes Verhalten muss sich immer im Rahmen der Rechtsordnung bewegen."

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