Süddeutsche Zeitung

Vorstoß in der Union:CSU und Sachsen-CDU preisen "Heimat und Patriotismus" als "Kraftquelle"

  • Vertreter von Sachsen-CDU und CSU stellen einen "Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur" vor.
  • Das Papier ist der Versuch, das Thema Patriotismus nicht der AfD zu überlassen.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bald auch Merkels Unterschrift unter dem Papier findet, dürfte ziemlich klein sein.

Von Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel wird gerne vorgeworfen, die Union sozialdemokratisiert zu haben. Am Freitag konnte man jedoch erleben, dass ihr das zumindest noch nicht vollständig gelungen ist: Für elf Uhr hatten Vertreter der Sachsen-CDU und der CSU ins Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags geladen - und was sie dort präsentierten, das passte so gar nicht zum Bild einer nach links gerückten Union.

Die Herren, Frauen waren keine zugegen, stellten einen "Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur" vor. Drei Seiten ist das Papier lang. Nach dem Wunsch der Autoren soll es der Auftakt für eine neue Leitkultur-Debatte in Deutschland sein. Verfasst haben es Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), der Generalsekretär der Sachsen-CDU, Michael Kretschmer, Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU), der Chef der CSU-Grundsatzkommission, Markus Blume, sowie der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Reinhold Bocklet (CSU). Ihr Ziel ist es, den "Markenkern von CDU und CSU zu schärfen", um wieder "das ganze Spektrum Mitte rechts abzudecken".

Die Autoren preisen "Heimat und Patriotismus" als "Kraftquelle" der Gesellschaft. Der Landesvorstand der Sachsen-CDU hat das Papier bereits beschlossen, der CSU-Vorstand dürfte auch nichts dagegen haben. Merkel wird dagegen über so manche Passsage nicht sonderlich froh sein. Die Autoren haben gar nicht erst versucht, die CDU-Vorsitzende einzubinden.

Eigentlich hat die Sachsen-CDU derzeit drängendere Probleme als eine neue Leitkultur-Debatte - die sächsische Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla steht gerade wegen ihres Umvolkungs-Tweets in der Kritik. Und Kudlas Kollegin Veronika Bellmann hat mit der Bemerkung, die CDU dürfe Koalitionen mit der AfD nicht ausschließen, für erheblichen Unmut gesorgt. Kretschmer, Singhammer und ihre Kollegen verurteilen zwar das Verhalten der beiden Frauen. Der Erfolg der AfD treibt sie allerdings viel mehr um. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ist die CDU hinter die AfD zurückgefallen. In der jüngsten Umfrage für Brandenburg liegen die Christdemokraten ebenfalls hinter den Rechtspopulisten.

Das Papier sei eine Reaktion auf die Ängste vieler Menschen und "das Bemühen, den gesellschaftlichen Abstiegsängsten und kulturellen Verlustängsten etwas entgegen zu stellen", sagt Blume. Man wolle im "bürgerlich-konservativen Lager einen Alleinvertretungsanspruch". Singhammer redet vom "werthaltigen Patriotismus", den man nicht "den Falschen überlassen" sollte. Er spricht es nicht aus, aber er meint die AfD.

Zur Leitkultur gehöre nicht nur die freiheitlich-demokratische Grundordnung, heißt es in dem Papier. "Zu ihr gehören auch Übereinkünfte, die von der Regelung des Alltagslebens bis zur Ausgestaltung der Rolle Deutschlands in Europa und der Welt reichen." Dazu zählten etwa ein "abendländisches Wertefundament", der "selbstverständliche Gebrauch" der deutschen Sprache und "Stolz auf unsere Nation". Der Aufruf schließt mit den Worten: "Mögen sich viele uns dabei anschließen". Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bald auch Merkels Unterschrift unter dem Papier findet, dürfte trotzdem ziemlich klein sein.

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SZ vom 01.10.2016/anri
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