Vorstoß der Glaubenskongregation:Papst umwirbt Anglikaner

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Der Vatikan will Kritikern des Frauen-Priestertums den Übertritt in die katholische Kirche erleichtern. Zu besonderen Konditionen: Übergetretene anglikanische Geistlichen dürfen verheiratet sein.

Matthias Drobinski

Erstmals seit der Reformation vor etwa 500 Jahren bietet der Vatikan Christen einer Kirche dieser Reformation die gemeinschaftliche Rückkehr an - zu besonderen Bedingungen. Kardinal William Levada, der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, kündigte nun ein Dokument an, das den Übertritt anglikanischer Christen zur katholischen Kirche erleichtern soll.

Für sie soll es eigene Personalbistümer geben, vergleichbar mit den landesweiten Militärbistümern. Die mit Rom vereinten Gemeinden sollen von übergetretenen anglikanischen Geistlichen geleitet werden, die nach wie vor verheiratet sein können. Der Heilige Stuhl reagiert damit auf die gewachsene Zahl von Anglikanern, die aufgrund der Streitigkeiten in ihrer Kirche zum Katholizismus übertreten.

Levada erklärte, in der geplanten Form könnten anglikanische Priester und Laien ihre Liturgie und ihr geistiges Erbe behalten, zugleich aber in die sichtbare Gemeinschaft mit der katholischen Kirche eintreten. Die Trennung zwischen übergetretenen Anglikanern und römisch-katholischen Christen müsse gewahrt bleiben; Katholiken seien nach wie vor "nicht eingeladen", an Gottesdiensten der anglikanischen Tradition teilzunehmen. Verheiratete katholische Priester könnten nicht in den Gemeinden eingesetzt werden. Bischöfe der neuen Gemeinschaft müssten unverheiratet sein, Frauen dürften nicht Priester werden. Auf die Zölibatspflicht für katholische Priester habe dies keinen Einfluss, betonte Kardinal Levada.

Der Vorstoß der Glaubenskongregation erfolgte offenbar in Absprache mit der anglikanischen Kirche. Der Primas von England, Erzbischof Rowen Williams von Canterbury, nannte in einer gemeinsamen Erklärung mit dem katholischen Erzbischof von Westminster, Vincent Gerard Nichols, den Vorgang eine "notwendige Klärung", der eine "Zeit der Ungewissheit beende". Die anglikanische Kirche, die weltweit mehr als 70 Millionen Gläubige zählt, ist gespalten über der Frage der Frauenordination und der Bewertung von Homosexualität. Seit den 90er Jahren treten Gläubige, die ihre Kirche für zu liberal halten, verstärkt zur katholischen Kirche über, unter ihnen zahlreiche Geistliche. Wie viele Anglikaner auf das Angebot aus dem Vatikan eingehen werden, ist umstritten: Eine Sprecherin der Anglikaner in London sagte, sie rechne mit nur wenigen Übertritten; englische Zeitungen sprechen von bis zu einer halben Million Konvertiten.

Levada nannte das Angebot des Vatikans ein "Zeichen der Ökumene", auch im Hinblick auf den Papstbesuch in Großbritannien im kommenden Jahr. Ein Ökumene-Hindernis seien allenfalls jene Christen, die um aktueller Strömungen willen die apostolische Tradition verlassen hätten. Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, hatte allerdings noch kürzlich vor einem "Fischen in anglikanischen Gewässern" gewarnt. Die evangelische Kirche in Deutschland wollte zu dem Vorgang keine Stellung nehmen. Er habe "keine Auswirkungen" auf den Dialog der Konfessionen, sagte Reinhard Mawick, der Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dass Katholiken und Protestanten unterschiedliche Vorstellungen von der Ökumene hätten, sei "bekannt".

© SZ vom 22. Oktober 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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