Süddeutsche Zeitung

Vorschlag zur Reichensteuer:Linke taumelt Richtung Bedeutungslosigkeit

Es klingt absurd: Die Linke will Einkommen deckeln - was über 500.000 Euro hinausgeht, soll der Staat einbehalten. Reichensteuern sind okay, aber diese Forderung kommt einer Enteignung gleich. Daran zeigt sich, wie groß die Not der Immer-dagegen-Partei ist.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Spannend an der Linken ist im Moment, den führenden Köpfen bei der gründlichen Demontage ihrer Partei zuzusehen. Jetzt kommen sie mit einem neuen Vorschlag, der diesen Eindruck bestätigt: Im Entwurf für das Bundestagswahlprogramm fordern sie, niemand im Land solle mehr als 500.000 Euro pro Jahr verdienen. Was darüber hinausgeht, zieht der Staat ein.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Staat darf Steuern erheben, er muss das tun, um Schulen, Straßen, Sozialleistungen zu finanzieren. Er muss dafür Geld umverteilen. Die Starken zahlen mehr als die Schwachen. Das ist richtig und gerecht. Die Forderung nach einer Reichensteuer etwa ist legitim. Völlig okay ist es auch, von Superreichen zu fordern, dass sie 75 Prozent ihres Einkommens an den Staat abführen sollen. Zumindest lässt sich darüber noch trefflich streiten.

Aber fast 100 Prozent? Sorry, liebe Linke, das ist absurd. Selbst derjenige, der sich noch so benachteiligt fühlt von der Gesellschaft, wird merken, dass das nicht funktionieren kann. Denn eine solche Forderung kommt einer Enteignung gleich.

Ja, es gibt unverschämt hohe Einkommen. Es ist zweifelhaft, ob ein einzelner Mensch Millionen von Euro verdienen muss. Unzweifelhaft ist hingegen, dass er es nach geltendem Recht darf. Alles andere wäre verfassungswidrig.

Selbst die FDP hat mehr zu bieten

Wer an überzogenen Einkommen etwas ändern will, der muss Strukturen ändern, die zu solchen Einkommen führen. In Banken verdienen manche Broker mehr als ihre Chefs, weil sie erfolgreich ethisch bedenkliche Geschäfte machen dürfen. Die bringen den Banken Milliardengewinne. Entsprechend fallen die Tantiemen für diese Mitarbeiter aus. Das ändert sich nur, wenn diese Geschäfte unterbunden werden.

Die Absurdität des Vorschlages zeigt vor allem, wie groß die Not der Linken ist. Im Bundestag ist sie zu einer Immer-nein-Partei verkommen. Konstruktive Mitarbeit traut ihr niemand mehr zu. Da hat selbst die FDP mehr zu bieten.

Die Linke hat sich eingemauert hinter unerfüllbaren Versprechen. Sie hat den Menschen suggeriert, wenn sie die Linke wählen, dann wird Hartz IV abgeschafft und auch die Rente mit 67. Und zwar am besten sofort. Das ist aber nicht passiert. All das, wogegen die Linke angetreten ist, gibt es noch. Ihre Radikalopposition hatte keinen Effekt. Damit haben sie ihre Wähler enttäuscht.

Im Westen ist die Linke nach den vergangenen Landtagswahlen praktisch marginalisiert. Bis auf Hessen und im Saarland ist sie dort in keinem Flächenland mehr vertreten. Im Osten verliert sie stetig. Die Personalquerelen um die früheren Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst haben die Partei aussehen lassen wie einen Haufen gackernder Hühner. Immerhin: Damit konnte die Linke immerhin noch Aufmerksamkeit produzieren. Die beiden neuen Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger schaffen nicht mal das.

Ein Wahlrecht wie eine Hängematte

Und so taumelt die Partei mit Nonsens-Vorschlägen und vor allem unklarer Führung in den Bundestagswahlkampf. Zum acht-, ja achtköpfigen Spitzenteam der Linken für die Bundestagwahl gehören zwar Vierte-Reihe-Politikerinnen wie Diana Golze oder Nicole Gohlke. Nicht aber die Parteichefs Riexinger und Kipping. Auch da war der interne Proporz Ost/West, Frau/Mann, Reformer/Altlinke wichtiger als eine gute Außenwirkung. Das alles macht die Linke nur noch bedingt politikfähig.

Dennoch muss sie kaum um den Wiedereinzug in den Bundestag fürchten. Selbst wenn es mit der Fünf-Prozent-Hürde nicht klappt, reichen ihr drei Direktmandate, um im Plenum vertreten zu sein. Das ist zu schaffen. Das Wahlrecht funktioniert da wie eine komfortabel ausgestattete soziale Hängematte, in die sich die Linken gerne legen werden.

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