Vorratsdatenspeicherung:Kürzere Fristen, erschwerter Zugriff

Seit Monaten streiten Union und FDP über eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung. Innenminister de Maizière bietet nun einen Kompromiss an.

Nico Fried

Das Bundesjustizministerium hat zurückhaltend auf Vorschläge von Innenminister Thomas de Maizière für einen Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung reagiert. Der CDU-Politiker hatte in einem Interview gesagt, ihm sei daran gelegen, "fast zehn Monate nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts endlich zu einer Lösung zu kommen". De Maizière signalisierte Entgegenkommen bei der Mindestspeicherfrist für Daten aus Telefon- und Internetverbindungen, beim Umfang der gespeicherten Daten sowie bei möglichen Zugriffshürden für die Strafverfolger.

Vorratsdatenspeicherung: Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung: "Tiefe Einblicke in das soziale Umfeld" sollen in Zukunft nicht mehr möglich sein.

Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung: "Tiefe Einblicke in das soziale Umfeld" sollen in Zukunft nicht mehr möglich sein.

(Foto: AP)

Ein Sprecher von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, man habe den Bericht zur Kenntnis genommen, gebe aber keine juristische Bewertung aufgrund eines Zeitungsartikels ab. Er rechne damit, dass das Innenministerium seine Vorschläge nun auch dem Justizministerium direkt zukommen lassen werde. Der Sprecher verwies darauf, dass die Justizministerin bislang Grundzüge einer Neuregelung vorgelegt habe, wonach es künftig keine anlasslose Speicherung von Daten geben werde. Stattdessen wolle sie, dass bei einem Verdacht gezielt auf bestimmte Daten zugegriffen werden könne. Die Details würden "demnächst" folgen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im März das von der schwarz-roten Koalition beschlossene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für grundgesetzwidrig erklärt. Die Richter nannten in ihrer Entscheidung die anlasslose Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate einen "besonders schweren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis" mit einer "Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt".

Anhand der Daten seien "tiefe Einblicke in das soziale Umfeld" möglich. Zugleich räumten die Richter ein, dass diese Art von Daten "für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung" sein könnten. Selbst eine Vorratsdatenspeicherung für sechs Monate sei daher unter strengen Voraussetzungen möglich. Union und FDP streiten seit Monaten über eine Neuregelung.

De Maizière sagte nun der Neuen Osnabrücker Zeitung, er halte es für denkbar, die von der Europäischen Union vorgeschriebene Mindestspeicherfrist von sechs Monaten für Telefon-, Handy- und Internetverkehrsdaten in Deutschland gestaffelt nach Nutzungsarten zu gestalten, wenn die EU-Kommission dem zustimme. Zudem könne man "über die Zugriffsrechte der Strafverfolger auf die Verkehrsdaten sprechen", sagte de Maizière, und einen Abruf sämtlicher bei den Providern gespeicherten Verbindungsdaten nur bei "schwerer Kriminalität" zulassen.

Weiter könne er sich vorstellen, im Bereich der Strafverfolgung "auf die Speicherung oder den Abruf von Standortdaten zu verzichten, die beim Telefonieren mit dem Handy anfallen", sagte de Maizière weiter. Am wichtigsten sei die Möglichkeit, auch rückwirkend an die Bestandsdaten über die IP-Adressen, also die Internet-Namen der Nutzer, zu gelangen. Dies sei grundrechtlich am wenigsten problematisch. "Und darum geht es auch bei 80 Prozent der Anfragen der Sicherheitsbehörden an die Telefon- und Internetanbieter", sagte der CDU-Politiker.

De Maizière bekräftigte, dass er den von der Justizministerin ins Spiel gebrachten Ansatz eines schnellen Einfrierens von Verbindungsdaten (Quick Freeze) für unrealistisch hält. Bei Quick Freeze werden Daten, die von den Telekommunikationsfirmen ohnehin für eigene Zwecke erfasst werden, beim Aufkommen eines Verdachts vorübergehend gesichert und den Fahndern bei Bedarf zur Verfügung gestellt, wenn ein richterlicher Beschluss dazu vorliegt. "Auf Anordnung der Strafverfolger lassen sich nur jene Daten einfrieren, die zu diesem Zeitpunkt nicht bereits gelöscht sind", entgegnete de Maizière. Dieses Verfahren sei deshalb untauglich, da die Anbieter Daten bereits nach wenigen Tagen löschten. Eine solche Regelung "liefe also weitgehend ins Leere", sagte de Maizière.

Der Minister berief sich dabei auf Einschätzungen des deutschen Richterbundes, der Generalstaatsanwälte und der Landesinnenminister sowie der zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström. "Sie alle fordern eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung, weil die gespeicherten Telefon- und Internetverbindungsdaten auf nahezu allen Feldern mittlerer bis schwerer Kriminalität ein wesentlicher, häufig der einzige Ansatz für Ermittlungen sind", sagte de Maizière. Er gehe davon aus, dass die Justizministerin ihre bisherigen Überlegungen "angesichts des überwältigenden Echos der Fachleute" überdenkt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: