Süddeutsche Zeitung

Vormarsch der IS-Terrormiliz:USA prangern mangelnden Kampfeswillen der Iraker an

  • US-Verteidigungsminister Ash Carter wirft den Sicherheitskräften im Irak vor, beim Kampf um die Provinzhauptstadt Ramadi gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu schnell aufgegeben zu haben.
  • Die Luftangriffe der USA verteidigt er als "effektiv". Er sehe keine Notwendigkeit, die Strategie der USA zu ändern.
  • Nach der Einnahme der Wüstenstadt Palmyra in Syrien und der Provinzhauptstadt Ramadi im Irak waren Forderungen nach US-Bodentruppen laut geworden.

Pentagon-Chef über irakische Soldaten: "Einfach kein Wille zum Kampf"

US-Verteidigungsminister Ash Carter hat den Sicherheitskräften im Irak vorgeworfen, beim Fall der Provinzhauptstadt Ramadi der extremistischen IS-Miliz zu wenig entgegengesetzt zu haben. "Die irakischen Streitkräfte haben einfach keinen Willen zum Kampf gezeigt", sagte Carter dem Sender CNN. Sie seien dem Gegner zahlenmäßig weit überlegen gewesen und trotzdem hätten sie sich zurückgezogen.

Er verteidigte die Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten. Diese seien effektiv. "Aber weder sie noch irgendetwas anderes, was wir tun können, kann den Kampfeswillen der Iraker ersetzen. Sie sind diejenigen, die den IS besiegen und dafür sorgen müssen, dass er besiegt bleibt."

Forderungen nach US-Bodentruppen werden laut

Das US-Militär habe keine Änderungen an der bisherigen amerikanischen Strategie empfohlen, betonte Carter. Er reagierte damit auf Forderungen aus Reihen der US-Opposition, auch Bodentruppen in den Irak zu schicken. Wegen der Siegesserie der Terroristen hatte etwa der einflussreiche Senator John McCain dies gefordert.

Iraks Regierungschef zeigt sich "überrascht"

Im britischen Sender BBC erwiderte Iraks Ministerpräsident Haider al-Abadi, dass die Stadt Ramadi "binnen Tagen" vom "Islamischen Staat" zurückerobert werden könne. Im Interview mit dem Sender zeigte er sich "überrascht" von den Äußerungen Carters: Er sei sich sicher, dass der Pentagon-Chef "falsch informiert" worden sei.

Er betonte, dass seine Truppen mit Schock-Strategien des "Islamischen Staats" konfrontiert seien, die Terroristen hätten den Effekt einer "kleinen Atombombe" auf seine Soldaten. Al-Abadi forderte mehr Hilfe von der Internationalen Verbündeten.

Bisher unterstützen die USA den Kampf gegen den IS mit Luftangriffen. Außerdem bilden sie die irakischen Sicherheitskräfte aus und liefern ihnen Material. An der US-Strategie kamen zuletzt zunehmend Zweifel auf, nachdem der IS vor einer Woche erst Ramadi und wenige Tage später in Syrien auch die strategisch wichtige antike Stadt Palmyra eroberte. Die Extremisten, die große Landesteile in den beiden Nachbarstaaten kontrollieren, feierten damit zwei ihrer größten Erfolge.

IS kontrolliert strategisch wichtigen Grenzposten

Am Vortag hatten sich die irakischen Sicherheitskräfte eigenen Angaben zufolge von dem Posten Al-Walid komplett zurückgezogen. Den Übergang Al-Tanf auf der syrischen Seite der Grenze hatte die Sunnitenmiliz bereits vor drei Tagen erobert. Die Kontrolle über die irakisch-syrische Grenze an dieser Stelle ist von enormer strategischer Bedeutung (mehr dazu hier).

Aktivisten melden Hinrichtungen in Palmyra

Aus der Wüstenstadt Palmyra mehren sich die Schreckensberichte: Aktivisten zufolge hätten die Dschihadisten mehr als 200 Menschen hingerichtet, darunter auch Kinder. Ganze Familien seien ermordet worden. Es habe Enthauptungen und Hinrichtungen mit Messern gegeben. Zuvor hatte sich der UN-Sicherheitsrat besorgt über Schicksal von Zivilisten in Palmyra gezeigt.

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