US-Präsident Donald Trump scheint wieder etwas nicht ganz richtig verstanden zu haben. Die vorläufige Entscheidung des Supreme Courts, des Obersten Gerichts der USA, Trumps umstrittenes Einreiseverbot zunächst und teilweise wieder in Kraft zu setzen, reklamierte er an diesem Montag als " klaren Sieg".
Nun, so einfach ist es nicht.
Das höchste Gericht der USA hat den umstrittenen Einreisestopp (auch "Travel Ban" genannt) von US-Präsident Donald Trump eben nicht vollständig wiedereingesetzt, sondern mit einer erheblichen Einschränkung: Demnach darf niemandem ein Visum verweigert werden, der eine "echte Beziehung" zu einer Person oder Institution in den USA nachweisen kann. Das können Verwandte sein oder auch Universitäten. Zudem ist die Entscheidung nur vorläufig - erst im Herbst wird endgültig darüber entschieden.
Schon vor Trumps "Travel Ban" war es für Menschen aus bestimmten Regionen schwer, ohne Bürgen oder ohne erkennbaren Grund in die USA einzureisen. Und diese geforderten Gründe hatten oft etwas mit Verwandten zu tun. Oder mit einer beruflichen Qualifikation.
Daten des US-Außenministeriums zufolge könnten die meisten der 100 000 Menschen, die im vergangenen Jahr aus den sechs vom Einreisestopp betroffenen Staaten legal eingereist sind, auch unter den neuen Vorgaben des Supreme Courts einreisen. " Wir hoffen, dass diese Entscheidung nur eine sehr kleine Gruppe von Menschen betreffen wird", sagt deshalb Becca Heller, Direktorin des International Refugee Assistance Project, einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge.
Erst im Oktober wird es zu Anhörungen in der Sache kommen
90 Tage lang dürfen nun Menschen aus sechs überwiegend muslimischen Ländern nur unter erschwerten Bedingungen einreisen. Zu den Ländern zählen Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen. Zudem soll es einen 120-tägigen Einreisestopp für Flüchtlinge aus allen Ländern geben. Beide Dekrete könnten schon innerhalb der kommenden 72 Stunden wieder in Kraft treten. Trump hatte vergangene Woche eine entsprechende Anordnung erlassen. Solange die Dekrete gültig sind, will die Regierung an besseren Mechanismen zur Überprüfung von Visa-Antragstellern arbeiten.
Erst danach wird das Gericht endgültig über die zweite Version des Trump'schen "Travel Ban" entscheiden. Im Oktober wird es zu Anhörungen in der Sache kommen - wenn diese dann überhaupt noch strittig ist. Denn das 90-Tage-Einreiseverbot dürfte bis dahin ohnehin seine Gültigkeit verloren haben. Und bis zu einem Urteil sehr wahrscheinlich auch das 120-Tage-Einreiseverbot für Flüchtlinge.
Begründet wurden die Fristen damit, dass die Regierung in der Zeit die Einreiseregeln der USA gründlich überprüfen wolle. Der Supreme Court äußerte in seiner Entscheidung die "volle Erwartung", dass die Regierung dies jetzt auch tun werde.
Mit dem Einreiseverbot wollte Trump eines seiner Kernversprechen aus dem Wahlkampf umsetzen. Dort hatte er seinen Anhängern stets einen "Muslim Ban" in Aussicht gestellt. Eine Wortwahl, die ihm später vor Gericht zum Verhängnis wurde.
Das erste Dekret für einen Einreisestopp vom 27. Januar hatte mit sofortiger Gültigkeit alle Einreisen aus den genannten Ländern plus Irak verboten. Unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Inhaber von Greencards oder dauerhaften Visa saßen plötzlich tagelang wegen US-Grenzkontrollen fest. Das Verbot hatte weltweit für Verwirrung und Unverständnis gesorgt. Bis Gerichte es stoppten.
Trump unterschrieb etwa einen Monat später ein entschärftes Verbot. Personen aus dem Irak und mit einem gültigen Aufenthaltsstatus waren davon ausgenommen. Neue Visa und Einreiseerlaubnisse sollten nicht mehr erteilt werden. Auch dieses Verbot hatte vor den Gerichten keinen Bestand.
Mit dem Kompromiss folgt der Supreme Court nun teilweise der Argumentation der untergeordneten Gerichte. Die hatten das Verbot unter anderem damit begründet, dass es US-Familien nicht erlaubt, ihre Verwandten in die USA einzuladen und Universitäten und Unternehmen daran hindert, die besten Studenten beziehungsweise Mitarbeiter der Welt anzulocken. Mit dem Kompromiss wird diesen Sorgen Rechnung getragen.
Noch nicht eingegangen ist das Gericht auf das Argument, das Einreiseverbot sei ein verkappter "Muslim Ban", wie ihn Trump im Wahlkampf versprochen hatte. Die Vorinstanzen hatten explizit auf die öffentlichen Äußerungen Trumps in dieser Hinsicht Bezug genommen. Ein solches Verbot, das eine bestimmte religiöse Gruppe benachteilige, sei eben mit der Verfassung der USA nicht in Einklang zu bringen.
Die Gerichte hatten auch bemängelt, dass die Trump-Regierung keine Bedrohungslage nachweisen konnte, die einen derart tiefgreifenden Schritt rechtfertigen würde. Fragwürdig ist etwa, warum das der Terrorfinanzierung verdächtigte Saudi-Arabien nicht auf der Liste steht, wenn es doch um nationale Sicherheit gehe. Auch dazu wird sich der Supreme Court wohl nicht vor Oktober äußern.
Auch die demokratisch gesinnten Richter haben die Entscheidung unterstützt
Trump hatte seine Wut nach den jeweiligen Verboten regelmäßig auf Twitter artikuliert, sprach nur noch von "sogenannten" Richtern. Das Justizministerium versuchte, die Lage vor Gericht zu beruhigen: Das Dekret sei ja kein "Travel Ban", sondern lediglich eine temporäre Einreisepause.
Trump ficht das nicht an. Nach dem Anschlag auf der London Bridge vor wenigen Wochen wütete er auf Twitter, die zweite Version seines (von ihm unterschriebenen) Einreisestopps sei völlig verwässert. Er forderte ein noch viel härteres Einreiseverbot. "Die Leute, die Anwälte und die Gerichte sollen es nennen wie sie wollen. Ich nenne es, was es ist: einen Travel Ban!", twitterte er. Die Anwälte der Gegenseite bedankten sich danach herzlich bei Trump.
Jetzt haben beide Seiten etwas recht bekommen. Die Entscheidung erging einstimmig, auch die moderat bis demokratisch gesinnten Richter haben sie mitgetragen. Drei Richter der konservativen Seite hätten Trumps Einreiseverbot allerdings am liebsten vollständig bestätigt. Sie beugten sich aber der Mehrheit.
Die Entscheidung dürfte jetzt schnell umgesetzt werden. Trump hatte schon vergangene Woche angekündigt, das Einreiseverbot werde innerhalb von 72 Stunden in Kraft treten, nachdem der Supreme Court das "Go" gegeben habe. Allerdings ist es jetzt gegenüber der zweiten Version eine noch weiter verwässerte.