Vorgezogene Steuerreform:Immer noch zu wenig

Die Union will wegen der Wahl in Nordrhein-Westfalen die Steuerreform vorziehen. Den Liberalen ist das nicht genug. Ministerpräsident Rüttgers sieht Klärungsbedarf.

S. Höll, C. Hulverscheidt, J. Nitschmann

Die FDP ist offen für die Pläne der Union für eine rasche, abgespeckte Steuerreform zum 1. Januar 2011, will aber bis 2014 eine zweite Entlastungsstufe durchsetzen. In Parteikreisen hieß es, zwar würde man sich eine große Reform in einem einzigen Schritt wünschen. "Aber wir müssen uns wohl oder übel mit einer Aufsplittung abfinden. Wir entscheiden in der Koalition nicht allein", hieß es mit Blick auf den Wunsch von CDU und CSU, noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai ein Signal an die Bürger zu senden.

Die darüber hinaus zugesagten Steuererleichterungen müssten aber nachgeholt werden. Auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, die Bundesregierung müsse vor der Wahl eine Richtungsentscheidung treffen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gibt es in der Koalitionsspitze den Plan, wichtige Projekte nicht länger auf die Zeit nach dieser Wahl zu verschieben. Ziel sei es, Geschlossenheit, Zielstrebigkeit und Seriosität zu zeigen und damit den Ärger vieler Bürger über die vermeintliche Untätigkeit von Union und FDP zu mildern. Die NRW-Wahl ist für die Bundesregierung sehr wichtig, weil sie bei einer Niederlage der schwarz-gelben Landesregierung ihre Mehrheit im Bundesrat verlöre.

Nach Angaben aus der FDP und der CSU stammt die Idee einer gesplitteten Steuerreform von Kanzlerin Angela Merkel. CSU-Chef Horst Seehofer sagte bei einem Treffen mit Parteikollegen nach Angaben von Teilnehmern, Merkel wolle dieses Projekt auf den Weg bringen. Wie Teilnehmer sagten, befürwortete die Runde den Vorschlag. Statt einer Entlastung um 19,5 Milliarden Euro, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, steht nun ein Volumen von zunächst fünf bis zehn Milliarden Euro im Raum.

Merkel hatte die Kursänderung am Mittwoch im Bundestag angedeutet. Anders als noch bei ihrer Regierungserklärung im November versprach sie nur kleinere Änderungen zugunsten von Gering- und Durchschnittsverdienern, erwähnte die vereinbarte Einführung eines Stufentarifs aber nicht mehr. Die FDP hingegen beharrt zumindest auf einem Einstieg noch in dieser Wahlperiode und will dafür im April einen Vorschlag erarbeiten.

Wann CDU, CSU und FDP über ihr Vorgehen beraten werden, ist noch offen. Ein Regierungssprecher dementierte, dass das Thema Steuern beim Treffen Merkels mit Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle am Sonntag auf der Tagesordnung steht. Nach SZ-Informationen soll es bei dieser Zusammenkunft unter anderem um die Frage gehen, wie die Finanzmärkte besser reguliert und die deutschen Banken an den Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise beteiligt werden können. Deshalb wird auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an dem Treffen teilnehmen.

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel bot der Bundeskanzlerin Unterstützung für eine abgespeckte Steuerreform an. Voraussetzung sei, dass nur Steuern für kleine und mittlere Unternehmen reduziert und zugleich Sozialabgaben für Klein- und Durchschnittsverdiener gesenkt würden. Wenn die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit bei der NRW-Wahl durch einen Sieg der SPD verlorengehe, würde man sicherlich Wege finden, gemeinsam mit Merkel "richtige steuerpolitische Signale zu setzen" und damit die "steuerpolitische Geisterfahrt" der Liberalen zu stoppen, sagte Gabriel.

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