Es ist in den vergangen 20 Tagen schon vieles passiert, was sich weder die Regierung in Ankara noch die Gegner von Recep Tayyip Erdoğan hätten träumen lassen. Dass ein Politiker der islamisch-konservativen AKP aber jemals auch nur in Erwägung ziehen könnte, nach dem türkischen Militär zu schielen, um das eigene Volk auf den Straßen Istanbuls oder Ankaras in Schranken zu halten, das klingt nun wirklich wie ein schlechter Witz, wäre es nicht so traurig.
Zu den großen Verdiensten Erdoğans in elf Jahren AKP-Alleinregierung gehört die Beschneidung der Macht der Generäle, unter deren Kuratel die türkische Politik so lange stand. Die schmerzvolle Aufarbeitung der diversen Putsche beschäftigt immer noch das Parlament.
Viele der jungen Menschen, die sich im Gezi-Park in Istanbul eine bessere, demokratische Türkei erträumt haben, kennen diese finstersten Zeiten ihres Landes nur aus Erzählungen ihrer Eltern. Dieser Generation will Vizeregierungschef Bülent Arınç mit seiner Drohung, notfalls die Armee zu holen, einen Schauder über den Rücken jagen.
Damit isoliert sich die türkische Regierung immer mehr. Von der Kritik des Europaparlaments an den Polizeieinsätzen will sie nichts hören. Der Europaminister sieht hinter den Protesten ausländische Drahtzieher, Erdoğan macht die internationalen Medien zur Zielscheibe. Die Türkei wollte eine globale Macht sein, nun zieht sie sich in ein Schneckenhaus zurück.