Vorbeugung:Ärger in Sicht

Angeblich will der Bundesinnenminister die ärztliche Schweigepflicht lockern. Die SPD aber auch Mediziner warnen davor.

Von Guido Bohsem

Nach der Anschlagsserie der vergangenen Wochen steht erneut die ärztliche Schweigepflicht zur Debatte, wie schon nach dem Todesflug des lebensmüden Co-Piloten einer Germanwings-Maschine. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wolle, so berichtet es die Bild-Zeitung, an den strengen Vorschriften rütteln. Ärzte sollen künftig genauer wissen, in welchen Fällen sie Behörden über Patienten informieren sollen, die zu einer Bedrohung für andere werden könnten. Einzelheiten will de Maizière erst an diesem Donnerstag nennen. Doch schon jetzt ist klar, dass er mit seinen Forderungen auf heftigen Widerstand in der Ärzteschaft und beim Koalitionspartner stoßen wird. Auch das von seinem Parteifreund Hermann Gröhe (CDU) geführte Gesundheitsministerium äußerte sich sehr zurückhaltend zu dem Vorstoß, was sowohl die Distanz zu der Idee zeigt, als auch die offenbar fehlende Absprache unter den Ressorts.

Die ärztliche Schweigepflicht ist in den Berufsordnungen der Landesärztekammern einheitlich geregelt. Ärzte haben über das zu schweigen, was ihnen von ihren Patienten anvertraut wird oder sie im Rahmen einer Behandlung erfahren. Die ärztliche Schweigepflicht dient dazu, das durch das Strafgesetzbuch geschützte Patientengeheimnis zu bewahren. Sollte ein Arzt dagegen verstoßen, kann das mit Geldstrafen oder sogar Haft geahndet werden.

Es bestehe die Gefahr, dass Kranke nicht mehr zum Arzt gehen

Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Ausnahmen, in denen der Arzt sein Schweigen brechen darf. Dies gilt zum Beispiel, wenn der Patient ausdrücklich eine Erlaubnis erteilt oder wenn diese Erlaubnis vorausgesetzt werden kann - wie etwa bei der Überweisung an einen anderen Arzt. Den Medizinern ist es zudem ausdrücklich erlaubt, die Schweigepflicht zu verletzen, wenn so Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut abgewendet werden kann, etwa wenn das Leben anderer Menschen bedroht ist. So darf der Arzt die Freundin eines Patienten informieren, falls dieser mit dem Aids-Virus infiziert ist, seine Erkrankung aber verschweigen möchte. Auch wenn der Arzt von einem geplanten Amoklauf oder Terroranschlag erfährt, darf er die Behörden darüber unterrichten.

Nach Einschätzung des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach geht der Vorstoß de Maizières nicht nur aufgrund dieser bereits vorhandenen Regelung ins Leere. Er sorge zudem für zusätzliche Gefahren. "Dieser Schlag ins Wasser ist es nicht wert, dass wir eine vernünftige Behandlung von psychisch kranken Menschen gefährden", sagte er. Nur die wenigsten psychisch Kranken neigten zu Aggressionen. "Durch eine löchrige Schweigepflicht besteht die Gefahr, dass viele nicht mehr zum Arzt gehen." Dabei sei eine Behandlung die beste Vorbeugung, um Schaden für die Patienten selbst, aber auch für andere zu verhindern. "Die Umfrageeinbrüche Merkels werden sich durch solche Parolen nicht bremsen lassen", sagte der SPD-Fraktionsvize.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, widersprach heftig. "Die angespannte innenpolitische Sicherheitslage darf nicht zu vorschnellen politischen Maßnahmen verleiten." Nur eine weitgehend uneingeschränkte Schweigepflicht schaffe die Voraussetzungen für das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt.

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