Vor zehn Jahren: Lafontaine und der Rücktritt:Oskars Paukenschlag

Frust oder Blackout? Vor zehn Jahren schmeißt Oskar Lafontaine seine Ämter als SPD-Chef und Finanzminister hin - und arbeitet bald an der Rückkehr zur Macht.

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Oskar Lafontaine Herzog entlassung dpa

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Am 11. März 1999 staunte die Republik: Oskar Lafontaine trat Knall auf Fall von seinen hohen Ämtern zurück - als SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister, auch sein Bundestagsmandat gab er auf. Der Kanzler, Parteifreunde, selbst engste Mitarbeiter fielen aus allen Wolken über diesen Paukenschlag.

Über die Motive für Lafontaines Rücktritt - nicht einmal sechs Monate nach dem strahlenden SPD-Wahlsieg 1998 - besteht auch zehn Jahre später keine endgültige Gewissheit.

Dieses Foto zeigt Lafontaine am 18. März 1999, als der damalige Bundespräsident Roman Herzog ihm seine Entlassungsurkunde überreicht.

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So unvorhersehbar der plötzliche Rücktritt Lafontaines war, so deutlich waren in den Wochen zuvor Lafontaines Dissonanzen mit Gerhard Schröder. Der SPD-Chef und der Kanzler hatten sich entfremdet. Gerhard Schröder gerierte sich als der wirtschaftsfreundliche "Modernisierer", Lafontaine gab den öko-sozialen Umverteiler. Obgleich er Parteivorsitzender Schröders war, musste sich der machtbewusste Saarländer im Kabinett zudem der Richtlinienkompetenz des Kanzlers unterordnen.

Schon Wochen vor seinem Rücktritt sei ihm deshalb klar gewesen, dass es "eine Lösung nur geben konnte, wenn einer von uns beiden seine Ämter aufgab", schrieb Lafontaine in seinen Memoiren. "Das konnte nach Lage der Dinge nur ich sein."

Diese Aufnahme vom späten Februar 1999 zeigt Schröder und Lafontaine im Bundestag - drei Wochen später trat der Finanzminister zurück.

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So absehbar, wie Lafontaine die Entwicklung darstellte, war sie für das Schröder-Lagern. "So eine Flucht hatten wir überhaupt nicht auf dem Schirm," sagte der damalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Im Interview mit sueddeutsche.de. sagte der Schröder-Vertraute: "Für manche war das so eine Art Self-killing-Ersatz."

Das Foto zeigt Heye und Schröder vor der Pressekonferenz unmittelbar nach Lafontaines Rückzugs-Ankündigung.

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Reinhard Klimmt, sein SPD-Nachfolger als saarländischer Ministerpräsident und langjähriger Vertrauter, ist überzeugt, dass Lafontaine einfach die Nerven verloren hat: "Er ist einfach ausgerastet. Sein Rücktritt war nichts anderes als ein blöder Blackout. Es war keine auch nur irgendwie politisch fundierte Aktion."

Diese Aufnahme zeigt Klimmt am Abend des 11. März 1999 vor dem Wohnhaus Lafontaines, wohin sich sein Freund zurückgezogen hatte.

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Nachdem er sich zunächst vier Tage lang in seinem Haus in Saarbrücken verbarrikadiert hatte, gab er - mit seinem Sohn auf den Schultern - eine kurze Erklärung vor seiner Haustür ab: Lafontaine sprach vom "schlechten Mannschaftsspiel" der Regierung. Klar scheint, dass Indiskretionen aus der Regierungszentrale über den Verlauf der Kabinettsberatungen am Vortag des Rücktritts das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hatten. Lafontaine fühlte sich bloßgestellt.

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Lafontaines Flucht aus allen politischen Ämtern stellte die innerparteilichen Kräfteverhältnisse in der SPD auf den Kopf. Bis dahin dominierte Lafontaine die programmatische Umsetzung der Regierungspolitik. Mit seinem Rücktritt war der Parteilinken die Führungsfigur abhandengekommen. In der Programmdebatte der SPD sollten die folgenden Jahre die "Modernisierer" um Schröder Oberwasser behalten.

Als Privatier zog sich Lafontaine zunächst ins Saarland zurück, allerdings setzte er sich immer wieder in Szene: auf Demonstrationen, Gewerkschaftskundgebungen und auch bei Veranstaltungen der saarländischen SPD, die im selben Jahr die Landtagswahl verlor.

Lafontaines Rückzugstheater war wohl ein Faktor für den Verlust der Macht an der Saar. viele CDU-Anhänger glaubten dies auch: In der Wahlnacht zogen sie mit "Oskar, wir danken dir!"-Gesängen vor sein Privathaus.

Diese Aufnahme zeigt Lafontaine auf einer Protestveranstaltung gegen den Kosovo-Krieg im Mai 1999. Die Voraussetzungen für die militärische Intervention mit deutscher Beteiligung war im Herbst 1998 im Bundestag geschaffen worden - mit dem Segen des damaligen SPD-Chefs Lafontaine.

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Oskar Lafontaine dpa

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Fortan mischte das einfache SPD-Mitglied Lafontaine auch als Bücherautor in der Politik mit - zum Ärger seiner Parteifreunde.

Die Kritik an der Regierung Schröders wurde immer deutlicher.

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Oskar Lafontaine Napoleon dpa

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Lafontaine ließ nie einen Zweifel daran, dass er sich nach wie vor für eine politische Führungsgestalt hielt. Wenn man ihn in Interviews allerdings auf seinen Rückzug von 1999 anspricht, reagiert er bis heute genervt: Er habe schließlich alles dazu gesagt.

Diese Aufnahme zeigt Lafontaine als Napoleon bei einer Karnevalsveranstaltung im Jahre 2002. Foto: dpa

Oskar Lafontaine Maas dpa

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2003 spielte Lafontaine mit dem Gedanken, innerhalb der SPD nochmal Polit-Karriere zu machen. Damals brachte sich der "alte Schlachtgaul" (er über sich selbst) für die SPD-Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2004 ins Gespräch - ohne Erfolg. Dennoch erwärmte der wortgewaltige Gegner von Agenda 2010 und Hartz IV die Herzen der gewerkschaftlich geprägten Basis.

Lafontaine mit dem saarländischen SPD-Chef Heiko Maas im Jahre 2002. Inzwischen sind Lafontaine und sein Ziehsohn direkte Gegner - bei der Landtagswahl 2009.

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Müntefering Oskar Lafontaine dpa

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Viele Sympathien verscherzte er sich aber, als er kurz vor der Landtagswahl 2004 plötzlich mit dem Wechsel zu einer neuen Linkspartei drohte. Danach wollte auch die Saar-SPD nichts mehr von ihm wissen.

Dieses Foto zeigt den heutigen SPD-Chef Franz Müntefering und Lafontaine bei einer Parteiveranstaltung 2004. Damals kam es zum unterkühlten Händedruck, inzwischen will sich Müntefering mit ihm nicht einmal mehr an einen Tisch setzen.

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Nachdem Lafontaine keine Chance mehr innerhalb der SPD sah, suchte er sich eine neue Partei: Im Frühjahr 2005 gab er sein SPD-Parteibuch zurück und engagierte sich zunächst bei der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) und den Aufbau einer bundesweiten Linkspartei.

Auf dem Foto ist Lafontaine bei einer WASG-Veranstaltung im Januar 2006 zu sehen.

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Gregor Gysi Oskar Lafontaine dpa

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2007 war Lafontaine am Ziel: WASG und PDS schlossen sich zur Linkspartei zusammen, inzwischen stieg der Saarländer zum Fraktions- und Parteichef auf.

Die Linke führt er als straffe Partei, sehr zum Unbill mancher Mitglieder. Doch in der Führungsebene ist der Saarländer unumstritten die Nummer eins: Selbst die bisherige Galionsfigur Gregor Gysi wirkt neben Lafontaine bisweilen untertänig.

Die Aufnahme zeigt Gysi und Lafontaine Anfang 2007.

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Zehn Jahre nach seiner "Flucht" ist Lafontaine wieder obenauf: Seine Ex-Partei zittert mit einer Mischung von Wut und Angst vor ihm. Und nun schickt er sich als Linke-Parteichef an, erneut in die Saarbücker Staatskanzlei einzuziehen.

Dies kann er allerdings nur mit Hilfe seiner alten Partei, doch die sträubt sich. Sein heutiger Rivale Maas sagt: "Oskar Lafontaine wird definitiv keiner saarländischen Regierung angehören".

Denn Lafontaine werde nach der Wahl am 30. August genauso schnell wieder aus dem Saarland weg sein, wie er am 11. März 1999 aus Bonn weg war.

Foto: dpa. Text: sueddeutsche.de/dpa/odg/cmat

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