Vor vereinbartem Waffenstillstand:Wie die Ukraine auf Minsk II reagiert

Handout picture of Poroshenko delivering a speech during his visit to the training center of the Ukrainian National Guard outside Kiev

Präsident Poroschenko spricht am 13. Februar zu ukrainischen Soldaten in einem Trainingszentrum bei Kiew.

(Foto: REUTERS)

Der Donbass ist verloren, von der Krim keine Rede: Das Abkommen von Minsk mutet vor allem der Regierung in Kiew viele Opfer zu. Die von Russland gestützten Separatisten dürfen sich als Gewinner fühlen. Viele Ukrainer sind darüber entsetzt. Das Drama geht weiter.

Von Cathrin Kahlweit

Es war ein zentraler Satz, den Separatistenführer Alexander Sachartschenko einer russischen Nachrichtenagentur in Minsk sagte: Die Verantwortung für die Nichteinhaltung aller Entscheidungen liege jetzt beim ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Übersetzt heißt das: Es ist die Ukraine, die liefern muss.

Dementsprechend wütend sind viele Ukrainer. Mit diesem Deal sei der Donbass verloren, heißt es in Zeitungen und sozialen Netzwerken. Die Regierung habe den pro-russischen Kräften ihre Quasi-Republiken auf dem Silbertablett als Geschenk überreicht. Von der Krim, die in dem Papier nicht einmal vorkam, gar nicht zu reden. Die Separatisten müssten nun zwar theoretisch ein paar Kilometer nach Osten rücken mit ihrer Artillerie, behielten aber die Kontrolle über das Land, das sie Volksrepubliken nennen. Kiew müsse zurückstehen, zuschauen - und die Kriegsgewinnler auch noch finanzieren. So die Reaktionen am Tag danach.

Das Entsetzen ist verständlich. Das Ergebnis des Marathons vom Mittwoch ist ein Kotau vor Moskau. Sollte ein Waffenstillstand zustande kommen, wird ab Montag im Wesentlichen die ukrainische Regierung eine Bringschuld haben: Sie wird dem Donbass einen Spezialstatus zugestehen, die Verfassung ändern, ihre Zahlungen aufnehmen müssen.

Zugleich muss sie mit den Separatisten, die formal zu den Hausherren der Ostukraine aufgewertet wurden, auf Augenhöhe reden. Dass die OSZE als quasi übergeordnete Instanz Frieden und Wahlen beaufsichtigt, dürfte an der Realität scheitern. Die Organisation ist schon jetzt täglich abhängig vom guten Willen der Separatisten, die ihre Gäste häufig ohne Angabe von Gründen bei der Ausübung ihres - mit Moskau abgesprochenen - Jobs behindern.

Ausverkauf des Landes, Legitimierung von Terroristen

Poroschenko hat trotz allem Ja zu Minsk II gesagt. Um das Blutvergießen zu beenden. Weil er keine Chance sieht, den Donbass mit Macht zurückzubekommen. Weil das Land im Würgegriff der russischen Aggression und westlicher Geldgeber ist. Und weil er keine Alternative hatte. Sein öffentliches Credo: Nur mit dem neuen Abkommen gebe es Hoffnung, dass man vom Krieg zu einem politischen Prozess übergehen könne.

Er muss das hoffen, denn daran hängt nicht nur sein Schicksal, sondern auch das der moderaten, nach Westen offenen und nach Osten immer noch kompromissbereiten politischen Führung in Kiew. Mehr noch: Stabilität und Zukunft des Landes hängen am seidenen Faden. Sollten die Separatisten weiter schießen, wie sie es während der einseitig von Kiew ausgerufenen "Zeit der Stille" taten, dann wird aus dem Verhandler Poroschenko umgehend wieder der Oberbefehlshaber.

Hält die Waffenruhe, wird es trotzdem schwierig, die Mehrheit der Parlamentarier dazu zu bringen, sich hinter den massiven Zugeständnissen von Minsk II zu versammeln, die sie in Beschlüsse gießen müssen. Der Widerstand dürfte riesig sein; der Vorwurf lautet schon jetzt: Ausverkauf des Landes, Legitimierung von Terroristen. Und ob der Bevölkerung vermittelbar ist, dass ein Teil des jüngsten IWF-Kredits, den das Land zum Überleben braucht, zur Alimentierung der von den Separatisten regierten Gebiete genutzt werden muss? Das Drama geht weiter. Am Sonntag mit dem nächsten Akt.

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