Vor Türkei-Besuch:Merkel: Migranten sollen Deutsch lernen

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Kurz vor ihrer Ankara-Reise pocht Angela Merkel auf eine bessere Integration der in Deutschland lebenden Türken. Dazu gehöre, dass "die deutsche Sprache erlernt wird".

Integration, die Schule machen soll: In ihrer wöchentlichen Video-Botschaft hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Forderung nach einer besseren Integration der in Deutschland lebenden Türken noch einmal bekräftigt. "Wir wollen, dass sich Menschen, die über viele Generationen bei uns leben, in dieses Land integrieren", sagte Merkel in ihrem Podcast.

Dabei gehe es nicht um "Assimilation oder die Aufgabe der eigenen Heimat". Es bedeute vielmehr Teilhabe am gesellschaftlichen Erfolg sowie am Arbeits- und Familienleben. "Das bedeutet natürlich, dass die deutsche Sprache erlernt wird und die deutschen Gesetze eingehalten werden", sagte Merkel.

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan war zuvor mit seiner Forderung nach türkischen Gymnasien in Deutschland auf breite Ablehnung bei Politikern, Lehrern und türkischstämmigen Deutschen gestoßen. Dazu hatte sich Merkel bereits klar positioniert: Der Passauer Neuen Presse sagte sie: "Das führt aus meiner Sicht nicht weiter, denn grundsätzlich sollten türkischstämmige Kinder und Jugendliche bei uns in deutsche Schulen gehen." Und weiter: Sie "halte nichts von der Vorstellung, dass alle türkischen Schüler hier auf ein türkisches Gymnasium gehen sollen".

Erdogan hatte in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit angeregt, türkischstämmige Kinder in ihrer Muttersprache zu unterrichten. "In der Türkei haben wir deutsche Gymnasien - warum sollte es keine türkischen Gymnasien in Deutschland geben?", fragte er in dem Beitrag.

Erdogan begründete seine Forderung mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler der drei Millionen Türken in Deutschland begründet: "Hier hat Deutschland noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt. Man muss zunächst die eigene Sprache beherrschen, also Türkisch - und das ist leider selten der Fall."

Diese Forderung sorgt in Deutschland weiter für Diskussionsstoff: Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auch SPD-Chef Sigmar Gabriel den Vorstoß zurückgewiesen. Gabriel sagte dem Deutschlandfunk, er könne sich "im Ernst nicht vorstellen, dass wir türkische Gymnasien möglichst noch mit Regierungsauftrag aus der Türkei bei uns aufbauen". Aber: "Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass Türkisch als zweite oder dritte Fremdsprache mehr in Deutschland unterrichtet wird, als das zurzeit der Fall ist." Weil Deutschland immer engere Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei habe, würden die Sprachkenntnisse wichtiger. "Da haben die jungen Leute, die türkische Eltern haben, richtig was zu bieten", sagte Gabriel.

Grünen-Chef Cem Özdemir ist empört über die jüngste Türkei-Debatte in Deutschland. "Offensichtlich gibt es eine Allergie gegen alles, was mit der Türkei und der türkischen Sprache zu tun hat", sagte Özdemir der Süddeutschen Zeitung. "Es entsteht fast der Eindruck, Türkisch sei eine Sprache von Aussätzigen", kritisierte Özdemir. Das führe zu Gegenreaktionen und erschwere die Integration.

Bundeskanzlerin Angela Merkel warf der Co-Vorsitzende der Grünen vor ihrer Reise in die Türkei vor, die Diskussion bewusst nicht zu entschärfen: "Hier müsste die Kanzlerin gegensteuern. Das tut sie nicht." Das bewiesen auch Merkels an die Türken gerichteten Forderungen nach Gesetzestreue und dem Erlernen der deutschen Sprache. "Wer widerspricht ihr da? Die Tatsache, dass Angela Merkel es vor ihrer Reise so formuliert, zeigt, dass es ihr vor allem um die Innenpolitik geht." In die Beziehungen zur Türkei investiere Merkel nichts, kritisierte Özdemir. Sie vergeude so die Chance, mit ihrem Besuch die Rolle der Türkei als Friedensvermittler im Nahen Osten zu stärken.

EU-Vollmitgliedschaft versus 'privilegierte Partnerschaft'

Streit zwischen Erdogan und Merkel gibt es auch bezüglich der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei: Erdogan besteht auf einer Vollmitgliedschaft seines Landes in der EU. "Wir führen bereits die Verhandlungen, und zwar auf Vollmitgliedschaft. Für uns gibt es dazu keine Alternative", sagte er.

Die Position Merkels für eine sogenannte privilegierte Partnerschaft wies er zurück: "Die EU-Verträge kennen keine 'privilegierte Partnerschaft'. Für die Türkei wäre es ein großer Fehler, darauf einzugehen", betonte Erdogan. .

Bundeskanzlerin Merkel warb dagegen für das Modell der "privilegierten Partnerschaft" zwischen der Europäischen Union und der Türkei. In türkischen Zeitungsinterviews betonte Merkel, Berlin respektiere die seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen, doch würden diese ergebnisoffen geführt.

Merkel besucht am Montag zum ersten Mal seit vier Jahren wieder die Türkei. Zunächst will sie Erdogan in Ankara treffen. Am Dienstag besucht sie Istanbul und die Hagia Sophia. Themen der politischen Gespräche sind unter anderem die Zukunft des Friedensprozesses im Nahen Osten sowie die Beziehungen zu Iran.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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