Die wichtigste Botschaft der USA-Reise von Kanzlerin Angela Merkel am 1. Mai dürfte sein: Sie hat vier Stunden mit Obama. In Zahlen: 4. Das ist durchaus ungewöhnlich für einen Arbeitsbesuch, der am Donnerstagabend beginnt und gute 24 Stunden später wieder endet.
Vier Stunden, inklusive Gesprächstermin, Mittagessen und einer Pressebegegnung. Alles am Freitag. Und das obwohl Obama da gerade erst von einer umfangreichen Asien-Tour zurückgekehrt sein wird. In Regierungskreisen wird von einer "freundlichen Geste" der amerikanischen Seite gesprochen. Arbeitsbesuche beinhalten sonst meist nur kurze Treffen und noch viel kürzere Pressestatements.
Der Themenrucksack ist entsprechend pickepackevoll gepackt. Ganz obenauf liegt - natürlich - die Lage in der Ukraine. Es soll zum Beispiel um mögliche weitere Sanktionen gegen Russland gehen. Die USA sind da ganz vorne mit dabei. Haben aber auch am wenigsten zu verlieren, sind doch ihre Wirtschaftsbeziehungen zum Putin-Reich vergleichsweise unbedeutender.
Die Haltung ist ansonsten klar und wenig konfliktbeladen. Die russische Führung sei aufgefordert, sich an die Genfer Beschlüsse von Mitte April zu halten. Also: erkennbares Bemühen um Deeskalation. Das sei aber bisher nicht geschehen. Merkel hat den russischen Präsidenten Putin telefonisch aufgefordert, sich öffentlich hinter die Genfer Beschlüsse zu stellen und ebenso öffentlich die Separatisten im Osten der Ukraine zum Rückzug zu bewegen. Das hat dieser bisher nicht getan.
Putin profitiert von einer instabilen Ostukraine
Putins Interesse dürfte ohnehin anders gelagert sein. Er hat derzeit mehr von einer instabilen Ostukraine. Und wenn nicht alles täuscht, gehören zumindest einige der Separatisten russischen Spezialeinheiten an, die schon auf der Krim im Einsatz waren.
Angeschnitten werden soll bei Merkels Besuch in Washington auch die Lage in Iran, in Syrien und im Nahen Osten, wo gerade die von US-Außenminister John Kerry vorangetriebenen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern gescheitert sind.
Merkel will auch über die NSA-Affäre mit Obama sprechen. Nur zur Erinnerung: Der Militärgeheimdienst der USA hat nicht nur womöglich Daten deutscher Staatsbürger ausgespäht, sondern auch das Handy der Kanzlerin und mutmaßlich einiger weiterer deutscher Regierungsmitglieder. Allein für Merkel soll es die Zusicherung geben, dass sie nicht mehr von der NSA überwacht werde.
Ziel der Bundesregierung war es einmal, mit den USA zu einem No-Spy-Abkommen zu kommen. Nach dem Motto: Freunde vertrauen sich und hören sich nicht gegenseitig ab. Merkel hat das auf die Formel gebracht, auf deutschem Boden gelte deutsches Recht. Aber nicht einmal diesen Satz wollen die Amerikaner unterschreiben. Eine Lösung des Konflikts, gar ein Durchbruch, sei nicht zu erwarten, heißt es.
Viel zu befürchten haben die Amerikaner offenbar sowieso nicht. Merkel scheint wenig gewillt zu sein, die deutsch-amerikanischen Beziehungen aufs Spiel zu setzen, für ein Abkommen, auf dass sich die Amerikaner erkennbar nicht einlassen werden. Das Abkommen bleibe Ziel der Bundesregierung, heißt es. Aber das klingt so glaubhaft wie die Aussage, dass die Rückkehr der Krim in die Ukraine weiter auf der Tagesordnung stehe. Mag ja sein. Realistisch ist beides nicht.
Und so tröstet sich die Bundesregierung mit angeblich dicken Brettern, die da zu bohren seien. Das werde ein langfristiger Prozess, der womöglich Jahre dauern könne. Es werde jetzt keine Lösung geben und auch in den Monaten nach Merkels Rückkehr nicht. Sollte es je eine Lösung geben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es die noch in der Amtszeit von Merkel gibt, ipraktisch gleich null.