Internationale Atomaufsicht:IAEA alarmiert über Irans Fortschritte beim Atomprogramm

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Kann Teheran eine Atombombe bauen? Die Internationale Atomenergiebehörde will die "bislang stärksten Beweise" vorlegen, dass die Islamische Republik inzwischen die entscheidenden Hürden gemeistert hat - dank ausländischer Hilfe. Einzelheiten des IAEA-Berichts sind bereits durchgesickert und verschärfen die Debatte um einen möglichen Militärschlag gegen Iran. Russland richtet eine deutliche Warnung an Israel.

Der Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zum iranischen Atomprogramm sorgt schon vor seiner Veröffentlichung für Aufregung. Grund sind Gerüchte, wonach die IAEA die bislang detaillierteste Zusammenstellung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse vorlegen wird, die Hinweise auf ein iranisches Atomwaffenprogramm enthalten.

Die Atomanlage in Bushehr im südlichen Iran: Die IAEA will detaillierte Informationen vorlegen, wonach Iran in den vergangenen Jahren ehrgeizig Wissen zum Bau von Atomwaffen angesammelt hat. (Foto: dpa)

Berichten der New York Times und der Washington Post zufolge finden sich darin die "bislang stärksten Beweise", dass Iran in den vergangenen Jahren die entscheidenden Hürden auf dem Weg zum Bau eines nuklearen Sprengsatzes genommen hat. Die Berichte würden belegen, dass Iran die Entwicklung eines Atomwaffenprogramms nach einer kurzen Pause im Jahr 2003 wiederaufgenommen hat - und damit US-Geheimdiensten widersprechen, wonach Iran die Experimente im Jahr 2003 auf internationalen Druck hin dauerhaft eingestellt habe. Wichtiges technologische Know-how soll von einem früheren sowjetischen Waffenspezialisten gekommen sein. Auch habe Iran von technischem Wissen aus Pakistan und Nordkorea profitiert.

Die Regierung in Teheran wies die Vorwürfe schon vorab zurück. Anschuldigungen, die sich in der Vergangenheit bereits als falsch erwiesen hätten, würden nun wieder hervorgeholt, erklärte Außenminister Ali Akbar Salehi. Im Gespräch mit der iranischen Nachrichtenagentur Mehr News Agency gab sich Salehi bezüglich des IAEA-Berichts betont gleichgültig: "Lassen wir sie doch erst einmal veröffentlichen und dann sehen wir weiter", sagte er. Die Kontroverse über Irans Atomprogramm nannte er zu "100 Prozent politischer Natur". Salehi warf der IAEA vor, gegen ihre Verpflichtung zu politischer Unabhängigkeit zu verstoßen und auf Druck der USA Vorwürfe gegen Teheran zu erheben. Der einflussreiche Geistliche Ajatollah Ahmed Chatami bezeichnete die IAEA als "Instrument" der USA.

Die IAEA hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Aktivitäten aufgelistet, die ihrer Meinung nach auf ein iranisches Atomwaffenprogramm hindeuten. Iran besteht darauf, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Doch im Westen glaubt man schon länger, dass Teheran die Entwicklung von Atomwaffen unter dem Deckmantel seines zivilen Nuklearprogramms vorantreibt.

"Ehrgeiziges, zielgerichtetes Forschungsprogramm"

Die Informationen im jüngsten IAEA-Bericht sollen nun belegen, dass das geheime Forschungsprogramm sogar noch ehrgeiziger und zielgerichteter organisiert sei als bislang befürchtet. "Die Geheimdienstinformationen deuten auf eine umfassende Projektstruktur hin - mit klaren Hierarchien, einem Zeitplan und Liefervorgaben", zitiert die Washington Post David Albright, einen früheren IAEA-Experten, der die Dokumente gesichtet und daraus vorab auf einer nicht öffentlichen Konferenz für Geheimdienstmitarbeiter berichtet hat.

Demnach würden iranische Forscher seit 2003 gleichzeitig und fachübergreifend daran arbeiten, sich Schlüsselqualifikationen anzueignen, um eine Atomwaffe produzieren und testen zu können. "Iran hat sein Atomwaffenprogramm nie wirklich eingestellt", sagte Albright der Zeitung. "Nach 2003 floss Geld für entsprechende Forschungen im Nuklearbereich, die allerdings unter dem Deckmantel ziviler Institutionen abliefen."

Albright zufolge hätten die Entwicklungen in den vergangenen Jahren die entscheidenden Hürden auf dem Weg zum Bau einer Atomwaffe genommen. Den Forschern sei es gelungen, sich Wissen über das Design und die Konstruktion eines funktionsfähigen, nuklearen Sprengsatzes unter Verwendung von hochangereichertem Uran anzueignen. Allerdings hätten die Iraner dies nicht ohne Hilfe von außen bewerkstelligen können.

Eine zentrale Rolle hat dabei angeblich der frühere sowjetische Nuklearwaffenxperte Wjatscheslaw Danilenko gespielt: Er soll den Iranern in den vergangenen fünf Jahren wertvolle Informationen geliefert haben - möglicherweise ohne sich dessen bewusst zu sein. Den Experten zufolge habe er geglaubt, er assistiere den Iranern lediglich bei der Entwicklung ziviler Projekte. Auch gebe es keine Hinweise, dass die russische Regierung von Danilenkos Aktivitäten in Iran gewusst haben könnte.

Weiteres Wissen soll aus Nordkorea stammen. Die Süddeutsche Zeitung hatte vor kurzem berichtet, dass Pjöngjang im Zuge der Rüstungszusammenarbeit mit Teheran den Iranern ein hochspezialisiertes Computerprogramm beschafft habe, das für die Entwicklung von nuklearen Sprengköpfen unerlässlich ist. Zusätzliches Know-how soll sich Iran von Abdul Qadeer Khan geholt haben. Der Wissenschaftler wurde als "Vater der pakistanischen Atombombe" bekannt.

Aufgrund dieser Informationen seien Experten der IAEA zu dem Schluss gekommen, dass Iran "ausreichend Informationen für die Herstellung einer Implosionswaffe" hat und hochangereichertes Uran als spaltbares Material verwenden könnte. US-Geheimdiensten zufolge aber habe die Führung in Teheran noch nicht entschieden, ob sie die Atombombe jetzt bauen oder zunächst weitere Komponenten und Fähigkeiten ansammeln soll, um zu einem späteren Zeitpunkt möglichst schnell eine nukleare Bombe herstellen zu können.

Insbesondere die Urananreicherung war in den vergangenen Jahren Streitpunkt zwischen Iran und dem Westen: Iran benötigt sie nach eigenen Angaben, um Brennstäbe für seine Reaktoren herzustellen. Der Westen befürchtet aber, dass Iran heimlich hochangereichertes Uran für eine Atombombe produzieren will. Der UN-Sicherheitsrat hat wegen der Weigerung Teherans, die Urananreicherung zu stoppen, schon Sanktionen gegen das Land verhängt.

Die Ängste vor einer iranischen Atombombe mehren sich seit dem Wochenende: Vor allem Israel dringt darauf, dass die internationale Gemeinschaft alles Notwendige unternimmt, um Iran zu stoppen. Die Anzeichen nehmen zu, wonach das Land einen militärischen Alleingang gegen Teheran planen könne. Am Freitag äußerte sich der israelische Präsident Schimon Peres ungewohnt pessimistisch über die weitere Entwicklung des Verhältnisses zu Iran.

Peres sagte einem israelischen Fernsehsender, die internationale Gemeinschaft sei im Streit um das iranische Atomprogramm einer militärischen Lösung näher als einer diplomatischen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll Medienberichten zufolge schon das Kabinett um Unterstützung für einen Militärschlag gegen Iran gebeten haben.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad warnte Israel und die USA vor einem militärischen Angriff: Einziger Zweck eines Angriffs sei es, den gestiegenen Einfluss Teherans zu bekämpfen, sagte Ahmadinedschad der ägyptischen Zeitung El Achbar. "Iran hat seine Kapazitäten erhöht und entwickelt sich immer weiter", sagte er. Israel und die USA versuchten, internationale Unterstützung für einen Militäreinsatz in Iran zu erlangen, um den Einfluss Teherans zu "vernichten", sagte Irans Präsident weiter. Iran werde ihnen jedoch nicht erlauben, gegen das Land vorzugehen.

Unterstützung erhält Ahmadinedschad von Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Der richtete deutliche, warnende Worte an Israel: Ein Angriff auf die Islamische Republik wäre ein "sehr schwerer Fehler mit unvorhersehbaren Folgen". Das Problem könne nicht militärisch gelöst werden.

Auch die Bundesregierung sprach sich gegen militärische Schritte aus. Das Atomprogramm Teherans nannte er Anlass zu großer Sorge. Man sei für eine Ausweitung des politischen und diplomatischen Drucks, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Ähnlich ist die Haltung der USA, der EU und des UN-Sicherheitsrat. Experten zufolge würde man fordern, die Sanktionen gegen Teheran auszuweiten.

Auch Frankreich hält eine Verschärfung der Sanktionen gegen Iran für nötig. Man müsse alles vermeiden, was nicht wieder gutzumachen sei, sagte Außenminister Alain Juppe dem Rundfunksender Europe 1.

© sueddeutsche.de/dpa/dapd/Reuters/AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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