Süddeutsche Zeitung

Vor Fußball-WM in Brasilien:Polizei besetzt Favela-Siedlung in Rio

Brasiliens Militärpolizei übernimmt die Kontrolle über ein weiteres Armenviertel: Mehr als tausend Einsatzkräfte haben eine Favela-Siedlung in der Nähe des Flughafens von Rio de Janeiro eingenommen. Damit soll eines der gefährlichsten Viertel Brasiliens vor der Fußball-WM sicherer gemacht werden.

Zweieinhalb Monate vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft hat die brasilianische Militärpolizei ein Armenviertel nahe dem internationalen Flughafen von Rio de Janeiro besetzt. Binnen einer Viertelstunde übernahmen etwa 1300 Polizisten unterstützt von Helikoptern und gepanzerten Fahrzeugen am Sonntag die Kontrolle über die Favelas der Maré-Siedlung, wie die Sicherheitsbehörden erklärten. Der Stadtteil gilt als Hochburg der Drogenkriminalität.

Den Sicherheitsbehörden des Bundesstaats Rio zufolge waren 1180 Militärpolizisten, 132 Zivilpolizisten, vier Helikopter und 15 gepanzerte Fahrzeuge an der seit Wochen angekündigten Aktion beteiligt, die von zahlreichen Journalisten begleitet wurde. Bei Tagesanbruch rückten Sondereinheiten in die Siedlung vor, die als einer der gefährlichsten Stadtteile der Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole gilt.

Die Maré-Siedlung besteht aus 16 verschiedenen Favelas, in deren engen Gassen und ärmlichen Häusern Rauschgift- und Waffenhändler Unterschlupf gefunden haben sollen, die aus anderen Favelas verjagt worden sind. Die Siedlung mit ihren etwa 130.000 Einwohnern liegt zwischen mehreren wichtigen Verkehrsachsen, die das Zentrum von Rio mit den Vororten verbinden und über die im Sommer Zehntausende Fußballfans fahren werden.

Acht "Befriedungspolizisten" starben seit Anfang 2014

Schon am Mittwoch waren Sicherheitskräfte in das Armenviertel eingedrungen, um die Besetzung vorzubereiten. Das Maré soll mindestens bis Ende Juli von der Militärpolizei, die den deutschen Landespolizeien vergleichbar ist, gehalten werden. Anschließend sollen 1500 UPP-Beamte die Kontrolle über die Favelas übernehmen.

Die Einnahme ist eine weiterer Schritt, um die Brennpunkte der Gewalt in Rio in den Griff zu bekommen. Seit 2008 wurden in 174 Favelas 38 Einheiten der sogenannten Befriedungspolizei (UPP) stationiert. Seit Jahresbeginn gerieten Mitglieder der UPP aber zunehmend ins Visier von Kriminellen. Dabei wurden acht Polizisten getötet - vier in sogenannten befriedeten Distrikten. Vor wenigen Tagen erst war ein Polizist bei einer Schießerei in einem Slum von Rio de Janeiro erschossen worden. Justizminister Eduard Cardozo kündigte daraufhin an, Soldaten zur Vertreibung der herrschenden Drogenbanden und anderer krimineller Gruppen einzusetzen.

Die Besetzung der Maré-Siedlung hat eine ähnliche Dimension wie die Übernahme des Viertels von Alemão (Viertel der Deutschen) Ende 2010, bei der 2600 Sicherheitskräfte im Einsatz gewesen waren.

Brasilien rechnet während der Fußball-WM vom 12. Juni bis 13. Juli 2014 mit 600.000 ausländischen Touristen. In Rio, einem von zwölf Austragungsorten, findet unter anderem das Endspiel statt. 2016 werden in Rio außerdem die Olympischen Sommerspiele ausgetragen, die ersten in Südamerika.

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