Vor der Wahl:Niederlande - eine extrem vielfältige Parteienlandschaft

Die Sozialdemokraten drohen abzustürzen, die rechten Parteien steuern auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu: Die wichtigsten Parteien der Niederlande im Überblick.

Von Simon Conrad und Elisabeth Gamperl

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VVD - Rechtsliberale bei Umfragen in Führung

Mark Rutte

Quelle: REUTERS

Die rechtsliberale VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie) war der große Gewinner der letzten Wahl 2012, sie stellte den Ministerpräsidenten Mark Rutte (Bild) und bildete zusammen mit den Sozialdemokraten (PvdA) eine große Koalition. Auch aktuellen Umfragen zu Folge liegen sie wieder in Führung, auch wenn sie Stimmen verlieren dürften.

In diesem Wahlkampf ist die VVD noch weiter nach rechts gedriftet. Um dem größten Konkurrenten, der Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders, die Wähler abzugraben, wettert Rutte wie dieser gegen Islam und Einwanderung. Anfang des Jahres veröffentlichte er Zeitunganzeigen mit dem Appell: "Verhalte Dich normal oder geh weg". Die Zusammenarbeit mit Wilders lehnt Rutte aber kategorisch ab. Die Chancen lägen bei "null Prozent", twitterte er im Februar, "Es. Wird. Nicht. Passieren."

Rutte wurde 2010 erster Ministerpräsident der VVD. Damals galt er als charmant, bürgernah und sehr pragmatisch. Mittlerweile ist der Glanz des 50-Jährigen verblasst: "Teflon-Premier" wird er genannt, weil alle Probleme an ihm abzugleiten scheinen. So entging er 2015 nur knapp einem Misstrauensvotum.

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PVV - Rechtspopulist Geert Wilders bestimmt die Themen

Geert Wilders

Quelle: Bloomberg

Der Rechtspopulist Geert Wilders (Bild) ist mit seiner Freiheitspartei - Partij voor de Vrijheid (PVV) - das Schreckgespenst des Wahlkampfs. Dieses Jahr liefert sich die Partei mit der regierenden rechtsliberalen VVD ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Die Ein-Mann-Partei - Geert Wilders ist tatsächlich das einzige Mitglied - gibt die Wahlkampfthemen vor: In ihrem buchstäblich einseitigen Wahlprogramm richtet sich die Partei unter anderem gegen den Islam, Asylsuchende und Windkraft und plädiert für Steuererleichterungen, geringere Mieten und höhere Renten. Die Partei sieht die niederländische Identität durch die EU bedroht und setzt sich für einen Austritt der Niederlande ein. Die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung sind gering: Alle großen Parteien schließen eine Koalition mit der PVV kategorisch aus.

Wilders genießt innerhalb seiner Partei unangefochtene Autorität. Marokkaner beschimpfte er vor laufender Kamera als "Abschaum", Ende 2016 verurteilte ihn ein Gericht wegen Diskriminierung. Seit dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump sieht er sich als Teil eines globalen "patriotischen Frühlings" und teilt sich Bühnen mit anderen europäischen Rechtspopulisten wie Marine Le Pen und Frauke Petry.

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PvdA - Die Sozialdemokraten als größter Verlierer

Lodewijk Asscher

Quelle: AP

Bislang bildete die sozialdemokratische Arbeiterpartei (Partij van de Arbeid, PvdA) eine große Koalition mit der rechtsliberalen VVD. Die Sozialdemokraten kamen bei der vergangenen Wahl auf Platz zwei, bei dieser Wahl könnte ihnen den Umfragen zu Folge bis zu zwei Drittel ihrer Mandate wegbrechen.

Der Parteiführer und amtierende Sozial- und Vizepremierminister Lodewijk Asscher (Bild) und seine Partei haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Viele ihrer früheren Wähler werden sie am 15. März höchstwahrscheinlich dafür abstrafen, dass sie in den vergangenen Jahren den Sparprogrammen wie Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich zugestimmt haben, die vom Koalitionspartner VVD kamen. In den Niederlanden wächst die Zahl der Selbständigen und der Arbeiter mit befristeten Verträgen. Diese Klientel der Sozialdemokraten fühlt sich von ihnen im Stich gelassen.

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SP - die linke Socialistische Partij war schon mal wichtiger

Emile Roemer

Quelle: AP

Man sah sie auch schon mal als Sieger: Die linke Socialistische Partij (SP) hatte 2012 bis kurz vor der Wahl beste Umfrageergebnisse. Am Ende entschieden sich viele linke Wähler dann doch für den stärksten Konkurrenten - die sozialdemokratische Arbeiterpartei (PvdA). Die SP wurde damals neben Wilders drittstärkste Partei, diesmal wird sie es womöglich nur unter die Top 5 schaffen.

Schon 2012 war Emile Roemer (Bild), 54, Partei- und Fraktionsführer. Roemer wirbt etwa mit leistbarer Gesundheitsversorgung und bezahlbaren Wohnraum. Seine Partei gibt sich EU-skeptisch und antimilitaristisch.

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CDA - Comeback der Christen Democratisch Appèl als Juniorpartner?

Sybrand Buma

Quelle: AP

2010 und 2012 erlitten die Christdemokraten (CDA) herbe Verluste und fielen nach acht Jahren als Regierungspartei unter zehn Prozent. Aktuellen Umfragen zufolge liegt die noch immer mitgliederstärkste Partei mit zwölf Prozent wieder im Mittelfeld und käme so als dritter Koalitionspartner in einer konservativen Regierung in Frage.

Programm macht der CDA mit Werte- und Heimatverbundenheit, Traditionswahrung und sozialpolitischen Vorschlägen: Längere Elternzeit, Pflegegeld für Rentner und mehr Festanstellungen. Wie die VVD sieht sich die Partei dem Druck von rechts ausgesetzt: Parteivorsitzender Sybrand van Haersma Buma (re.) sagte jüngst in einer Fernsehdebatte mit Bezug auf islamische Einwanderung, dass tausend Jahre christlich-jüdische Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu verteidigen seien.

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GroenLinks - Alternative zurück aus der Versenkung

Jesse Klaver

Quelle: AP

2012 verlor GroenLinks mehr als die Hälfte ihrer Mandate und kam auf gerade einmal zwei Prozent. Dieses Jahr präsentiert sich die Partei als radikale Alternative zu den Rechtspopulisten und der etablierten Mitte, und spricht vor allem junge, urbane Wähler an. In Umfragen kamen die Grünen zuletzt auf zehn Prozent.

Die Verantwortung für den Aufstieg der Rechten gibt der junge Parteivorsitzende mit indonesisch-marokkanischen Wurzeln, Jesse Klaver (Bild), der politischen Mitte. Sozial- und Christdemokraten hätten kein wirksames Mittel gefunden, um die normalen Bürger gegen die wirtschaftliche Liberalisierung zu schützen. Als Alternative will GroenLinks durch Investitionen in erneuerbare Energien die Vollbeschäftigung erreichen, Kapitalerträge hoch versteuern und sich für gerechtere Löhne einsetzen. An die Regierung könnte die Partei als Teil einer linken Vierer-Koalition kommen.

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D66 - linksliberale Demokraten, die auf Optimismus setzen

Alexander Pechtold

Quelle: AFP

Die linksliberalen Democraten 66 (D66) könnten nach elf Jahren in der Opposition die führende Kraft in einem Mitte-links-Bündnis werden: Jüngste Umfragen bescheinigen ihr zwölf Prozent Zuspruch.

Anders als ihre Konkurrenz wirbt die D66 mit Optimismus und versucht, statt mit identitätspolitischen Themen mit Sozialpolitik zu punkten. Im Zentrum ihres Programms stehen Investitionen in die Altenpflege, mehr Festanstellungen und eine Senkung der Einkommensteuer, Bildung und der Kohleausstieg vor 2025. Die Partei ist betont proeuropäisch.

Von Intellektuellen 1966 als progressive Alternative zu den Etablierten gegründet, wird die Partei seit mehr als zehn Jahren von Alexander Pechtold (Bild) angeführt, einem promovierten Kunsthistoriker. In dieser Wahl steht die Partei für die pragmatische Mitte.

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Parteien in den Niederlanden

Quelle: AFP

Geert Wilders (PVV), Emile Roemer (SP), Mark Rutte (VVD), Lodewijk Asscher (PvdA), Alexander Pechtold (D66) und Sybrand van Haersma Buma (CDA) (v.l.) bei einem Besuch der Tageszeitung De Telegraaf.

© SZ.de/mcs
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